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Zeichen und Wunder

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Von der Sturm-Sonate zum Streichquartett op. 132

Im Jahr 1807 unterzog der damals 23-jährige Carl Maria von Weber die Vierte seines 14 Jahre älteren Kollegen Beethoven im Morgenblatt für gebildete Stände einer spöttischen Kritik. So hieß es dort über die Einleitung:

Erstens, ein langsames Tempo, voll kurzer abgerissener Ideen, wo ja keine mit der anderen Zusammenhang haben darf, alle viertel Stunden drei oder vier Noten – das spannt! Dann ein dumpfer Paukenwirbel und mysteriöse Bratschensätze, alles mit der gehörigen Portion Generalpausen und Halte geschmückt; endlich, nachdem der Zuhörer vor lauter Spannung schon auf das Allegro Verzicht getan, ein wütendes Tempo, in welchem aber hauptsächlich dafür gesorgt sein muß, daß kein Hauptgedanke hervortritt und dem Zuhörer desto mehr selbst zu suchen übrig bleibt.

Webers Quintessenz lautete: »Man vermeide alles Geregelte, denn die Regel fesselt nur das Genie.«4 Zwar kleidete er seine Kritik in eine als Albtraum aufgemachte Groteske, die in der Beschreibung kompositionstechnischer Details recht unzuverlässig ist; gleichwohl protestierte er zugleich ernsthaft gegen eine Tonkunst, welche die »Klarheit und Deutlichkeit« der alten Meister durch eine ex- und egozentrische Attitüde ersetzt. Zwei Jahrhunderte später ist die Wissenschaft schlauer. So macht sich der Autor des Standardwerks Beethoven. Interpretationen seiner Werke zumindest anheischig, »die Einheit des Werkcharakters aus der Einheit des Symphonischen heraus zu verstehen« und die von Weber getadelte Einleitung der Vierten analytisch unter »übergeordnetem Aspekt« in den Griff zu bekommen.5

Wer ist Beethoven näher? Der Jungspund, der die Exzentrik seines potenziellen Rivalen verspottet, oder der gestandene Musikforscher, der uns nahelegt, er habe das Werk strukturell im Griff, müsse zu seiner Erklärung auch keine »poetische Idee« heranziehen?6

Ich mag keinem der beiden Recht geben, will vielmehr auf ein Drittes abheben, das im Titel dieses Buches benannt ist: »Wenn Geistesblitze geheiligte Formen zertrümmern«. Was damit gemeint ist, wird im Zuge der Darstellung zunehmend deutlich werden. Zunächst soll es gleich medias in res gehen.

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