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TRAUMHAFTES MONTENEGRO

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Es dauerte nicht lange, bis wir Montenegro erreicht hatten. Während wir an der Grenze warteten und Mogli auf dem Motorrad herumkrabbelte, sah ich, wie ein paar Mädchen vom Rücksitz aus verstohlen Fotos von uns machten. Ich stellte mir vor, wie ungewöhnlich wir doch wirken mussten, und winkte ihnen zu. Moglis Pass dagegen wollte wieder einmal keiner sehen.

Kurz hinter der Grenze lernten wir Eva und Dieter kennen, die mit ihren Töchtern gerade wieder auf dem Heimweg in die Nähe von Rosenheim waren. Lisa und Lili hatten Mogli vom Rücksitz aus entdeckt und wir kamen ins Gespräch. Schnell stellte sich heraus, dass ich es mit waschechten Abenteurern zu tun hatte, und wir beschlossen, den Abend gemeinsam auf einem Campingplatz ausklingen zu lassen und uns Reisegeschichten zu erzählen. Nachdem mein Zelt stand und in dem umgebauten Land Rover alle vier Betten gemacht waren, luden Eva und Dieter mich zum Essen in ein nahe gelegenes Restaurant ein. Ziemlich ausgehungert machte ich mich über meine erst zweite richtige Mahlzeit seit zu Hause her und freute mich, schon wieder so liebe Menschen getroffen zu haben. Nur Mogli war im Restaurant leider nicht erwünscht. Und da sie nicht im Zelt warten wollte, ließ ich sie mit einem mulmigen Gefühl im Magen frei laufen. Sie folgte uns zum Restaurant und erforschte dann das nahe gelegene Gebüsch, während wir vergnügt aßen. Als wir fertig waren, kam sie freudig mit uns zurück. Wie cool sie geworden war! Mit jedem Reisetag und mit jedem Problem, das wir bewältigen mussten, wurden wir zu einem besseren Team: Ich lernte sie und ihre Eigenheiten besser kennen und sie passte sich mehr und mehr unserem neuen Alltag an.

Nach einer herzlichen Verabschiedung und zahlreichen Glückwünschen ging es am nächsten Morgen schon früh weiter. Ein harter Tag stand Mogli und mir bevor, aber das wusste ich noch nicht.

Zuerst zog mich Montenegro, der »Schwarze Berg«, in seinen Bann. Selten zuvor habe ich so herrliche Straßen und Landschaften gesehen. Alle paar Kilometer änderte sich die Kulisse und immer wieder schaffte sie es dabei, mir den Atem zu rauben. Wir hatten die Nacht an der Bucht von Kotor verbracht, und da der Tag noch jung war, entschloss ich mich dazu, die Bucht zu umfahren, anstatt die Fähre zu nehmen. Manchmal traf ich echt gute Entscheidungen und dieses Mal wurde ich sofort dafür belohnt: Diese Gegend ist unbeschreiblich schön, und weil das Meer bis an die Füße der Berge reichte, schlängelte sich die Straße teils einspurig und ohne jegliche Absperrungen entlang der Bucht und bot neben einem Hauch von Abenteuer beinahe durchgehend atemberaubende Ausblicke.

Während mich der Baustil an der Küste stark an die mediterranen Gegenden in Italien oder Südfrankreich erinnerte, fühlte ich mich in den kleinen Hochebenen der Dinarischen Alpen auf einmal fast wie zu Hause. 1500 Meter über dem Meeresspiegel wurden die Winter kälter und die Häuser ähnelten den deutschen sehr, nur waren sie oft aus massivem Stein gebaut. Wir aßen frischen Aal in einem wunderschönen Restaurant am Fluss und erreichten pünktlich zur »Goldenen Stunde« den Shkodrasee, der zu zwei Dritteln in Montenegro, zu einem Drittel in Albanien liegt.

