Читать книгу Das geschenkte Mädchen - Martin Arz - Страница 11

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05 Eisiger Wind peitschte den Schneeregen über die Straße. Der Wetterdienst hatte Fön und Sonnenschein mit »für die Jahreszeit zu warmen Temperaturen« vorausgesagt. Von wegen! Pfeffer schlug den Kragen seines Mantels hoch, als sie sich dem Haus näherten. Es war noch früh am Morgen und er war schon seit Stunden auf den Beinen. Frühstück für die Kinder machen, eine halbe Stunde Joggen und ins Büro hetzen – so sah seit Monaten sein Sportprogramm aus – dann den Tagesablauf mit den Kollegen absprechen und die paar Personen abklappern, deren Namen in Westphals Filofax zu finden waren. Außer zwei Tassen Espresso und einem halben Päckchen Zigaretten hatte er noch nichts gefrühstückt. Wie fast jeden Morgen. Auch eine Möglichkeit, schlank zu bleiben.

Pfeffer zündete sich eine neue Zigarette an und sah zwei Gestalten nach, die durch die Graupelschauer die Straße hinunterwankten. Sie waren als Afrikaner verkleidet, schwarze Trikots mit Baströckchen und Lockenperücken. Vermutlich gab es die Kostüme beim Schnäppchenmarkt zum Sonderpreis. Die beiden erinnerten Pfeffer daran, dass Faschingszeit war. Das war an ihm bisher völlig vorbeigerauscht. War Weihnachten nicht erst vorgestern gewesen?

Er hatte sich noch nie etwas daraus gemacht, auch damals nicht, als er noch eine funktionierende Familie gehabt und seinen kleinen Kindern beim Kostümebasteln geholfen hatte. Nun fanden seine halbwüchsigen Söhne Fasching krass ätzend und konkret uncool. Gott sei Dank, dass sie nicht im Rheinland lebten, wo man dem Grauen nicht entgehen konnte.

»Gehst du mit deiner Irene auf Fasching?«, fragte er seinen Kollegen Freudensprung, während er auf die Klingel am Tor des gutbürgerlichen Einfamilienhauses drückte.

»Nö«, antwortete Freudensprung schlecht gelaunt.

»Nicht? Du bist doch mit deiner Frau all die Jahre immer …«

»Dieses Jahr eben nicht«, raunzte Freudensprung.

»Entschuldige, dass ich mit dir spreche«, sagte Pfeffer gereizt und klingelte noch einmal. »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen, Paul? Seit Tagen bist du unausstehlich.«

»Nix ist mir über die Leber gelaufen«, brummelte Freudensprung und fuhr sich durchs Haar, das auf seinem Kopf immer mehr die Flucht nach hinten antrat. Seine Frau Irene hatte ihm regelmäßig alle möglichen und unmöglichen Haarwachstumsmittelchen mitgebracht. Kollegin Annabella Scholz nannte seine Geheimratsecken stets »dramatisch«. Freudensprung konnte Anspielungen auf seine schwindende Haarpracht nicht leiden. Genauso wenig konnte er es leiden, wenn er wegen seines Namens »Gaudihupf« oder der Kürze halber meist nur »Gaudi« genannt wurde. Bella zog ihn damit ständig auf. »Na los, Frese-Mayer, mach endlich die Tür auf! Mir frieren die Eier ab.«

Wie auf Kommando krächzte eine Stimme aus der Gegensprechanlage: »Ja bitte?«

»Frau Sabine Frese-Mayer? Können wir bitte kurz mit Ihnen sprechen? Kripo München.«

»Was wollen Sie? Ist meinem Mann etwas passiert, oder hat er wieder etwas angestellt?«, quäkte die Stimme.

»Keine Sorge«, sagte Pfeffer betont freundlich. »Wir haben nur ein paar Fragen an Sie und Ihren Mann. Lassen Sie uns bitte für einen Moment rein.« Pfeffer spürte, wie seine Zehen vor Kälte taub wurden.

»Warten Sie«, antwortete die Frauenstimme. »Mein Mann ist nicht da und ich muss zu einem Businesstermin nach Berlin. Ich komme gleich raus, mein Taxi müsste jeden Moment da sein.«

»Scheiße!«, fluchte Freudensprung und hüpfte von einem Bein auf das andere.

Es dauerte noch einige Minuten, bis sich endlich die Eingangstür öffnete und eine perfekt gestylte Frau im dunklen Kaschmirmantel auf den Waschbetonweg trat. Ein kuscheliger Pelzkragen umschmeichelte ihr Gesicht. In den warm behandschuhten Händen trug sie einen kleinen Koffer und eine Aktentasche aus Krokolederimitat.

