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DAS ABENTEUER BEGINNT

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Es war tief in der Nacht, doch meine Gedanken hielten mich vom Schlaf ab. Je länger ich so da lag, desto kühler wurde es, da das Feuer bis auf die Glut runtergebrannt war. Ich beschloss daher aufzustehen und mir die Beine etwas zu vertreten. Dabei fiel mein Blick auf Amalia, die die erste Wache übernommen hatte. Sie war noch immer umhüllt von einem sanften Lichtschein, den der Mond bei ihr auslöste. In ihrem Schoß lag ein Bogen, den sie mit einer dunkelbraunen Tinktur pflegte. Ich ging zu ihr und nahm neben ihr Platz.

»Könnt Ihr nicht schlafen, John?«, fragte sie ihre Arbeit unterbrechend.

Ich streckte meine müden Knochen. »Viele Gedanken halten mich wach. Außerdem träume ich in der letzten Zeit oft merkwürdige Dinge, über die ich mir noch klar werden muss.«

Im Hintergrund hörten wir Will schnarchen. Amalia schmunzelte. »Wenigstens ist Euer zwergischer Freund mit gesundem Schlaf gesegnet.«

»Da habt Ihr allerdings recht. Für meinen Geschmack etwas zu gesund.« Ich deutete auf ihre Waffe. »Es ist recht ungewöhnlich für Mondelfen, einen Bogen zu benutzen. Wenn man es genau nimmt, bin ich noch nie einem Bogenschützen unter ihnen begegnet.«

Sie lächelte mich an, träufelte die braune Flüssigkeit auf ein Tuch und polierte ihre Waffe weiter. »Das ist wohl wahr, doch fließt durch meine Adern nicht nur das Blut der Mondelfen. Meine Mutter gehörte einem anderen Volk an – dem der Waldelfen. Die prägendste Zeit meines Lebens verbrachte ich bei ihr. Deshalb habe ich mehr Eigenschaften von ihr als von meinem Vater.«

Ich strich übers Kinn. »Jetzt verstehe ich. Bei unserer ersten Begegnung dachte ich mir bereits, dass Ihr Euch ungewöhnlich für eine Mondelfe bewegt. Ich habe gerätselt, woran das liegen mag.«

Amalia lächelte mich an. »Ihr habt ein gutes Auge und einen scharfen Verstand, John Armis.« Sie strich gefühlvoll über den Bogen. »Bevor meine Mutter starb, schenkte sie mir das Wertvollste, das sie besaß: Diesen Bogen.«

Das hatten wir gemeinsam. Auch mir wurden nach Onkel Aarons Tod seine Schwerter hinterlassen. Unbewusst warf ich einen Blick zum Schlafplatz, um die Klingen zu begutachten.

Amalia folgte diesem und runzelte wissend die Stirn. »Vater hat mir von Eurem Onkel erzählt. Er muss ein großartiger Mann gewesen sein.«

»Ja, das war er in der Tat.«

Amalia lächelte erneut und unsere Blicke trafen sich wieder. »Und er sagte, dass auch Ihr ein großer Mann seid.«

Ihre Worte und ihr Lächeln berührten mich zutiefst. Ich beobachtete die Elfe eine Weile bei ihrer Arbeit. Es hatte etwas Beruhigendes an sich. Ihre Bewegungen waren äußerst gefühlvoll und geschmeidig. Während ich so dasaß, kam mir was in den Sinn. »Ich kann mich nicht erinnern, Euch heute Morgen mit einer solch auffälligen Waffe gesehen zu haben.«

Amalia faltete das Tuch zusammen und legte es behutsam beiseite. »Das hätte mich auch gewundert, und doch trug ich ihn bereits bei unserer ersten Begegnung mit mir. Ich zeige es Euch wie.« Sie streckte den Bogen demonstrativ in die Luft und vollzog eine fließende Handbewegung. Daraufhin krümmte sich dieser zu einem kleinen Bündel. »Seht Ihr, so kann ich ihn einfach unter meinem Mantel verbergen.«

Sprachlos folgte ich dem Schauspiel mit den Augen. »Jetzt bin ich in der Tat verblüfft. Sagt, ist dies eine magische Waffe? Oder – seid Ihr am Ende gar selbst eine Magierin?« Bei der letzten Bemerkung zwinkerte ich.

