Читать книгу Der mit dem Wolf heult - Martin Danders - Страница 7
4. Kapitel
ОглавлениеMittlerweile ist eine Woche vergangen, in der ich vieles über mein neues Zuhause und meinen neuen Kiez gelernt habe. Außerdem habe ich meine Bezugspersonen besser kennengelernt, die sich weiterhin mit mir große Mühe geben. Leider bin ich immer noch nicht stubenrein, sodass einer von den Beiden alle zwei Stunden mit mir vor die Tür gehen muss. Franzi ist wegen meiner Inkontinenz etwas genervt, weil es für sie furchtbar ist, permanent meine Flecken entfernen zu müssen, denn sie hat einen Sauberkeitstick. In der ganzen Dachwohnung ist keine einzige Staubfluse zu finden. Auch Bad und Küche blitzen wie neu, weil Franzi ständig am Putzen ist. Eigentlich passt ein Hund nicht in solch ein sauberes Ambiente, da er immer etwas Dreck von draußen mit hereinbringt. Rudi hat zum Glück keinen Putzfimmel. Meines Erachtens würde er sich auch in einer weniger sauberen Wohnung wohlfühlen. Wahrscheinlich putzt er erst das Klosett, wenn es anfängt zu stinken. Mir gefällt seine Einstellung zur Reinlichkeit wesentlich besser, als Franzis.
Für Franzi bin ich eindeutig ein Ersatzbaby, das sie beschützt wie ihr eigenes Kind. Gleichzeitig ist sie häufig furchtbar streng mit mir und bestraft mich prompt, wenn ich irgendetwas falsch gemacht habe, indem sie mich am Halsnacken greift und kräftig durchschüttelt. Gleichzeitig sagt sie dann immer: „Nein, nein, nein!“ Manchmal will sie mich auch bestrafen, indem sie mich ignoriert. Aber dieses Verhalten ist mir völlig egal, weil ich dann zu Rudi laufe, der sich immer freut, wenn ich zu ihm komme. In der Regel ist er nicht streng mit mir, stattdessen ist er der ideale Partner, um zu toben.
Manchmal haben meine Bezugspersonen auch Streit miteinander, der meistens äußerst heftig abläuft. Franzi benimmt sich dann wie eine verrückte Kampfhenne, die sich in Rage auf Rudi stürzt, um mit ihm zu kämpfen. Franzis heftige Ausbrüche verstehe ich nicht, weil Hunde innerhalb eines Rudels so etwas niemals machen würden. Dort gibt es ausschließlich Rangordnungsauseinandersetzungen, aber keine ernst gemeinten Angriffe. Bei solchen Tätlichkeiten gewinnt meistens Rudi, weil er körperlich der Stärkere ist. Der Kampf endet meistens, dass Rudi auf Franzis Brust sitzt, während sie auf dem Rücken liegt und hyperventiliert. Nach einigen Minuten erhebt sich danach Rudi vorsichtig, um den Streit zu beenden. Allerdings greift sie ihn häufig danach wie eine verrückte Henne erneut an. Diese Anwandlungen von Franzi verstehe ich überhaupt nicht. Die Auslöser sind meistens harmlose Diskussionen, die in Sticheleien übergehen und im Gebrüll mit tätlichen Auseinandersetzungen enden. Wenn sie sich dann wieder unter Kontrolle hat, schmollt sie viele Tage mit ihm, indem sie kein Wort mehr spricht. Die Menschen sind schon ziemlich seltsam. Für einen Hund sind diese komischen Verhaltensweisen kaum zu verstehen. Wenn Franzi und Rudi solche heftigen Konflikte haben, verziehe ich mich in die letzte Ecke der Wohnung, weil ich nicht auch noch mit Franzi kämpfen will. Nach meiner Auffassung leidet Rudi unter diesen Konflikten enorm. Leider ist er nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Armer Rudi, da hast du wirklich ein schwieriges Weib an deiner Seite. Vielleicht wäre es für Rudi besser, wenn er sich ein neues Weibchen suchen würde.
