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1 Tee mit Platon?

Nun, es mag ungewöhnlich sein, mit einem Griechen Tee statt Uzo zu trinken. Doch auf diesem Erdenrund hat mancher gewiß schon Sonderbareres erlebt. Wie eine jüngst zu beobachtende Massen-Hysterie wegen einer Infektion, die auch diesmal bis auf sehr wenige von allen gut überstanden wurde, wie all die Jahrzehnte zuvor. Doch der Kopf wollte es diesmal dramatisch, trotz klarer Daten für den Kopf von klugen Köpfen. Panik statt Besonnenheit und Schulbildung? In aufgeklärten Zeiten? Wahrlich sonderbar und höchst erstaunlich. Nur wenige hinterfragten das alles tatsächlich.

Dagegen ist es mittlerweile vollkommen normal, in einem Teeraum japanischer Art ein paar Meister zu treffen und beim Gespräch über das Leben zu belauschen. Selbst wenn Platon und Heisenberg mit Galileo zugegen sind und auch Maria Montessori.

Gedanklich, versteht sich, denn niemand hat deren DNA im Labor benutzt, um Klone herzustellen. Was zudem äußerst hirnrissig wäre und nur kranke Primaten aus Lebensüberdruß hervorwürgen würden. Denn alles auf diesem Globus ist vollkommen und in ausreichendem Maß vorhanden. Nichts muß künstlich produziert werden. Wasser muß nicht noch nasser werden, die Wolken über Kiel nicht noch grauer und Fische müssen nicht noch schneller wachsen. Nur mehr Verstand wäre global ein deutliches Plus. Doch der muß natürlich wachsen, künstlich kann man den nicht züchten. Ob die Schulpflicht hierbei überhaupt hilft, stürzt Pädagogen derzeit in große Zweifel. Was jedoch die Chance in sich birgt, endlich jenseits kopfgemäßer Daten über das Leben wie bisher, jungen Menschen nun zukünftig reale, zeitlose Zugänge hinein ins tatsächliche Leben zu vermitteln.

Lädt man nun zu einer Teerunde der besonderen Art ein, wählt man gewiß Personen, die Interessantes beizusteuern vermögen. Es gäbe für den Autor andernfalls auch nicht viel, worüber er berichten könnte. Wetthüpfen pubertierender Erdlinge mit einem Fußball? Kennt jeder. Massenaufläufe grölender Horden? Haben wir ständig. H2O schreiben können und dafür eine Durchblickernadel - hat auch jeder. Über die geschlechtliche Vermehrung von Sand gibt es bereits viel Literatur. Und die neuen Socken von Prinz Willi dienen nur als rezeptfreies Schlafmittel. Bliebe noch das Wetter? Oder die Politik? …? Auch diese Sommerloch-Themen sind allesamt längst erschöpft.

Daher begegnet uns hier zunächst also Platon, der für seine klaren Worte und klugen Betrachtungen weithin bekannt ist. Selbst außerhalb der griechischen Inselwelt mit ihren edlen Gyrosbuden, schicken Animations Hütten, unter selbst-verständlich ägäisblauem Himmel. Ohne Wolken, versteht sich. Und stets mit einem Syrtaki unter der Sohle und dem obligaten Balos für Touristen, zum Mitmachen.

Des weiteren wurde ein Herr Dogen* (Lebensdaten der Gäste siehe Anhang) von der Zen-Schule der Soto-Linie eingeladen. Dank viel gutem Grüntee aus dem Land des Lächelns ist dieser betagte Meister immer noch recht rüstig und in aller Munde. Seine zahlreichen Texte wirken zeitlos auch im Land von Bach, Goethe, Kant und Einstein; selbst in Nobelkutschen von Tesla, wie er einmal augenzwinkernd meinte, als man über die auslaufenden Steinzeittechnik von Verbrennungsmotoren sprach und Freie Energie.

Mit ihm kommt - in selbiger Hightech-Sänfte - auch sein Freund Ikkyu von der Lin-Chi (jap. Rinzai) Linie. Meister Ikkyu, eigentlich mag er diese Anrede nicht, war ohnehin zufällig in der Region, wobei er wie sein Kollege Nagaya hierzu bestimmt sagen würde, dass ein Zufall dasjenige ist, was einem zufällt, weil es an der Zeit ist, dass es einem zu-fällt, wie mir sein Schüler P. Zürn einmal verriet.

In solch illustrer Runde darf natürlich Teemeister Juko nicht fehlen, und dessen hochbegabter Kollege Sen Soami (Großvater von Teemeister Sen Rikyu). Der eine verursachte durch Studien bei Dogen und Ikkyu das Vorhandensein des Teewegs und diese Zeilen, der andere motivierte durch seine künstlerischen Fähigkeiten so manchen Zengarten in Heian, das seit langem schon Kyoto heißt. (Und er motivierte den Autor, in Europa und Kanada ähnliches zu bauen. Anm. der Red.)

