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5. Waffen-SS und KZ-Wachmannschaften

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Im Rahmen der Untersuchung des Personals der SS-Brigaden und des Kommandostabes soll auch der Aspekt des Personalaustauschs zwischen den Wachmannschaften der Konzentrationslager und den militärischen Verbänden der Waffen-SS Beachtung finden. Der ehemalige SS-General Paul Hausser behauptete schon vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg und 1953 in seinem ersten Exkulpationswerk, dem Buch „Waffen-SS im Einsatz“, Himmler habe während des Krieges „ohne unser Wissen“ das Wachpersonal der Konzentrationslager in die Waffen-SS eingegliedert und damit künstlich die faktisch gar nicht bestehende Verkettung zwischen Fronttruppen und dem kriminellen Wachpersonal herbeigeführt.56

Damit war Hausser einer der Mitbegründer des Mythos, die Waffen-SS habe nichts mit den Wachmannschaften der Konzentrationslager zu tun gehabt. Wie der frühere SS-Oberstgruppenführer selbst genau wußte, sah die Wirklichkeit anders aus. Nachdem das Gros des Offizierskorps und der Mannschaften der SS-Division „Totenkopf“ im Oktober 1939 aus den Wachmannschaften der Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen aufgestellt worden war, übernahm Richard Glücks von seinem bisherigen Chef Eicke die Inspektion der Konzentrationslager.57 Die bislang formell zum SS-Hauptamt gehörende Inspektion wurde im August 1940 in den Organisationsapparat des neugegründeten SS-Führungshauptamtes eingegliedert. Seitdem gehörten das gesamte Wach- und Verwaltungspersonal der Lager zur Waffen-SS. Mit dem ständig zunehmenden Zwangsarbeitseinsatz von KZ-Häftlingen für die deutsche Kriegsindustrie überführte Himmler die Inspektion der Konzentrationslager im März 1942 als Amtsgruppe D in das Wirtschaftsverwaltungshauptamt, von wo aus die gigantische Schreckenswelt der Lager bis Kriegsende geführt wurde. Für die Bewaffnung und die militärische Ausbildung blieben jedoch nach wie vor das SS-Führungshauptamt und damit die Waffen-SS zuständig.58

Das Wachpersonal rekrutierte sich weiterhin aus deren Angehörigen, Ersatz kam vor allem ab 1944 zunehmend durch überstellte Wehrmachtsangehörige. Zwischen den militärischen Verbänden der Waffen-SS und den SS-Wachmannschaften der Lager fand ein ständiger Austausch statt. Kriegsverwendungsfähige Angehörige des Lagerpersonals wurden zu den Truppen versetzt; dafür wurden kriegsverletzte SS-Männer zur weiteren Verwendung in die Konzentrationslager abkommandiert.59 Das beständige Personalrevirement fand sogar im Fall der Vernichtungslager in Polen statt. Als das bei der Ermordung der westpolnischen Juden im Vernichtungslager Kulmhof eingesetzte Personal im April 1943 seinen Mordauftrag ausgeführt hatte, wurden die Männer geschlossen zur SS-Division „Prinz Eugen“ nach Jugoslawien versetzt. Von dort kehrten die Männer ein Jahr später nach Kulmhof zurück, als die dortige Vernichtungsstätte für die Ermordung der letzten Juden aus Litzmannstadt im Juni und Juli 1944 reaktiviert wurde.60

Auch bei den Brigaden des Kommandostabes gab es immer wieder personelle Überschneidungen mit dem Personal der Konzentrationslager. Die in Oranienburg vis-à-vis zum Lager Sachsenhausen stationierte 5. Totenkopfstandarte, stellte während ihrer Ausbildungszeit laufend eine Kompanie zur Bewachung des Lagers ab. Die dort eingesetzte Wachkompanie wurde im ständigen Wechsel von allen drei Bataillonen gestellt, so daß tatsächlich annähernd jeder Einheitsangehörige Dienst im Lager geleistet haben dürfte.61 An anderen in der Nähe von Konzentrationslagern liegenden Stationierungsorten von SS-Truppen wurden die Männer mitunter als Disziplinarstrafe zur Bewachung von Häftlingen eingesetzt. Adams S., ein Angehöriger der in Weimar stationierten 3. Flakabteilung, berichtete, als Bestrafung für Verspätungen während seiner Ausbildungszeit sei er wiederholt zum Dienst in der Wachmannschaft von Buchenwald eingeteilt worden.62

Neben derartigen Belegen für die institutionelle Nähe zwischen Waffen-SS und Konzentrationslagerwesen gab es während des Krieges immer wieder personelle Überschneidungen. Auf Befehl des SS-Führungshauptamtes wurden Anfang August 1941 zehn Wachmänner aus Sachsenhausen zur Kavalleriebrigade in Marsch gesetzt, wo sie zukünftig als Lkw-Fahrer Verwendung finden sollten.63 Im Zuge der Aufstellung des Kommandostabes wurde wie beschrieben Führungspersonal aus den Konzentrationslagern dorthin versetzt.64 Siegfried Kotthaus, Schwadronschef in der SS-Kavalleriebrigade war ab Juni 1936 für einige Monate im Rang eines Hauptscharführers Angehöriger der Wachmannschaft des Konzentrationslagers Esterwegen.65 Aus Mauthausen wurde im November 1939 der Oberscharführer S. zur Reitenden Batterie der SS-Kavallerie kommandiert.66 Ebenfalls von dort wurde nach zweijährigem Dienst in der Wachmannschaft der SS-Mann Anton R. Anfang 1943 zur 1. SS-Brigade versetzt.67 Zu deren 8. Regiment kam im September 1941 als neuer Verwaltungsführer Hans Schottes, der in den Jahren 1934 bis 1936 Kassenleiter des Konzentrationslagers Esterwegen gewesen war.68 Im Juni 1942 wurden zur damals in Aufstellung befindlichen SS-Kavalleriedivision zwei Unterscharführer aus dem Konzentrationslager Stutthof in Marsch gesetzt.69

Den entgegengesetzten Weg nahm unter anderem der SS-Reiter Karl K. Er schied krankheitsbedingt 1941 aus der Kavalleriebrigade aus und trat anschließend seinen Dienst in Dachau an. Im weiteren Kriegsverlauf wurde K. nach Auschwitz kommandiert, wo er bei der Bewachung von Zwangsarbeiterkommandos eingesetzt war.70 Ähnlich erging es dem Rottenführer Herbert A., der im Winter 1941 nach einer Verwundung garnisonsverwendungsfähig geschrieben worden war und darauf von der 1. SS-Brigade als Wachmann nach Neuengamme versetzt wurde. Dort war A. bis Februar 1945 tätig, bevor er in der Kriegsendphase noch eine Kommandierung nach Flossenbürg erhielt und in einem dortigen Nebenlager weitere zwei Monate Dienst tat.71 Weder für den Kommandostab noch für die SS-Brigaden sind Dokumente überliefert, die über die geschilderten Einzelbeispiele hinaus einen Einblick in die Gesamtdimension des Personalaustauschs zwischen Konzentrationslager-SS und den SS-Truppen erlauben. Insgesamt taten ungefähr 60 000 Angehörige der Waffen-SS in den nationalsozialistischen Lagern Dienst. Schätzungsweise ein Drittel dieser Männer wird zwischenzeitlich zumindest vorübergehend auch in den militärischen SS-Verbänden eingesetzt gewesen sein.72

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