Nach dem gemeinsamen Frühstück laufen wir die Treppen hinunter. Natürlich haben sie mir mein Halsband angelegt, damit mich Franzi führen kann. Als wir auf dem Bürgersteig angekommen sind, laufen wir zielstrebig zum Auto, das nicht weit entfernt geparkt ist. Endlich kann ich pinkeln, was auch schon dringend notwendig war, denn beinah hätte ich ins Treppenhaus gepinkelt. Rudi schließt den VW-Bus auf und öffnet die Schiebetür, damit Franzi und ich einsteigen können.
„Schön, dass wir mal wieder nach Wusterwitz ins Grüne fahren“, meint Franzi erfreut. Rudi antwortet: „Ja, es ist furchtbar, wenn man immer nur in der Stadt ist.“ „Außerdem kann sich Tisza dort prima im Garten austoben“, meint sie. „Ich muss mich heute unbedingt um den Garten kümmern, der ist mittlerweile bestimmt schon völlig zugewachsen“, kündigt er an. „Leider kümmern sich unsere Mieter, Peter und Anna, nur um den vorderen Teil des Bauerhofes, sodass wir den hinteren, nichtvermieteten Garten selbst in Schuss halten müssen“, stellt sie fest. „Ich habe eine Sense dabei, damit wird alles schnell wieder in Ordnung sein“, sagt er. „Wollen wir heute im Bus übernachten?“ fragt sie. „Na, logisch“, antwortet er.
Leider darf ich den riesigen Bus nicht erkunden, weil mich Franzi als Beifahrerin während der Fahrt auf ihren Schoss gesetzt hat und mich erbarmungslos festhält. Somit habe ich keine Chance ihr zu entweichen. Gott sei Dank bin ich groß genug, um wenigstens aus dem rechten Seitenfenster schauen zu können, denn ich bin sehr daran interessiert mein neues Umland kennenzulernen.
Zunächst fahren wir durch die nicht enden wollende riesige Stadt mit den unzähligen, großen Häusern und den vielen Straßenbäumen. Am Stadtrand werden die Häuser etwas kleiner. Waldgebiete tauchen vermehrt auf. Als wir uns auf der Autobahn befinden, rast die Landschaft an mir vorbei, weil Rudi sehr schnell fährt. Jetzt kann ich kaum noch Einzelheiten erkennen und mir wird ein wenig schwindelig. Aus diesem Grund lege ich mich auf Franzis Schoss und rolle mich zusammen. Ein kleines Schläfchen zur Entspannung ist jetzt nicht schlecht.
Unser Bus ächzt in den Achsen wegen der schlechten Straße, sodass ich wach werde. Wir befinden uns nicht mehr auf der Autobahn, sondern passieren auf einer kleinen Landstraße mehrere Dörfer, die zwischendurch von riesigen Feldern und Kieferwäldern unterbrochen werden. Manchmal sehe ich Kühe auf der Weide stehen, die gemütlich ihr Gras fressen. Auf einem Kirchturm sitzen zwei Störche, die sich um ihren Nachwuchs kümmern. Hier sieht es etwas so aus wie in Ungarn, deswegen bekomme ich ein wenig Heimweh nach meinem ungarischen Bauernhof mit meiner Mutter und meinen chaotischen Geschwistern. Aber leider bin ich nicht mehr in Ungarn sondern in der Mark Brandenburg. Letztendlich bin ich mit meinem neuen Rudel ganz zufrieden, denn es geht mir sehr gut bei Franzi und Rudi. Vielleicht geht es mir sogar besser, als meinen Geschwistern. Was aus ihnen wohl geworden ist? Hunde werden in Ungarn häufig nicht so menschlich behandelt wie in Deutschland, somit ist es nicht unwahrscheinlich, wenn ich die Einzige bin, die von unserem Wurf überleben wird.
