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5. Die Naqada-Kultur
ОглавлениеEntstehung von Stadtkulturen
Der Wechsel von der Badari- zur Naqada-Kultur um ca. 4000–3900 ist durch keinen erkennbaren Bruch gekennzeichnet, sondern von einem fließenden Übergang, schon allein wegen der geografischen Trennung der beiden Kulturen. Die Naqada-Kultur besteht aus drei Phasen (Naqada I–III, die durch eine Feineinteilung noch weiter differenziert werden), die ebenfalls durch ihre funeräre Kultur zu fassen ist. In ihrer dritten Phase ist die Naqada-Kultur bereits landesweit sowie in Nubien verbreitet und reicht bis in das Alte Reich hinein. Die erste Phase – Naqada I oder Amratien (benannt nach den Orten Naqada und El-Amra, ca. 4000–3600) setzt die expansive Wirkung der Badari-Kultur fort (oder war gar ein Teil von ihr) und ist über weite Teile Oberägyptens nachweisbar. Das Fehlen zeitgleicher permanenter Siedlungen in Mittel- und Unterägypten ist wie in Hierakonpolis möglicherweise auf schlechte Erhaltungsbedingungen zurückzuführen. Erkennungsmerkmal der frühen Naqada-Kultur ist die Entwicklung einer Steingefäßindustrie sowie die umfangreiche, erst jetzt aufkommende Dekoration mit weißen Linien auf keramischen Gefäßen. Häufige Motive sind geometrische Muster, später aber auch Flora und Fauna, mit denen möglicherweise der Grundstein gelegt wird für die dekorative Kunst nachfolgender, auch pharaonischer Epochen: Neben Wasserbewohnern wie Fischen und Nilpferden werden auch Rinder und Flamingos etc. abgebildet, vereinzelt auch schematisiert dargestellte Menschen als Jäger oder Krieger. In dieser Zeit werden nicht nur Esel domestiziert, die als Packtiere Dienste auf interregionalen Handelswegen leisten. Auch sonnengetrocknete Lehmziegel finden erstmals als Baumaterial Verwendung und zeugen von einer beginnenden, aber auf Dauer angelegten Stadtkultur.
Hierarchie der Gesellschaft
Als Folge hieraus lässt sich an den Grabbeigaben der Naqada-I-Zeit eine zunehmende Industrialisierung und Wohlstand ablesen, auch wenn von ausgegrabenen 15.000 Gräbern, die sich über einen Zeitraum von ca. 800 Jahren erstrecken, nur ein Fünftel publiziert ist. Gleichermaßen tritt aber auch ein deutlich stratifiziertes soziales System in den Vordergrund, das auf Herrschaftsansprüche einzelner Familien hindeutet und zunehmend außergewöhnlich reiche Gräber erkennen lässt, in denen vermehrt auch menschliche Figuren eine Rolle spielen. Die Beigabe von Keulen, von denen sich insbesondere die steinernen, kunstvoll gearbeiteten Keulenköpfe erhalten haben, unterstreichen wiederum das Selbstverständnis waffenführender Schichten; eine unmittelbar auf die Bewältigung des Jenseits abzielende Dekoration von Gefäßen oder Grabbeigaben lässt sich hingegen nur schwer belegen. Grabbeigaben, abgesehen von Lebensmittelbehältnissen, die eigens für ihre Benutzung im Jenseits hergestellt wurden, sind sehr vom Alltagsleben bestimmt und noch weitgehend frei von einer um Absatz bemühten, unabhängig operierenden funerären Industrie.