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2. Militärische Laufbahn und ideologische Grundhaltung

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Für eine Teilnahme am Ersten Weltkrieg war gut die Hälfte des untersuchten Führungspersonals noch zu jung. Bis auf Gustav Lombard, den Schwadronschef und späteren Kommandeur des 1. SS-Kavallerieregiments, und Wilhelm Jeppe, einen Verwaltungsführer beim Kommandostab, waren aber sämtliche 46 Angehörige der Kriegsgeneration auch Weltkriegsteilnehmer.8 Aus diesem Personenkreis bekleidete die Hälfte zu Kriegsende Mannschafts- oder Unteroffiziersdienstgrade, während die übrigen 23 Offiziersränge innehatten. Mit 13 Soldaten oder Offizieren wurden nur 24 Prozent der Kriegsteilnehmer nach der Niederlage in die Reichswehr übernommen; weitere 20 Prozent der Soldaten fanden ein Unterkommen im Polizeidienst.9 Hinsichtlich der Dienstzeiten der untersuchten Gruppe könnte man durchaus annehmen, die SS-Führer hätten vor der Kommandierung zu den Brigaden oder dem Kommandostab bereits eine längere Tätigkeit bei den Totenkopfstandarten oder der Verfügungstruppe abgeleistet. Tatsächlich befand sich jedoch nur ein gutes Drittel des Personals bereits vor September 1939 in den Reihen der bewaffneten SS. Von den 38 Personen waren 15 bei der SS-Verfügungstruppe und 11 bei der Leibstandarte tätig, acht dienten in den drei Standarten der späteren SS-Division „Totenkopf“ und vier Führer arbeiteten als Lehrer an den Junkerschulen Braunschweig oder Bad Tölz.

Von den 62 Prozent, die erst nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ihren Dienst antraten, kamen 16 Prozent noch zwischen September und Dezember 1939 zu den Totenkopfstandarten oder zur Verfügungstruppe. 31 Prozent der Offiziere hatten im Jahr 1940 ihren Dienstantritt und 16 Prozent folgten innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres 1941. Von diesen 16 SS-Führern, die erst 1941 während der unmittelbaren Vorbereitungen auf den Krieg gegen die Sowjetunion ihren Dienst bei der Waffen-SS begannen, wurden allein 14 Offiziere zwischen April und Juni von anderen Dienststellen des SS-Apparats zum Kommandostab Reichsführer-SS versetzt.

Auffälligerweise unterscheidet sich der Zeitpunkt des Eintritts in die bewaffnete SS bei den Führerdienstgraden der verschiedenen Brigaden deutlich. Bei Offizieren der 1. und 2. Brigade hielt sich die Zahl derjenigen, die vor und der, die nach September 1939 in die Truppe eintraten, in etwa die Waage. Ganz anders stellt sich das Verhältnis bei der Kavalleriebrigade dar. Von den Offizieren, die später im SS-Reiterverband Dienst taten, gehörten nur 25 Prozent bereits vor September 1939 der Verfügungstruppe oder einer der drei Totenkopfstandarten an, während drei Viertel erst nach Ausbruch des Krieges ihren Dienst aufnahmen. Hierin zeigt sich, daß man sich zum Aufbau der Totenkopfstandarten und späteren Infanteriebrigaden sowohl der Führerdienstgrade bereits existierender Truppenverbände bediente als auch SS-Führer verstärkt an den Junkerschulen heranbildete oder direkt aus der Allgemeinen SS rekrutierte. Für die sehr kurzfristig geplante Aufstellung der SS-Kavallerie existierte hingegen kaum geeignetes Führungspersonal in den Reihen der bestehenden Verbände. Daher mußten Offiziere mit Reiterfahrung in der Folgezeit in weit größerem Umfang aus der Allgemeinen SS geworben werden.