Ob später noch unerwartete Gäste kommen, sei dahin gestellt. Ausreichend Teeblätter wurden jedenfalls vor Stunden sorgsam zwischen alten Granitplatten zu Pulver gemahlen. Und Wasser aus eigenem Brunnen steht ebenfalls reichlich zur Verfügung. Gemeilerte und gereinigte Kohle desgleichen. Was sich auch über frische Süßigkeiten aus Bohnengelee (Yokan) direkt aus Kyoto sagen läßt. Und für alle Fälle steht sogar ein Schirm bereit.

Auch der `taubedeckte alte Pfad` (Roji) ist mit seinem Moos nahezu blattfrei, die überdachte Wartebank gesäubert, das Becken aus nordischem Basalt hat eine frische Schöpfkelle aus Bambus und der Duft von Ozenko (Räucherstäbchen) motiviert Mücken weiterzufliegen. Sollte jetzt noch etwas fehlen, wäre es ohnehin verzichtbar.

Eine hingehauchte Tuschspur von Meister Sesshu hängt in der Bildnische, (ähnlich der von Tanyu) und eine Vase von Morioka san aus Shigaraki läßt die Blumen wie auf dem Felde ruhen. Eine überdies hilfreiche Idee von Meister Rikyu, die schon manchem seither dienlich war.

Als Autor denke ich gerade, dass jetzt die Gäste kommen könnten - da ruft in den Morgennebel hinein auch schon Meister Kanno: Ohayo gozaimasu! (Guten Morgen).

Hai, irashaimasen, herzlich willkommen, erfolgt die Antwort. Er war zwar nicht erwartet, Paris oder Kumada liegen schließlich nicht gerade nebenan, doch immer gern gesehen, beflügelt er selbst Alte Zenhasen mit seiner eigenwilligen Art. Von der Meister Tokuzen, vormals in Arashiyama, jetzt in Bergisch Gladbach, zu berichten weiß.

Wenig später sind alle eingetroffen und in den Raum hineingeruscht. Die üblichen Gast-Türen dieser Räume aus Zeder, sind mit nur 70 x 70 cm anders nicht zu passieren. Mit der Stille im Herzen, inmitten der lauten Welt mit ihrem sinnentleerten Aktionismus, weitet sich hierbei der kleine Tatamiraum. Physikalisch unmöglich, sagt das gebildete Neuzeitler-ICH, doch erlebbar, bescheinigt der Hara (Energie-Zentrum des Menschen unterhalb des Bauchnabels).

Sesshus Werk in zeitlosem Gestus begrüßt die eine Blume, die auf Buddhas erstes Koan* verweist. Beides läßt alle schmunzeln und sich dem Gesang des Kessel aus anderen Zeiten zuwenden. Sein Säuseln erinnert entfernt an den Klang von knorrigen Kiefern im Gebirge, durch deren silbergraues Geäst die Winde wehen und Krähen rufen.

Das Raunen von Kiefern im Gebirge, eine akustische Fortführung des Gartens? Klang als Qualitätsmerkmal? Falls der Roji überhaupt ein Garten im herkömmlichen Sinne ist, denkt Platon im Rückblick. Nette Blümchen fehlen, eine sichtbare Formgebung ebenfalls, Skulpturen, wie damals in meiner Zeit üblich, glänzen durch Abwesenheit und selbst einen verzierten Marmorbrunnen sucht man hier vergebens. Und auch das Wasser tröpfelt eher leise aus einer Bambusleitung, statt üppig zu plätschern.

Dennoch - so muß ich eingestehen - berührt einen diese Moos-Pflanzen-Trittsteinpfad-Stimmung. Da hier auf alles Ablenkende verzichtet wurde, fördert dies offenbar ein Zur-Ruhe-Kommen.Eine kluge Maßnahme denkt er. Benötigt man tatsächlich nur so

*(Koan sind absurd anmutende, aber lösbare Zenrätsel)

wenig? Nachdenklich schüttelt er den Kopf und geht zu seinem Sitzplatz im viereinhalb Mattenraum (2,7o x 2,7o m).

(Anm.: Japanische Räume sind mit 6 cm dicken Strohmatten ausgelegt, die wiederum mit einer feinen gewebten Grasschicht versehen sind. Ihr Maß, von Webstühlen abgeleitet, beträgt jeweils 90 x 180 cm. Überall, nur in Tokyo sind sie kleiner.)

Tee mit Platon

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