»Worum geht es?«, fragte sie die beiden Kriminalbeamten und winkte mit einem »Jajaja« gelangweilt ab, als Pfeffer ihr seinen Ausweis- unter die Nase hielt.

»Frau Frese-Mayer, kennen Sie einen Doktor Sönke Westphal?«

»Nicht, dass ich wüsste. Sollte ich?«, entgegnete sie leicht schnippisch. Der Wind brachte keine Strähne ihres betont auf lässig frisierten Haares durcheinander.

»Er war Experte für afrikanische Kunst«, sagte Freudensprung.

»War?« Frau Frese-Mayer zog eine Augenbraue hoch. Es sah nach einer lange und sorgfältig einstudierten Mimik Marke »Sag mir lieber gleich, was du zu verheimlichen versuchst« aus.

»Er wurde gestern tot aufgefunden, Frau Frese-Mayer. Ermordet, um genauer zu sein.« Pfeffer bemühte sich genauso gelangweilt zu reden wie sein Gegenüber.

Keine Reaktion bei der Frau. »Bedauerlich«, sagte sie mit einem Schulterzucken. »Doch leider kann ich Ihnen beim besten Willen nicht weiterhelfen. Ich kannte ihn nicht. Ah, da kommt ja endlich mein Taxi.« Ein zartbeiger Mercedes hielt an.

»Und Ihr Mann? Könnte er Doktor Westphal gekannt haben?«, fragte Pfeffer und half der Frau beim Verstauen des Koffers auf der Taxirückbank.

»Schon möglich. Georg kennt die seltsamsten Menschen. Aber das müssen Sie ihn selbst fragen.« Sie stieg in den Wagen.

»Wann ist Ihr Mann denn mal zu Hause?« Pfeffer musste sich beherrschen, um nicht noch »Lassen Sie sich halt nicht alles aus der Nase ziehen« hinzuzufügen.

»Mein Mann ist gestern für zwei Tage zum Skifahren nach Zürs gefahren. Da müssen Sie sich also noch ein wenig gedulden. Und wenn er wieder da ist, dann erreichen Sie ihn am besten bei seiner Großtante. Da kann er sich durchschmarotzen und nach Herzenslust besaufen. Seine beiden Lieblingsbeschäftigungen.« Sie zog mit einem Ruck die Autotüre zu. Pfeffer wollte sie schon fast wieder aufreißen, als Frau Frese-Mayer das Fenster einen Spalt herunterließ und »Emmy Frese, Palmstraße 7. Glockenbachviertel. Schönen Tag noch!« rief, während das Taxi losfuhr.

»Jetzt schließ endlich das verdammte Auto auf, ich habe schon Frostbeulen«, grummelte Paul Freudensprung.

»Hör zu, Paul«, sagte Pfeffer, als sie endlich im warmen Wagen saßen. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Freudensprung sah seinen Chef verwundert an. »Deine Laune geht uns allen auf den Sack. Entweder du sagst mir jetzt, was los ist, oder ich werde dich auf irgendeinen popeligen Fall ansetzen. Dann kannst du dich alleine am Schreibtisch austoben und vermiest uns anderen nicht das Leben.«

Freudensprung verschränkte auch die Arme, lehnte sich zurück und schwieg.

»Wie lange kennen wir uns jetzt?« Pfeffer bemühte sich um einen versöhnlichen Ton und zündete sich eine Zigarette an. »Wir sind schon zu lange befreundet, als dass wir uns noch was vormachen könnten, oder? Du hast mir damals sehr geholfen, als ich vor den Trümmern meiner Ehe stand. Du weißt alles über mich, ich weiß mit Sicherheit viel über dich, oder irre ich mich? Was ist los mit dir?« Freudensprung schwieg. »Du kannst mir zigmal erzählen, dass du nur schlecht geschlafen hast. Mann, ich sehe doch, dass es dir beschissen geht. Ist es wegen Irene? Habt ihr Krach?«

Freudensprung schwieg trotzig. »Sie hat mich rausgeschmissen«, brach es letztlich aus ihm heraus. Er kaute auf seiner Unterlippe. »Am Neujahrsmorgen. Einfach rausgeschmissen.« Er schluchzte kurz. »Entschuldige. Sie sagt, dass sie es mit mir nicht mehr aushält. Dass ich ein verlogener Hallodri sei, der jedem Rock hinterherrennt. Dass ich sie gleichzeitig einenge, ihr die Luft zum Atmen nehme. Aber ich bin mir sicher, dass sie in Wahrheit einen Neuen hat. Da muss ein anderer Kerl dahinterstecken.«