Nachdem wir durch einen großen Wald gefahren sind, erreichen wir ein größeres Dorf mit dem Namen Wusterwitz, das an einem großen See liegt. Auf dem Gewässer befinden sich einige Motor- und Segelboote, die langsam ihre Bahnen ziehen. Da heute die Temperaturen sehr angenehm warm sind, sind einige Badegäste am Strand zu sehen. Ein paar Mutige wagen es sogar in die Fluten zu steigen. Wenn mein Menschen-Rudel jetzt ins Wasser gehen würde, würde ich ihnen sicherlich aus Neugierde folgen. Aber Rudi denkt nicht daran anzuhalten, sondern lenkt den Bus quer durchs Dorf bis auf einen Sandweg mit großen Schlaglöchern, sodass wir erneut kräftig durchgeschüttelt werden. Am Ende des Weges hält er vor einer Grundstückseinfahrt, weil uns ein verrostetes Tor an der Weiterfahrt hindert. Rudi steigt aus und schließt ein Vorhängeschloss auf, das eine Stahlkette zusammenhält. Anschließend öffnet er das Tor, kommt zurück zum Bus und fährt ihn aufs Grundstück. Im dichten Gras parkt er, steigt aus und läuft zurück zum Tor, um es sorgfältig zu verschließen.
Franzi setzt mich ohne Leine ins Gras. Als erste Handlung pinkele ich erleichtert auf dem Grundstück. Anschließend erkunde ich gründlich hoch interessiert mit meiner Nase das Terrain. Leider ist hier die Vegetation so üppig, deswegen kann ich mich mit meinen kurzen Beinen kaum vorwärts bewegen. Was für eine ungerechte Welt!
„Lass uns erstmal zu Peter und Anna gehen, um sie zu begrüßen“, schlägt Rudi vor. Franzi antwortet: „O.K., machen wir!“
Mein Menschenrudel läuft einen kleinen Weg entlang, der zum vorderen Grundstücksteil führt. Wegen des dichten Bewuchses habe ich ziemlich Schwierigkeiten ihnen zu folgen. Franzi erlöst mich von diesem Albtraum und nimmt mich wieder auf den Arm, während Rudi mein kleines Problem gar nicht mitbekommen hat. Wir betreten einen kleinen Innenhof mit einer halbverfallenen Scheune und einem alten Haus. Der alte, etwas heruntergekommene Bauernhof hat viele Ähnlichkeiten mit dem Gehöft in Ungarn, wo ich vor einigen Wochen das Licht der Welt erblickt habe.
Rudis und Franzis Mieter begrüßen uns im Innenhof. Peter ist ein kleiner Mann um die 50, der immer nur kichert und wie ein Waschweib schwätzt. Rudi hat vor dem Treffen erzählt, dass er früher mal Pferde-Jockey war und heute nur noch von Sozialleistungen lebt. Sein Spitzname ist Indien-Peter, weil er früher jahrelang in Indien gelebt hat. Seine Frau Anna ist ungefähr so alt wie Peter und häufig von ihm genervt. Sie haben ein gemeinsames, zehnjähriges Kind, um das sie sich rührend kümmern. Anna war früher einmal heroinabhängig, aber sie hat dieses Kapitel glücklicherweise abgeschlossen. Franzi und Rudi setzen sich an einen großen, wackligen Tisch mit alten Holzstühlen. Franzi platziert mich erneut auf ihren Schoss, damit ich keinen Blödsinn veranstalte. Die vier erwachsenen Menschen unterhalten sich angeregt bei Kaffee und Kuchen, während das Kind im Garten spielt. Peter bietet Rudi einen Joint an, dessen getrocknetes Gras von den auf dem Grundstück selbst angepflanzten Marihuana-Pflanzen stammt. Rudi lehnt das Angebot nicht ab, auch Franzi zieht wenig später genüsslich am Joint.
