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Zwei Croissants
Ferdinand setzt seinen Heimweg fort. Er macht noch einen kurzen Abstecher im Café & Bäckerei Ulmer in der an Lustenau grenzenden Stadt Dornbirn. Von dort aus über die Landstraße und die Dörfer weiter bis zur Villa von Zobel nach Bregenz. Im Café Ulmer gibt es, seiner Meinung nach, die besten Croissants der ganzen Gegend. Außerdem treffen sich im Ulmer jeden Morgen einige alte Männer, die über die Vorkommnisse der letzten Stunden und Tage immer Bescheid wissen. Ein bunter Haufen von sechzig- bis neunzigjährigen. Besucher sollten sich nicht vom Interieure des Ulmers abschrecken lassen, fühlt man sich doch in die siebziger Jahre zurück versetzt. Nicht bunt und fröhlich, eher rustikal und in braun bis gelb gehalten, wurden hier die letzten dreissig Jahre keine Änderungen vorgenommen. Für Ferdinand eine Goldgrube, da die Alten aus verschiedensten Schichten der Gesellschaft zusammengewürfelt sind. Einige spielen Karten. Andere diskutieren jeden Tag über Politik sowie den Job, den sie einmal ausgeübt haben. Ferdinand ist der Galerist, der mit dem Mercedes 123c vorfährt, sein Croissant isst und einen Kaffee trinkt. Der 1979iger Mercedes Benz war damals das absolute Top-Auto jedes Firmenbesitzers sowie derjenigen, die es in der Gegend zu etwas gebracht haben. Industrielle, Banker, hohe Politiker fuhren einen W123. Jeder der Männer im Café Ulmer wollte damals in den siebziger und achtziger Jahren einen W123er sein Eigen nennen. Der Benz ist wie ein Büchsenöffner für den Anfang eines Gesprächs, da die meisten sehr gut über das Modell Bescheid wissen. Später lenkt Ferdinand die Unterhaltung geschickt auf ein Thema, das er ansprechen will, um an Informationen für sein Vorhaben zu kommen. Eines hatten die frühen Besucher alle gemeinsam: sehr gute Kontakte zu ihren alten Arbeitsstellen sowie Kindern, welche jetzt ihre Geschäfte leiten oder in der Politik in Österreich, der Schweiz oder Liechtenstein tätig sind. Heute beschließt Ferdinand, zwei Croissants mit auf den Weg zu nehmen. Er ist zu früh für die alten Herren im Ulmer angekommen. Kurz nach neun, gut eine Stunde bevor sich der Stammtisch füllt.
Ein Croissant für Liselotte, Alma Maria Stevens Haushälterin, das zweite wird Ferdinand am späteren Nachmittag zu sich nehmen. Er liebt es, das Gebäck mit feinem Parmaschinken und einer Scheibe Bregenzer Wälder Käse zu belegen. Diesen Vorgang zelebriert er am liebsten alleine, ohne die kritischen Blicke von Liselotte oder anderen, die darüber ihre Nase rümpfen. Manche empfinden es als Beleidigung, ein gutes Croissant so ordinär zu behandeln. Für Ferdinand hingegen ist es seit einigen Jahren zu einem täglichen Ritual geworden, das ihm Struktur für den Tag gibt. 16 Uhr Croissant mit Schinken, Käse und einer Tasse Arabica Kaffee. Mit Liselotte verbrachte er unzählige Nachmittage damit, über die Notwendigkeit von fixen Tagespunkten zu diskutieren. Liselottes Meinung darüber ist weit entfernt von Ferdinands Einstellung zu diesem Thema. Als Haushälterin der fast nie anwesenden Besitzerin Alma Maria Stevens hatte sie keine Zeit, sich über Tagesstrukturen Gedanken zu machen. Die Villa von Zobel ist viel zu groß, als dass Möglichkeiten eines arbeitstechnischen Leerlaufes entstehen konnten.