Amalia kicherte. »Wenn ich ein Magier wäre, würde ich vermutlich keine Waffe benötigen. Nein, es hat mehr mit der Energie der Waldelfen zu tun, die in mir steckt.« Sie führte dieselbe Bewegung nochmals durch und das Bündel streckte sich wieder in ihre ursprüngliche Form aus. »Ihr müsst wissen, dass mein Volk sehr eng mit der Natur in Verbindung steht. Den Energiefluss der Bäume und Pflanzen können wir stets erfühlen. Deshalb sind wir in der Lage, diesen zu beeinflussen. Da all unsere Waffen aus der Natur stammen, können wir ihre Form auch ändern.«

»Ich habe schon gehört, dass die Waldelfen mit der Natur verschmelzen können. Doch wusste ich nicht, dass sie Objekten neue Formen geben können. Beeindruckend!« Nachdem Amalia kurz darauf gähnte, sagte ich bestimmend: »Nun genug der Worte. Ruht Euch aus. Ich übernehme die nächste Wache.«

Amalia nickte dankend. Mit anmutigen und lautlosen Schritten begab sie sich zu ihrem Schlafplatz.

Es verging einige Zeit und mein Blick wanderte in Richtung Höhlenausgang. Dabei dachte ich über die Geschehnisse des vergangenen Tages nach. Unter anderen Umständen wäre ich für einige Wochen im Dorf geblieben. Aber das Schicksal überraschte mich ständig.

Während die Gedanken an mir vorbeizogen, bemerkte ich, wie zwei Personen draußen am anderen Ende des Teiches standen. Um besser zu sehen, beugte ich mich vor und kniff die Augen zusammen. Der Größe nach waren es ein kleiner Junge und ein Mann. Sie lehnten sich beide über das Wasser. Wie eingefroren beobachtete ich, wie etwas von hinten angeschlichen kam. Es sah aus wie eine Kreatur und diese stieß den Jungen in den Teich – er tauchte nicht wieder auf.

Ich wollte aufspringen, um ihn zu retten, doch ich war gelähmt. Der Mann drehte sich zur Kreatur und streckte seinen Arm nach ihr aus. Sie berührten sich und es entstand ein gleißendes Licht, das mich blendete. Ich erwachte aus meiner Starre und hob schützend die Hand vor die Augen.

Als ich wieder sehen konnte, war die Kreatur verschwunden und nur der vermummte Mann stand seelenruhig am Teich. Langsam wandte er sich der Höhle zu. Sein Gesicht lag unter einer Kapuze verborgen, doch ich spürte seinen durchbohrenden Blick. Da ich nicht wusste, wie gefährlich der Fremde war, zog ich meine Schwerter. Der singende Klang ließ den Mann aufhorchen. Er legte beide Hände um die Kapuze und zeigte sein Gesicht.

Das Herz setzte mir für einen Moment aus, denn ich erkannte ihn: »Onkel Aaron?« Meine Worte klangen wie aus einer fremden Welt. Ich stürzte aus der Höhle hinaus und rannte zur anderen Seite des Teiches – er war verschwunden. Ich erreichte den Ort des Geschehens und suchte alles ab. Das Wasser war nicht tief genug, um darin zu ertrinken. Nichteinmal ein Kind, von dem jegliche Spur fehlte.

Der kalte Wind stellte meine Nackenhaare auf. Verwirrt schlurfte ich zur Höhle zurück. »Was hat das nur zu bedeuten? Onkel Aaron ist tot und doch bin ich mir sicher, dass dies kein Traum war. Oder etwa doch?«

Dieses Erlebnis beschäftigte mich bis in die Morgenstunden. Ich weckte meine beiden Gefährten. Will fasste sich schmerzverzerrt an die Schulter. »Ich habe ganz vergessen, wie unangenehm es ist, auf dem Boden zu schlafen. Hätte ich doch bloß ein Kissen mitgenommen«, schimpfte er.

Nachdem das Lager geräumt war, verließen wir die Höhle. Zunächst wanderten wir Richtung Süden. Während die Sonne langsam aufging, erzählte ich den beiden von vergangener Nacht.

»Wirklich sehr interessant«, sagte Amalia, die mit großer Neugierde zugehört hatte. »Klingt fast so, als wollte Euch Euer Onkel etwas mitteilen.«

Will schien da anderer Meinung zu sein. Er glaubte nicht an sowas und runzelte ungläubig die Stirn. »Etwas mitteilen?«, wiederholte er glucksend. »Johns Verstand hat ihm einen Streich gespielt. Ein Traum, nichts Reales.«

Amalia seufzte. »Ihr Zwerge und eure Dickköpfigkeit. Einmal eine Meinung bilden und ein Leben lang daran festhalten. Wer sagt denn, dass Träume nichts zu bedeuten haben? Vielleicht sind sie realer, als Ihr glaubt.«

Ich überlegte, ob Amalia recht haben könnte und mir mein verstorbener Onkel auf diesem Weg etwas mitteilen wollte. Das würde erklären, wieso ich in letzter Zeit so häufig von ihm träumte.