„Haus und Scheune sind völlig marode“, sagt Peter. Rudi antwortet: „Ich weiß, dass alles am Arsch ist.“ „Eigentlich ist die Miete viel zu hoch“, meint er. „Willst du weniger bezahlen?“ fragt Rudi. „Wir können ja mal darüber diskutieren, weil ich mal wieder pleite bin“, erzählt er. „Du weißt, dass die 300 DM im Monat sowieso schon ein Freundschaftspreis sind“, sagt Rudi. „Ja, ja, aber ich bin trotzdem pleite“, meint er. „Ich kann dich hier nicht gratis wohnen lassen. Alleine schon nicht wegen der Nebenkosten, die monatlich anfallen. Für mich ist es wichtig eine vermietete Immobilie zu haben, um Steuern zu sparen“, sagt Rudi. „Ich kann dir die Rechnungs-Bons fürs Finanzamt auch weiterhin geben, aber bitte ohne die Mietzahlung“, schlägt er vor. „Ich kann auf die 300 DM nicht verzichten. Diese Summe ist gar nichts, ein Fliegenschiss bei diesem großen Grundstück“, entgegnet Rudi. „Du wirst keinen anderen Mieter finden, ohne vorher in das Haus investiert zu haben“, sagt er. „Ja, du hast Recht! Da ich nichts investieren werde, werde ich auch keinen anderen Mieter finden. Aber für dich gibt es diesen Spezialpreis“, erklärt Rudi. „Na, dann muss ich wohl die bittere Pille schlucken“, meint er resigniert. „Es wird einem im Leben eben nichts geschenkt“, kommentiert Rudi.
Die beiden Männer erheben sich vom Kaffeetisch und gehen in die Scheune. Franzi und Anna bleiben sitzen, um sich zu unterhalten. Kurzentschlossen springe ich Franzi vom Schoss und renne ihnen hinterher in die Scheune. Schnell finde ich Rudi und beiße ihm freundschaftlich in den linken Socken.
„Aua, nicht beißen“, sagt Rudi zu mir. Peter meint: „Die Scheune ist kurz vorm zusammenfallen!“ „Sie hat oben im vorderen Giebel ein großes Loch, aber ich glaube nicht, dass sie einstürzt, sonst wäre es bereits passiert“, sagt Rudi. „Du bist ja ein richtiger Optimist“, entgegnet er. „Nee, ich bin ein echter Realist“, stellt Rudi klar.
Die Beiden verlassen die Scheune, laufen über den Innenhof und betreten das Wohnhaus. Natürlich renne ich ihnen hinterher, weil ich den Ausflug äußerst spannend finde. Was ist das hier für eine elendige Hütte! Im Haus ist es äußerst kalt und staubig. Indien-Peter scheint ein ziemlich chaotischer Mensch zu sein. In einem Raum stehen große selbstgemalte Gemälde und Farbtöpfe, wahrscheinlich ist er ein Künstler. Beim Überprüfen der Töpfe tauche ich mit meiner Nase zu tief in einen gelben Farbtopf ein. Natürlich ist sie nun gelb, aber Rudi wischt sie schnell mit seinem Taschentuch sauber. Mein Missgeschick war sehr unangenehm für mich, weil ich an der Nase sehr empfindlich bin. Außerdem stinkt die Farbe so furchtbar, dass ich deswegen nießen muss. So macht man als Junghund seine Lebenserfahrungen! Die ungleichen Herren laufen durch alle Räume und unterhalten sich. Neugierig folge ich ihnen, denn hier ist viel zu entdecken. Peter hat vor unserem Besuch alle Fenster geöffnet, damit frische Luft hereinkommt. Zum Inventar gehören auch zwei Allesbrenneröfen, die nach alter Asche riechen. Im Winter wird es hier wegen der Kälte bestimmt kaum aushaltbar sein.