»Meine Güte!« Pfeffer legte seinem Kollegen die Hand auf die Schulter. »Sag ganz ehrlich: Hatte vielleicht dein Aufriss von neulich etwas damit zu tun?«

»Da war doch nix! Man wird doch noch flirten dürfen. Verdammt, die Kleine neulich hat mir doch gar nichts bedeutet! Irene bauscht immer alles so auf! Sie wirft mir immer vor, dass ich sie mit meiner Eifersucht einenge, dabei ist sie auf jedes weibliche Wesen eifersüchtig, das irgendwo am Horizont auftaucht.«

»Alles bedeutungslos, was du mit den Mädels machst. Und Irene hat dafür seltsamerweise kein Verständnis, hm? Und jetzt? Wo wohnst du?«

»Nirgends«, sagte Freudensprung und schniefte. Er nahm Pfeffer unvermittelt die Zigarette aus der Hand, inhalierte lange und tief und gab seinem Chef den Glimmstengel zurück. Freudensprung, der Nichtraucher aus Passion, hustete erbärmlich. »Ich hatte noch keine Zeit, mir eine neue Wohnung zu suchen. Ich wollte nicht, dass jemand erfährt, dass ich … na ja, dass ich auf der Straße stehe. Meine Freunde und so, die sind alle so etabliert und gesetzt. Nein, Scheißspießer sind sie und eigentlich sind es alles Irenes Freunde. Wenn die erfahren, dass ich rausgeschmissen wurde, würden die nur sagen: ›Selbst schuld‹. Ich hab eine ganz passable Pension gefunden, wo ich zumindest ein Bett habe. Ist billig und sauber.«

Pfeffer reichte Freudensprung eine Packung Tempos und fasste einen Entschluss. »Du kannst bei mir wohnen. Vorerst. Bis du was gefunden hast«, sagte er und startete den Wagen.

»Nein, nein, schon okay.« Freudensprung winkte ab und schneuzte sich.

»Stell dich nicht so an«, antwortete Pfeffer. »Wir fahren später bei der

Pension vorbei, holen deine Sachen und dann kriegst du die Schlafcouch in meinem Gästezimmer. Du wohnst bei mir.«

»Was sollen denn deine Jungs sagen?«

»Die sind Männer im Haus gewohnt.« Die beiden Polizeibeamten lachten. »Und jetzt schau mich nicht so dankbar an, sonst nenne ich dich auch Gaudihupf. Sag mir lieber, ob wir an der nächsten Ampel rechts oder links müssen. Wieso muss diese Aische Demir auch ausgerechnet in Ramersdorf wohnen? Da kennt sich doch keine Sau aus.«

Freudensprung holte das Filofax des Ermordeten aus seinem Rucksack und blätterte darin. »Glück gehabt, dass er so kurz nach dem Jahreswechsel noch den Vorjahreskalender drin hatte.« Freudensprung schlug die Seite mit Mitte Oktober auf, in der am Montag und am Donnerstag der Name Frese-Mayer eingetragen war, blätterte dann weiter zur zweiten Novemberwoche. Wieder Frese-Mayer, diesmal rot umringelt. Dazwischen kaum Einträge, überhaupt enthielt der ganze Kalender nur sehr wenig Einträge. Zwei Messetermine sowie ab und zu mal ein Name, hinter dem meistens Sotheby’s oder Christie’s oder der Name einer Universität stand, dreimal waren in den letzten Wochen des Jahres auch die Kürzel PU verzeichnet.

Westphal hatte sein Filofax kaum genutzt. Vor allem der Adressenteil war regelrecht jungfräulich. Kein Stift schien seine Seiten je berührt zu haben. Sicherlich hatte der Tote ein gesondertes Adressbüchlein, das der oder die Täter hatten mitgehen lassen. Keine Visitenkarten befanden sich in den Taschen, nur eine Zeitungsseite war kleingefaltet hinter dem Kalenderteil eingeschoben. Freudensprung faltete sie zum x-ten Mal auf. Eine Seite aus der Süddeutschen Zeitung vom 24. August, Wirtschaftsteil auf der einen, ganzseitige Werbung vom Media Markt auf der anderen Seite. Freudensprung seufzte, er spürte ein Kratzen im Hals. Jetzt würde er bestimmt auch noch krank werden. Selbstmitleid stieg in ihm auf. Er fühlte sich elend. Sicherheitshalber warf er ein Hustenbonbon ein, als sie auf den gesichtslosen Wohnblock im Stadtteil Ramersdorf zugingen, in dem Aische Demir wohnte, die ehemalige Zugehfrau des Toten.