Die letzten Sonnenstrahlen tauchten die Landschaft in goldenes Licht. Es war eine Atmosphäre, wie ich sie nur schwer in Worte fassen kann. Die Bergspitzen, die stolz aus dem See herausragten, schimmerten im Sonnenlicht goldbraun, der volle Mond ging gerade hinter dem rosa-orange-blauen Horizont auf und der See mit seinen weiten Sümpfen spiegelte seine Farbenpracht. Mehr und mehr verschwanden die Berge langsam im Dunst und ich blieb etliche Male stehen und verlor mich in dem Anblick. Aus irgendeinem Grund beruhigte er mich, alle Lasten fielen von mir ab und alle Sorgen waren vergessen. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Aber das tat sie natürlich nicht wirklich. Bald darauf wurde es dunkel und wir waren noch immer auf winzigen Straßen in den Bergen unterwegs. So schön es eben noch war, war das jetzt keine gute Kombination mehr. Denn hier würde bis zum nächsten Tag vermutlich niemand mehr entlangkommen. Es dauerte aber über eine Stunde, bis wir, schon in der Nähe der albanischen Grenze, endlich wieder auf eine große Straße stießen. Nachdem es bereits spät war, hoffte ich, dass es an der Grenze schnell gehen würde. Aber die Beamten hatten andere Pläne und nahmen viele Reisende genau unter die Lupe. Es zog sich, weshalb die Einreise schließlich über eine Stunde dauerte. Einen Stempel in meinen Pass gab es wieder nicht, aber dieses Mal kam ein Beamter und fragte nach »Papers« und »Passport for Mace«, Mogli. Ich kramte ihre Papiere heraus, und als er sah, dass ich etwas in den Händen hielt, konnten wir weiterfahren.

Den Campingplatz zu finden, den Eva und Dieter mir empfohlen hatten, sollte die nächste Herausforderung werden. Die Straße, die dorthin führen sollte, gab es nämlich nicht, und die kleinen Schotterstraßen, auf denen wir nun unterwegs waren, wirkten im Dunkeln unheimlich. Es war bereits nach 22 Uhr als wir ihn endlich fanden. Die großen Eisentore aber waren verschlossen. Auch das noch! Die letzten 13 Stunden und 270 Kilometer hatten ganz schön an mir gezehrt. Ich hatte Hunger und auch die Prinzessin, die die Strapazen bisher seelenruhig über sich ergehen gelassen hatte, wurde langsam unruhig. Im Freien zu zelten kam aufgrund der vielen Straßenhunde nicht in Frage. Allerdings war der einzige Anlaufpunkt, den ich auf der Karte finden konnte, ein nahe gelegenes Hotelresort. Ich vermutete, dass es sicher zu teuer sein würde, aber etwas Besseres fiel mir nicht ein – und so wollte ich einfach mein Glück probieren.

Als wir die großen Tore des Resorts passierten, betraten wir eine andere Welt. Alles dort war neu, glänzend, gepflegt und prunkvoll und wirkte auf uns Weltenbummler beinahe unwirklich. Nur ein Zimmer war nicht frei, worüber ich insgeheim ganz glücklich war, nachdem ich entdeckt hatte, dass eine Nacht darin 150 Euro gekostet hätte. Nach außen hin aber gab ich mich zerknirscht und fragte, ob ich vielleicht irgendwo mein Zelt aufschlagen könnte.

Als der Hotelbesitzer das hörte, erzählte er mir stolz von einem angrenzenden Campingplatz, den man zwar hergerichtet, aus Zeitmangel aber nie eröffnet hatte. Ich konnte mein Glück kaum fassen! Ein kompletter Campingplatz, mit sanitären Anlagen, Licht, Strom und warmen Duschen. Für uns allein. Und obendrein noch kostenlos! Einzig um die Hunde machte ich mir Sorgen. Seitdem sie Mogli entdeckt hatten, hörten sie nicht mehr auf zu bellen. Wie würde sie reagieren? Aber immerhin trennte uns ein Zaun von ihnen.

Ich wachte zu Hundegebell und mit guten Neuigkeiten auf: Meine beiden Brüder, mein Cousin und drei weitere Freunde hatten sich entschlossen, uns nach unserer Ankunft in Dubai dort zu besuchen. Auch wenn noch Wochen bis dahin vergehen würden, freute ich mich jetzt schon auf das Wiedersehen. Gut gelaunt marschierte ich hinüber in das Resort, um zu frühstücken, während Mogli sich noch eine Weile auf dem Campingplatz austobte. Dann packten wir zusammen und machten uns wieder auf die Reise.