Zügig schritten wir über das flache Gelände und vermieden die üblichen Handelsrouten, da oft Banditen oder Söldner die Reisenden auf diesen Wegen überfielen. Wir drei waren auf jeden Fall auffällig genug, um deren Aufmerksamkeit zu erregen.

Die Sonne hatte ihren Zenit erreicht, und wir beschlossen eine kurze Pause am Rande eines kleinen Waldes zu machen. Ich aß eine Ration Nüsse und bot meinen Kameraden welche an.

»Habt Dank, John der Edle«, sagte Will, mit übertriebener Ehrfurcht, was Amalia stutzen ließ.

Ich musste lachen. »Wundert Euch nicht, wir geben uns öfters solche Titel. Dieses kleine Spiel zwischen Will und mir geht schon seit Jahren so.«

Amalia schüttelte ihren Kopf. »Da bin ich wohl auf zwei besonders komische Zeitgenossen gestoßen«, meinte sie knapp, schmunzelte aber selbst.

»Wohl wahr«, sprach Will mit demselben ehrfürchtigen Tonfall. »Doch wär mir jetzt mehr nach einer weniger trockenen Mahlzeit.«

»Dem könnte ich gegenwirken«, kam es von der Elfe, die versuchte, denselben Ton nachzuäffen. Amalia stellte sich vor einen Baum und legte ihre Hand darauf. Dieser bog sich daraufhin sanft hin und her, obwohl kein Wind wehte. Man konnte förmlich spüren, wie sie und der Stamm dieselbe Schwingung annahmen und eins wurden. Und aus heiterem Himmel fielen einige reife Birnen herunter. Verblüfft klappte Will der Mund auf und rieb sich seine Augen.

»Für Sir William, den Hungrigen!«, sagte Amalia mit einer Verbeugung. Dieses Mal stimmte sie das Lachen an.

Wir saßen unter dem Baum und aßen das bescheidene Mahl, als Amalia aufsprang. »Da kommt jemand!«

Auch ich hatte bemerkt, dass sich uns eine Gruppe von drei Männern näherten. Üble Zeitgenossen, mit denen man lieber keine Freundschaft schloss.

»Mir war, als hätte ich soeben Gelächter gehört. Dürfen wir eurer Festlichkeit beiwohnen?«, fragte der Größte der Gruppe, der allem Anschein der Anführer war. Er hob eine Birne vom Boden auf und biss die halbe Frucht ab.

»Wer seid Ihr? «, fragte ich zurückhaltend, um nicht voreilig einen Streit zu provozieren.

Der Mann fixierte mich wie ein Raubtier, welches sich jeden Moment auf seine Beute stürzen würde. Er war größer als ich und seine Schulterpartie ähnelte der eines bulligen Stieres – ein wahrer Hüne. Doch was ihn besonders gefährlich wirken ließ, war die Narbe, die sich diagonal über sein auffällig blasses Gesicht zog. Er trug seine schwarzen Haare schulterlang und hatte einen seltsamen weißen Mantel an. Kein gewöhnlicher Stoff, wie es mir schien. Irgendetwas war an diesem Mann nicht normal, das spürte ich.

Dieser zuckte schelmisch grinsend die Schulter und meinte: »Wir sind bloß einfache Reisende, aber gegen etwas Gesellschaft haben wir nichts einzuwenden.«

Na wunderbar, dachte ich mir, denn seine beiden Begleiter zogen Amalia förmlich mit ihren Blicken aus.

»So was Hübsches sieht man hier wirklich selten«, sagte einer der drei. Er leckte mit der Zunge über seine gelben Zähne. »Warum kommt Ihr nicht mal zu uns rüber, Prinzessin? Ihr werdet es bestimmt nicht bereuen.«

Amalia neigte angewidert ihren Kopf zur Seite. Sie dachte sich scheinbar dasselbe wie ich und wirkte genervt. Und zu unser aller Überraschung sagte sie einschüchternd: »Ich mache Euch einen Gegenvorschlag. Ihr macht einen großen Bogen um uns, dann vergesse ich vielleicht, dass ich Euch Eure Männlichkeit abschneiden sollte.«

Der Mann wich einen Schritt zurück. Weniger aus Angst, sondern mehr, weil er mit so etwas nicht gerechnet hatte. Seine beiden Begleiter nahmen ihn diesbezüglich aufs Korn, wodurch sich bei ihm eine dicke Ader auf der Stirn bildete.