»Meine Tante hat mir schon alles erzählt«, begrüßte Aische die Polizisten an der Wohnungstür. Sie war eine hübsche junge Frau mit dunklen ernsten Augen und frecher Kurzhaarfrisur. Sie entsprach überhaupt nicht dem, was Pfeffer erwartet hatte. Statt Kopftuch und Kittel wie ihre Tante trug sie modische schwarze Hosen und ein enges grasgrünes Oberteil aus flauschigem Kunststoff. In ihrem Einzimmerappartement sah es aus wie in der Wohnung einer Studentin. Ein wenig Design, ein wenig Ramsch, aber weit und breit kein orientalischer Kitsch. Dann hörte Pfeffer leise türkische Musik. Also doch.

»Entschuldigen Sie«, sagte Aische. »Aber meine Nachbarn haben immer so laute Musik. Es ist ziemlich hellhörig hier. Wie kann ich Ihnen helfen? Ich muss gleich zur Uni.«

Statt »Was studieren Sie?« zu fragen, rief Freudensprung erstaunt: »Sie studieren?!«

»Natürlich«, entgegnete die junge Frau gelassen. »Hat Ihnen das meine Tante nicht erzählt? Kommunikationswissenschaft im fünften Semester, wenn Sie es genau wissen wollen.«

»Und da finden Sie keinen besseren Job als putzen?«, fragte Pfeffer ungläubig.

»Putzen? Das habe ich nur nebenbei gemacht. Und auch nur für Doktor Westphal. Leicht verdientes Geld. Da musste man nur jeden Tag rauswischen und ab und zu die Regale entstauben. Für die Schaufenster kam immer ein anderes Putzteam.«

»Hört sich nicht nach einem tollen Job an.«

»Ich habe ja auch hauptsächlich im Laden gearbeitet. Zwei halbe Tage pro Woche als Mädchen für alles. Verkaufen, Ware katalogisieren und so weiter. War ganz interessant. Er hatte schöne Ware.«

»Interessieren Sie sich für Afrikanika?«

»Anfangs nicht besonders.« Aische lachte kurz. »Ich habe den Job durch eine Freundin bekommen. Mittlerweile kenne ich mich auch ganz gut damit aus.« Sie nahm einen kleinen Nagelfetisch vom Bücherregal. »Den hat er mir mal geschenkt. Völliger Ramsch. Aber ein Verkaufsschlager.«

»Hatte Doktor Westphal auch sehr wertvolle Ware? Ware, die eventuell einen Raubmord rechtfertigen würde?«

Die junge Türkin zog die Stirn kraus. »Natürlich, was denken Sie denn. Er hat antike Kunst der Benin und Nok sowie einige Kostbarkeiten der Ife. Exquisite Arbeiten, echte Museumsstücke, für die Sammler ein Vermögen hinlegen würden. Aber mit Afrikanika ist es mittlerweile wie mit europäischer Kunst. Gestohlene Arbeiten lassen sich nur sehr schwer auf dem Markt veräußern, wenn sie bekannt sind. Da gab es doch vor kurzem diesen Vorfall mit den gestohlenen Nok-Figuren in Frankreich …«

»Sie meinen die Geschichte mit Jacques Chirac und dem Ankauf für den Louvre?«, unterbrach Pfeffer und nötigte Aische damit ein bewunderndes Lächeln ab.

»Eine Blamage für den französischen Präsidenten. Ich sehe, Sie kennen sich auch aus«, sagte die Frau.

Pfeffer tat verlegen, dann holte er aus seiner Tragetasche die Holzfigur, die in Westphals Blutlache gestanden hatte. »Kennen Sie diese Figur, Frau Demir? Können Sie mir darüber etwas sagen?«

Aische Demir zuckte mit den Schultern. »Nein, keine Ahnung. Nie gesehen. Könnte vom Stil her Bamun oder Ndjamele sein. Aber da hätte Ihnen Doktor Westphal sicher genauere Auskunft geben können. Wenn es antikes Ndjamele ist, ist sie einiges wert.« Die Frau nahm die Figur in die Hände, drehte und wendete sie. »Ich kann mich, wie gesagt, täuschen, aber ich glaube, dass dieses Teil ziemlicher Ramsch ist. Kein halbes Jahr alt. Künstlich patiniert. Also ein paar Monate irgendwo vergraben und schon siehts echt antik aus. Wert gleich Null. Obwohl – na ja, ach, keine Ahnung!« Sie roch an der Figur, drehte sie herum und strich mit dem Daumen zart über die äußeren Unterkanten der Füße. »Hmm, vielleicht doch echt. Sehen Sie, Fälschungen erkennt man meist daran, dass die Unterseite noch recht scharfkantig ist. Bei echt alten Figuren sind die Unterkanten durch Witterung, Beopferung oder einfach durch Gebrauch immer weich abgeschliffen. Diese hier sind weich abgeschliffen. Wenn es eine Fälschung ist, dann hat der Fälscher selbst auf solche Kleinigkeiten geachtet. Ein Top-Profi.«