Nach dem Rundgang durch die untere Etage des Hauses steigen Rudi und Peter eine steile Holztreppe zum Dachboden hinauf. Ich schaffe es nicht ihnen zu folgen und lasse meine kläglichen Miep-Geräusche ab, damit Rudi mich mitnimmt. Tatsächlich dreht er nochmal um, kommt zu mir herunter, nimmt mich auf den Arm und steigt mit mir erneut die Treppe hinauf. Oben angekommen lässt er mich frei laufen, was keine gute Idee war. Hier ist es noch staubiger und dreckiger als unten in der Wohnung, sodass ich nach kurzer Zeit statt einem weißem Fell ein graues habe. Nach der Dachinspektion nimmt mich Rudi auf den Arm und läuft mit Peter wieder die Treppe hinunter. Anschließend verlassen wir das Haus, betreten den Innenhof, gehen ein Stück an der Hauswand entlang und steigen dann eine Außentreppe hinunter bis zum Kellereingang. Vorsichtshalber lässt mich Rudi auf dem Arm, was ich mittlerweile wegen der vielen Unzugänglichkeiten sehr begrüße. Im Keller befindet sich nur eine winzige Lampe an der Decke, die nur wenig Licht spendet. Hier ist es kalt und modrig-feucht. Die Männer kontrollieren einen hauseigenen Brunnen mit Druckbehälter, dann verlassen sie zum Glück das furchtbare Verlies und setzen sich wieder an den Kaffeetisch zu den beiden Frauen, die immer noch angeregt tratschen. Rudi lässt mich weiter auf seinen Schoss sitzen. Angestrengt passe ich auf, dass ich ihm nicht auf die Hose pisse.
„Was hat mich nur geritten, so eine verkeimte Polenkate zu kaufen“, sagt Rudi. Peter meint: „Du kannst froh sein, dass dein Anwesen noch nicht zusammengekracht ist. Schau dir nur mal die Westwand des Hauses zur alten Nachbarin und den Scheunengiebel an.“ „Ich habe aber leider nicht das Geld, um zu investieren! Und die Miete kann ich dir auch nicht erlassen“, sagt Rudi. „Ja, ja, ich hab´s kapiert! Dann machen wir so weiter wie bisher“, antwortet er resigniert. „Ist doch o.k.! Du hast hier einen super Fleck, um deine Kunst zu machen und um Gras anzubauen, weil niemand von den Landeiern im Dorf etwas merkt“, stellt Rudi fest.
Dieses Stichwort beflügelt Peter einen neuen Joint zu bauen. Rudi setzt mich auf den Boden und sagt zu Franzi: „Lass uns noch ein bisschen laufen!“ Sie antwortet: „O.K., machen wir!“ Wenig später erheben sie sich von ihren Stühlen und laufen den kleinen Mittelweg auf dem Grundstück zurück zum Hintereingang. Hocherfreut folge ich ihnen, weil ich Spaziergänge toll finde, fast so gut wie Fressen und Schlafen.
Gleich hinter dem Bauernhof beginnt ein kleiner Feldweg, den wir für unsere Wanderung nutzen. Links und rechts sind große Getreidefelder, die kein Ende zu haben scheinen. Wie eine Verrückte flitze ich hin und her und freue mich des Lebens. Überall sind duftende Blumen, Schmetterlinge flattern durch die Luft, manchmal fliegen Bienen an meinem Kopf vorbei. An einem Pferdekegel stoppe ich und bestaune das seltsame Ding, weil ich so etwas so niemals gesehen habe. Da der Geruch äußerst interessant ist, beiße ich hinein und fresse etwas davon. Es schmeckt wunderbar!
„Du sollst keine Pferde-Scheiße fressen“, sagt Franzi streng. Rudi verteidigt mich: „Pferdeäpfel sind doch nicht so schlimm! Macht nichts, wenn sie so etwas frisst.“ „Mein Hund soll aber keine Scheiße fressen“, meint sie grimmig. „Wenn es Menschen-Scheiße wäre, wäre es schlimmer“, antwortet er. „Ihhh, du bist ja furchtbar!“ antwortet sie und verzerrt angeekelt ihr Gesicht.