Die innerhalb der untersuchten Personengruppe vorhandene Bandbreite an Altersgruppen und Stellenbesetzungen schlägt sich auch in der Diversität der militärischen Ränge nieder. Bei dem Führungspersonal waren drei Gruppenführer, drei Brigadeführer, zwei Oberführer, 13 Standartenführer, 18 Obersturmbannführer, 25 Sturmbannführer, 25 Haupt- sowie sieben Ober- und fünf Untersturmführer vertreten.10 Die überwiegende Mehrzahl lebte in geregelten familiären Verhältnissen, die in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft eine entsprechend große Rolle spielten. Himmler legte auch bei seinen „Politischen Soldaten“ großen Wert auf vom Rasse- und Siedlungshauptamt genehmigte, „rassisch“ einwandfreie Eheschließungen und baldigen Nachwuchs. Dementsprechend waren 91 Prozent des Führungspersonals verheiratet, 74 Prozent der Männer waren Familienväter.11

Die frühesten Belege für die politische Ausrichtung lassen sich über eine Überprüfung der Mitgliedschaft älterer SS-Führer in den Freikorps erzielen. Die 50 Personen der Geburtsjahre von 1903 bis 1915 kamen dafür aufgrund ihres Alters jedoch nicht in Frage. Somit verblieben 51 Personen älterer Jahrgänge, die theoretisch in solchen Einheiten aktiv gewesen sein konnten. Tatsächlich waren 32 Männer in den unterschiedlichsten Freikorps organisiert; das entspricht einem Anteil von 63 Prozent. Darüber hinaus waren 94 Prozent des untersuchten Führungspersonals Mitglieder der NSDAP. In einem Fall war die Mitgliedschaft nicht eindeutig zu ermitteln, und nur bei sechs Personen existierten in den Personalakten keine Hinweise auf eine NSDAP-Mitgliedschaft. Immerhin 62 Prozent des Führungspersonals bestand aus „Alten Kämpfern“, deren Parteibeitritt vor der Machtübertragung an Hitler am 30. Januar 1933 erfolgt war.12 Den absoluten Rekord konnte in dieser Beziehung Karl-Maria Demelhuber, der erste Kommandeur der 1. SS-Brigade und frühere Befehlshaber der Waffen-SS im Generalgouvernement, für sich verbuchen. Demelhuber war der NSDAP bereits im Februar 1922 beigetreten.13 Weitere 11 Männer realisierten ihren Beitritt ebenfalls noch in den zwanziger Jahren; das Gros der „Alten Kämpfer“, insgesamt 38 Prozent der Offiziere, trat in den Jahren 1931 und 1932 in die Partei ein. Dem folgte ein größerer Anteil von 20 Prozent, die als „Märzgefallene“ in den ersten vier Monaten nach dem nationalsozialistischen Machtantritt zu NSDAP-Mitgliedern wurden. Bis Mai 1937, dem spätesten Beitrittszeitpunkt, hatte nur noch ein kleinerer Anteil von 12 Prozent seinen NSDAP-Ausweis beantragt.14

Ausnahmslos das gesamte Führungskorps wies Mitgliedschaften in der Allgemeinen SS auf. Ein Blick auf den jeweiligen Beitrittszeitpunkt zeigt, daß die überwiegende Mehrheit von 85 Prozent der Offiziere SS-Mitgliedschaften bereits vor ihrer Verwendung bei der Waffen-SS besaßen. Das veranschaulicht ähnlich wie bei den untersuchten Mannschaftsdienstgraden die Virulenz des Nationalsozialismus, der für die Offiziere bereits vor ihrem Dienst in der Waffen-SS eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Mit 46 Prozent konnte fast die Hälfte der untersuchten Personengruppe für sich in Anspruch nehmen, als treue Anhänger der ‚Bewegung‘ schon bis zum Januar 1933 der SS beigetreten zu sein.15 In der Folgezeit erhielten 21 Prozent noch im Verlauf des Jahres 1933 den SS-Ausweis. Weitere 28 Prozent kamen zwischen 1934 und August 1939 zur Allgemeinen SS und nur 5 Prozent der Untersuchungsgruppe erwarben erst nach Kriegsausbruch die SS-Mitgliedschaft.16

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