Ihr Anführer schien sich prächtig zu amüsieren. Sein breites Grinsen hätte man selbst unter Tausenden wiedererkannt. »So eine Vorstellung sieht man auch nicht alle Tage«, sagte er. »Wirklich sehr unterhaltsam.«

Will, dem die Situation dem Anschein nach gelegen kam, plusterte sich auf und fuchtelte wild mit den Armen. »Wenn Ihr nach Streit sucht, dann kommt ruhig her«, sagte er, woraufhin er mehr schallendes Gelächter erntete.

Der dritte Mann ging auf Will zu und sah auf ihn herab. »Was sprießt denn da aus dem Boden raus?«, meinte er provozierend. »Nicht mal groß genug, um mir ans Bein zu pissen!« Er zog sein Schwert und kniff die Augen zusammen. »Vielleicht sollte ich Euch noch ein wenig zurechtstutzen.«

»Versucht´s doch«, stachelte ihn Will zusätzlich an.

Sein Gegenüber bleckte die Zähne und schwang die Klinge nach dem Zwerg. Dieser neigte seinen Körper blitzschnell zur Seite, packte den Arm des Angreifers und kugelte ihm die Schulter aus. Der Schrei des Mannes verscheuchte einige Vögel aus ihren Baumwipfeln.

»Das war ja mal nichts«, meinte Will fast enttäuscht.

Der andere, gelbzahnige Mann stürzte sich ebenfalls auf den Zwerg. Er hatte einen Dolch in der Hand und war drauf und dran ihn Will in den Rücken zu rammen. Bevor er aber seine Tat umsetzen konnte, bohrte sich ein Pfeil in dessen Handfläche und er ließ seine Waffe fallen.

»Der nächste wird kein Warnschuss«, drohte Amalia scharf und mit erhobenen Bogen. Ihre sonst so sanfte Stimme wirkte dominant und bedrohlich. Blitzschnell legte sie wieder einen Pfeil an und zielte auf den Anführer. Der zeigte kein Anzeichen von Furcht. Er blieb erstaunlich gelassen und schien sich seiner sicher zu sein. Er schob sich die andere Hälfte der Frucht in den Mund, drehte sich unbekümmert zu mir und sah mir direkt in die Augen, während er laut schmatzte.

Sein Blick löste ein seltsames Gefühl in mir aus. Im Gegensatz zu seinen Kumpanen war dieser wirklich gefährlich. »Senkt Eure Waffe, Amalia!«, forderte ich die Elfe auf und ließ dabei unseren Gegner nicht aus den Augen. »Geht nun und verhindert damit unnötiges Blutvergießen.«,

Der Anführer durchbohrte mich mit seinem Blick und schien überrascht, was er darin sah. Schließlich grinste er wieder breit und wandte sich ab. Er ließ einen Pfiff ertönen und wenige Sekunden später trabten drei Pferde aus dem Wald hervor. Nachdem sie bestiegen waren, meinte er glucksend: »Entschuldigt dieses kleine Missverständnis. Vielleicht treffen wir bald wieder aufeinander, wenn die Umstände etwas … sagen wir, weniger angespannt sind.« Er gab dem Pferd einen Klaps und die drei ritten davon.

Amalia hielt noch immer ihren Bogen fest umklammert, als sie an mich herantrat. »Ich vermute, dass Ihr einen Grund hattet, diesen Bastard entkommen zulassen«, sprach sie gereizt und in ihren azurblauen Augen loderte ein Feuer, das selbst den härtesten Strolch eingeschüchtert hätte. Ihr Vater schien sie gut trainiert zu haben.

»Auch wenn es sich seltsam anhört, aber irgendetwas in mir sagte mir, dass wir diesen Mann nicht töten sollten«, erklärte ich ihr. »Außerdem wären wir mit ihm nicht so leicht fertig geworden wie mit den anderen beiden, glaubt mir.«

Auch Will blickte verärgert drein. »Du kostest uns eines Tages noch Kopf und Kragen, John.«

Ich trat zu dem Zwerg und legte ihm versöhnlich die Hand auf die Schulter. »Um deinen Kopf mach dir mal keine Sorgen, du flinkes Wiesel.«

Amalia musste bei meiner Bemerkung schmunzeln, wodurch ihr sanftes Gemüt wieder in Erscheinung trat. »Ich hätte Euch nie zugetraut, dass Ihr so schnell und gewandt seid, Will. Ich dachte immer, dass sich Zwerge im Kampf hölzern und grobmotorisch bewegen.«

Will stemmte seine Fäuste in die Hüfte und plusterte sich, wie so häufig, mächtig auf. »Ihr hattet wohl noch nicht oft Gelegenheit, uns während der Schlacht zu studieren. Außerdem bin ich ja kein gewöhnlicher Zwerg«, fügte er zwinkernd zu. »Doch genug der Worte, wir sollten langsam weiter.«

John Armis

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