Das Verzehren von Pferdekegeln finde ich überhaupt nicht verwerflich, außerdem ist es für meine Verdauung förderlich. Menschen-Kacke schmeckt ausgezeichnet, die enthält sogar für Hunde wichtige Mineralien. An Hunde-Scheiße rieche ich nur, um die Marke abzuchecken, aber die fresse ich nicht. Wieso sich die Menschen bei diesem Thema so pikiert anstellen, verstehe ich nicht. Nachdem wir ein Stück gelaufen sind, erreichen wir einen großen See, an dem ein paar Angler sitzen. Neugierig renne ich zur Uferkante, aber plötzlich gibt das Gras nach, sodass ich ungebremst ins Wasser stürze. Niemals zuvor war ich in meinem kurzen Leben im tiefen Wasser, aber ich gehe nicht unter und schwimme zu einer geeigneten Stelle, um wieder an Land zu kommen. Franzi kreischt hysterisch, während Rudi relativ entspannt dem Treiben zusieht. Als ich einen kleinen Sandstrand ohne Schilf erreiche, steige ich aus dem Wasser und schüttele das Wasser aus meinem Fell. Eilig kommt Franzi zu mir und nimmt mich vorsichtshalber auf den Arm. Ich bin eben doch ihr Baby!
„Du machst wirklich nur Blödsinn! Auf dich muss man ständig aufpassen“, schimpft Franzi. Rudi bemerkt: „Tisza kann tatsächlich schwimmen! Hättest du das gedacht?“ „Jedes Tier kann schwimmen, auch unsere Tisza“, antwortet sie fast ein wenig stolz auf mich.
Nachdem mich Franzi wieder auf den Boden gesetzt hat, laufen wir den Feldweg weiter. Vor uns taucht eine große eingezäunte Weide mit vielen Kühen auf. Als wir dichter an den Tieren sind, senken diese ihre Köpfe, um mir zu drohen. Mutig belle ich sie an, denn vor solchen dummen Viechern habe ich doch keine Angst. Als die Kühe auf der anderen Zaunseite uns immer näher kommen, rege ich mich furchtbar auf und verstärke mein Bellen. Gleichzeitig springe ich vor und zurück, um diese Ungeheuer zu beeindrucken. Leider tangiert sie mein Verhalten wenig. Dummerweise berühre ich beim Springen mit meiner Nase kurz den Drahtzaun, sodass ich, wie vom Blitz getroffen, zusammenzucke. Der Schmerz war so furchtbar, dass ich jämmerlich jaule wie noch nie zuvor. Was war das? Ich verstehe die Welt nicht mehr!
„Tisza, du hast den Elektrozaun mit deiner feuchten Nase berührt und einen Schlag bekommen“, erklärt Rudi und untersucht kurz mein Riechorgan, ohne etwas Auffälliges festzustellen. Franzi sagt genervt: „Auch das noch, ein Unglück kommt selten allein! Wie kann man nur so dämlich sein.“ „Es wird ihr eine Lehre sein. Sie muss eben, wie wir auch, noch ihre Erfahrungen im Leben machen. Selbst so ein Hundeleben ist verdammt hart“, meint er.
Rudi streichelt meinen Kopf, um mich zu trösten. Nachdem mich Franzi erneut auf den Arm genommen hat, laufen wir den Weg zurück zum Grundstück, passieren den Hintereingang und gehen zum Bus. Rudi öffnet die Schiebetür und legt sich aufs ausgefahrene Bett. Franzi schließt die Tür, setzt mich auf den Autoboden und legt sich danach zu Rudi. Sofort rolle ich mich zu einem Kringel zusammen und versuche einzuschlafen, denn ich bin wegen der unglücklichen Geschehnisse ausgesprochen müde. Wenig später höre ich die mir bereits vertrauten Geräusche, zunächst stöhnt Franzi und später auch Rudi. Was spielen sie nur? Jetzt brüllen sie so laut, deswegen plagen mich bereits Albträume. Jedoch schaue ich nicht nach dem Rechten und versuche weiter zu schlafen.
