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Kindheitserinnerungen

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Wenn ich so zurückblicke, glaube ich, dass sich auch mein Erinnerungsvermögen minimiert hat. Besonders die eigene Kindheit ist doch ziemlich verblichen, ähnlich den Fotos oder Negativen aus dieser Zeit. Ich glaube, es sind immer nur die herausragenden Erlebnisse aus der Kindheit an die man sich erinnert oder sich zu erinnern glaubt, weil man oft darüber gesprochen hat oder sie durch Fotos lebendig erhalten hat. Eine dieser Begebenheiten aus meiner Kindheit wird immer aktueller und passt zu meiner Geburtstagsmissstimmung.

Meine Schwester und ich hatten unseren Lieblingsplatz am Küchenfenster eingenommen. Wir standen auf Stühlen, um die Möglichkeit zu haben, unseren Oberkörper aus dem Fenster zu lehnen. Wir liebten es, dazustehen und rauszusehen. Dabei beulten wir den Latz unserer rotweißkarierten Schürzen so, dass es den Eindruck erweckte, wir hätten einen Busen. Wir fanden unser Spielchen sehr aufregend und führten dabei Gespräche über Dinge, die uns kleine Mädchen von sechs und acht Jahren bewegten. Besonders interessant wurde es, wenn jemand vorbeikam. Aber wir wohnten auf dem Dorfe und es war nicht ungewöhnlich, wenn stundenlang keine einzige Seele unser Küchenfenster passierte. Wir lebten ohne Fernsehen, ohne Telefon und ein Handy gab es schon gar nicht. Zu unseren Vergnügungen gehörte das Spielen mit Freunden am Bach und auf den Wiesen. Zur Fortbewegung besaßen wir allerdings einen flotten gummibereiften Tretroller und auch die Schule bot uns einiges an Abwechslung und machte Spaß. Aber unsere Zerstreuungen waren im Verhältnis zur heutigen Zeit eingeschränkt. Das erklärt vielleicht die Freude, die wir an unserem Küchenfensterspielchen hatten.

An diesem Tag war ein Thema aktuell mit dem wir noch nie zuvor konfrontiert wurden. Unsere Großmutter war gestorben.

Wir kannten sie kaum und waren deshalb auch nicht wirklich traurig über ihren Tod. Sie war eben eine ganz, ganz alte Frau. Alte Menschen sterben einfach irgendwann. Aber was bedeutet das und wie war das mit uns? Wir machten die Augen zu, versuchten uns wegzudenken und überlegten, wie es wohl sein könnte, wenn man gestorben war. Vielleicht wäre man dann bei Gott und würde dort weiterleben. Aber wo sollte das sein und wie und mit wem würde man in dieser unbekannten Welt zusammen sein? Was wäre mit unseren Eltern und allen die wir liebten? Nein, diese Aussicht gefiel uns nicht. Wir könnten wahrscheinlich nie mehr gemütlich am Fenster stehen, nie mehr mit unseren Freunden spielen, nie mehr Eis essen. Nein, tot sein kam für uns nicht in Frage. Unsere Vorstellung ließ es einfach nicht zu, eines Tages nicht mehr auf dieser Welt, unserer kleinen Welt, die für uns nur schön war, zu sein. Wir beschlossen, dass wir allenfalls im Omaalter sterben könnten, aber auch nur vielleicht.



Bogdansky

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