In Shkodër wechselte ich ein paar Euro in albanische Lek und versuchte meine bosnischen Mark loszuwerden – erfolglos.

Weil ich mir das Landesinnere ansehen und einen kleinen Abstecher nach Mazedonien machen wollte, fuhren wir Richtung Osten. Albanien war ärmer als die Länder, durch die wir zuvor gefahren waren, und die Straßen wurden zunehmend schlechter. Die Menschen nutzten Pferde, um mit ihnen auf zu Karren umfunktionierten Autoanhängern Stroh oder andere Sachen zu transportieren. Selbst Mopeds wurden »zerschnitten«, bekamen drei Räder und kleine Pritschen. In Deutschland wäre das undenkbar, aber es funktionierte. Vielleicht würde es uns auch guttun, nicht alles bis ins kleinste Detail gesetzlich zu regeln. Kurioserweise sah ich zwischen Pferdekarren und umgebauten Mopeds immer wieder auch neue Luxuslimousinen jeglichen Baujahrs.

In den Dinarischen Alpen waren die Straßen dann erstaunlich gut, nur manchmal brachen sie weg oder wurden gerade repariert. Ich genoss die kurvenreiche Fahrt, bis es zu regnen anfing. Wir hielten kurz an einer kleinen Tankstelle, und obwohl ich eigentlich nur schnell meine Regenkombi anziehen wollte, verbrachten wir schließlich fast eine ganze Stunde dort. Denn Rroku, der alte Tankwart, deutete mir, mich zu ihm zu setzen und bot mir einen Rakija an. Da Alkohol und Motorradfahren keine gute Kombination sind, lehnte ich dankend ab und bekam stattdessen eine Tasse Tee. Ich setzte mich eine Weile zu dem Mann, und während wir Bilder auf meinem Telefon ansahen und versuchten, uns irgendwie zu verständigen, malte ich mir aus, wie sein Alltag wohl aussah. Die Tankstelle sah nicht gerade vertrauenserweckend aus und innerhalb der Stunde kam kein einziger Kunde vorbei. Nicht einmal ich wollte hier tanken, aus Angst, meinen Motor mit Schmutz aus den alten Leitungen zu beschädigen. Rroku saß vermutlich einfach Tag für Tag an ein und derselben Stelle und starrte aus der Tür. Aber er schien sich irgendwie damit abgefunden zu haben – oder vielleicht auch nicht und womöglich war das auch der Grund, warum die Rakijaflasche schon am frühen Nachmittag zur Hälfte geleert war.

Durch den Regen wurden die Kurven, in die ich mich zuvor noch ausgelassen gelegt hatte, zu rutschigen Hindernissen und wir kamen nur schleppend voran. Zum Glück klarte es zwei, drei Stunden später dann aber auch schon wieder auf und wir schafften es bis kurz vor die mazedonische Grenze nach Peshkopia. Den Campingplatz dort hatten mir Eva und Dieter ebenfalls empfohlen, und weil es auf der ganzen Balkanhalbinsel Bären und Wölfe gab und ich außerdem nicht alleine sein wollte, wollte ich die Nacht dort verbringen. Es war schon dunkel, als ich das Zelt aufbaute, aber mittlerweile hatte ich darin ja Erfahrung und hätte es vermutlich sogar mit geschlossenen Augen geschafft. Nachdem alles stand, bekamen wir unverhofft Gesellschaft von einem deutschen Pärchen, das spät abends mit seinem VW-Bus ankam. Ich freute mich, weil wir die letzten Nächte meistens alleine verbracht hatten, und während Mogli Bekanntschaft mit der Katze der Campingplatzbesitzer machte und die beiden sich im Duett anjammerten, tauschten wir drei bei einem Bier Erfahrungen und Geschichten aus.

Einmal mit der Katze um die halbe Welt

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