Am Abend ist die Bus-Schiebetür weit geöffnet, sodass ich ungestört das Umfeld erkunden kann. Franzi und Rudi stellen einen kleinen Campingtisch mit zwei Campingstühlen unter einen Apfelbaum. Rudi holt einen kleinen Grill aus dem Auto und platziert ihn in die Nähe des Campingtisches. Anschließend zieht er eine Tüte mit Holzkohle aus dem Kofferraum, schüttet davon etwas in den Grill und sammelt einige kleine Äste, die er danach darüber legt. Dann entzündet er das Feuer, während Franzi eine Weinflasche mit zwei Gläsern auf den Tisch stellt. Als das Feuer niedergebrannt ist, verteilt Rudi mit einem Stock die glühenden Kohlen und installiert den Gitterrost. Franzi holt aus der Auto-Kühlbox einige wunderbar riechende Steaks, die sie auf den Grill legt. Vielleicht bekomme ich auch ein Steak? Vorsichtig nähere ich mich dem Grill, um den Fleischgeruch richtig zu genießen.
„Nein, Tisza! Das ist nichts für dich, weil das unsere Steaks sind!“ sagt Franzi bestimmend. Rudi meint zu mir wesentlich hoffnungsvoller: „Nachher kriegst du von mir etwas ab!“
Ist das nicht gemein? Es riecht so gut, aber ich darf nichts davon fressen! Als wenig später die Steaks durch sind, holt Rudi sie mit einer Gabel vom Grill und legt sie auf zwei Teller. Zuvor hat Franzi auf dem Tisch eine Camping-Kerze gestellt, damit es gemütlicher ist. Erwartungsvoll sitze ich vorm Tisch und schaue hinauf, ob nicht vielleicht doch etwas herunterfällt. Aber leider ist es nicht so! Erst als sie ihre Mahlzeit beendet haben, reicht mir Rudi wie versprochen seinen Teller herunter mit einem kleinen Rindersteakstück. Sofort stürze ich mich darauf und schlinge es rasch herunter. Wer weiß, ob mir nicht doch jemand meine Beute stehlen will. Es hat göttlich geschmeckt!
„Erst essen immer die Menschen und dann du“, sagt Franzi erbarmungslos zu mir. Rudi bemerkt: „Du bist ja ziemlich streng.“ „Natürlich! Sie muss wissen, wer hier ihre Chefs sind“, antwortet sie.
Franzi bereitet mir mein Welpen-Futter zu, diesen furchtbaren Brei, der aber besser als gar nichts ist. Am liebsten würde ich wie die Menschen Rindersteaks fressen! Auch an meinen Wassernapf hat sie gedacht und stellt ihn neben den Campingtisch. Nach dem Fressen lege ich mich ins Gras und beobachte das Umfeld, ob uns nicht doch irgendwelche wilden Tiere angreifen. Ich gebe zu, dass ich nicht immer aufmerksam bin, denn manchmal schlafe ich zwischendurch ein. Meine Chefs bemerken meine Unaufmerksamkeit nicht, da sie ihren Wein trinken und mittlerweile äußerst fröhlich sind.
Am späten Abend gehen die beiden Menschen nochmal in die Büsche, um zu pinkeln. Natürlich mache ich es genauso wie mein Rudel. Außerdem ist es gut, wenn ich hier meine Marken setze, damit jeder meine Anwesenheit mitbekommt. Mittels eines tragbaren Wassertanks putzen sie sich ihre Zähne und waschen sich Gesicht und Hände. Nachdem ich in den Bus gesprungen bin, steigen sie auch ein und schließen die Schiebetür. Sie ziehen sich ihre Kleidung aus und legen sich ins Bett. Leider darf ich nicht bei ihnen schlafen, weil Franzi es verboten hat, deswegen nächtige ich auf dem Autoboden. Der Tag war sehr aufregend für mich.