»Und welches Interesse sollte jemand haben, so eine Figur zu fälschen?« Pfeffer nahm die Statuette wieder an sich. »Ist die besonders selten?«

»In diesem konkreten Fall bin ich überfragt.« Aische lächelte entschuldigend. »Sie sollten sich an einen Fachmann wenden. Bei den Afrikanika ist es wie bei Autoersatzteilen, Designerklamotten oder Uhren – es wird gefälscht, was gutes Geld bringt.«

»Ihre Tante sagte uns, dass Doktor Westphal Ihnen nachgestellt haben soll«, sagte Freudensprung. Aische zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Stimmt das nicht? Es soll der Grund gewesen sein, warum Sie Ihren Job im Laden aufgegeben haben.«

»Ich arbeite nicht mehr in der Galerie, weil ich jetzt in einer PR-Agentur jobben kann«, antwortete Aische.

»Sie haben die Frage nicht beantwortet«, hakte Pfeffer nach. »Ist Doktor Westphal Ihnen zu nahe getreten?«

Aische sah aus dem Fenster und sagte nach einigen Sekunden bestimmt: »Nein! Ist er nicht.«

»Was wissen Sie über sein Privatleben? Hatte er eine oder mehrere Freundinnen? Können Sie uns seine Geschäftspartner nennen? Sagt Ihnen die Abkürzung PU etwas? Kurz, mit wem hatte er Kontakt und wer hätte ein Motiv für so eine grausame Tat?«, fragte Pfeffer.

»Wissen Sie was?« Aische zog sich eine dicke Daunenjacke an. »Ich muss jetzt wirklich zur Uni, wenn ich die Klausur nächste Woche verbocke, kann ich das Semester vergessen. Falls ich heute Nachmittag etwas Zeit habe, werde ich Ihnen eine Liste von allen Personen machen, mit denen Westphal zu tun hatte. Zumindest von den Personen, die ich kenne. Ist das ein Vorschlag?«

»Na, Chef! Alles klar, Gaudihupf?!«, begrüßte Annabella Scholz ihre Kollegen im Büro und schwenkte ihre modische Brille mit der linken Hand. »Wohl doch kein so leichter Fall. Das hier ist die Kiste mit allem, was wir an Unterlagen auf, neben und unter seinem Schreibtisch gefunden haben. Ziemlicher Chaot.«

Pfeffer wühlte kurz in dem Umzugskarton. Rechnungen, Schriftverkehr, zwei englische Lexika über afrikanische Kunst, ein paar ältere Bücher. Er nahm die Bücher heraus und legte sie sich auf den Schreibtisch.

»Was hast du rausgefunden, Bella?«

»Ich habe mit Westphals Mutter gesprochen und mit seiner letzten festen Freundin. Zumindest mit der letzten Freundin, von der seine Mutter wusste«, antwortete Annabella Scholz. »Nicht sehr ergiebig. Die Ex ist schon seit einem halben Jahr verheiratet und hat nur gesagt, dass unser Opfer tatsächlich ein ziemlicher Schürzenjäger gewesen sein muss. Die Mutter weiß von seinen Geschäften gar nichts.«

»Hast du sie gefragt, ob sie mit PU etwas anfangen können?«, fragte Pfeffer.

»Nein. Kann ich aber noch nachholen«, antwortete Annabella. »Und zu einer gewissen Figur konnte ich nichts recherchieren, da gewisse Kollegen besagte Figur einfach mitgenommen haben.« Sie sah Pfeffer frech an.

»Und die Gerichtsmedizin? Wie weit sind die?«

»Deine Freundin Gerda Pettenkofer hat mich rausgeschmissen. Sie sagt, dass ihre Abteilung momentan von einer Grippewelle heimgesucht wird. Sie war sogar so reizend, mich mit ihrem Nikotinatem demonstrativ anzuhusten. Du möchtest dich bitte noch etwas gedulden, denn die verbrannte Leiche aus der Isar ginge vor.«

»Gerda bekommt nie wieder eine Zigarette von mir.«

Das geschenkte Mädchen

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