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3 Koicha

Ein Gong kündet dezent vom Ende der Pause. Aus dem langsam heller werdenden Roji (taubedeckter Pfad) kommend, kriechen alle zurück in den Chasitsu.

Bild und Blume wurden ausgetauscht, selbst der Duft von Räucherwerk in der Feuerstelle ist verändert. Statt nur erahnbarer Berggipfel vorhin bei Sesshu, die eine Verbeugung seinerseits vor Meister Yü-Chien (13. Jhd.) sind, schaut uns nun ein Vogel aus der Hand von Meister Joshun an und ein Vers von Meister Enshu: In der Stille der Berge ist selbst der Regen still. Was selbst der Blütenzweig in der Vase zu bestätigen scheint. In einer Vase stehend, die sein Lehrer Oribe einst erschuf. Ob das jeder sieht?, fragt sich Platon, Kanno anschauend, der aber nichts sagt.


Nach sorgsamer Reinigung der Utensilien mit einem Seidentuch, die zuvor hineingetragen wurden, wird nun der sogenannte Dicke Tee (Koicha) zubereitet.

Er ist breiähnlich und wird nacheinander von allen Gästen aus derselben Schale getrunken. Hierbei geht die dunkel glasierte Raku Schale* von Hand zu Hand weiter, nachdem man zuvor die Mundstelle mit speziellem Papier gereinigt hat.

(Heute lebt die XV. Generation Kichizaemon Raku, 1949 -)

Bei einem knappen Gespräch über den Tee und auch die Schale gibt Ikkyu beim Betrachten zu bedenken: Achtsamkeit, Atemtechnik oder ähnliches sind zwar als Grundlage unumgänglich, doch auch sie werden als separate Einzelsaiten eines alles umfassenden und durchdringenden Instruments nicht klingen. Kanno von der Soto-Linie aus Frankreich lächelt.

Selbst die Nutzung aller Saiten ohne einen Resonanzkörper erzeugt immer noch keinen Klang. Dieser entsteht erst, wenn man zu Konzepten jeglicher Art Abstand genommen hat. Wissend, dass nicht wir untauglich sind, sondern nur unsere Konzepte im Umgang mit der Welt. Platon nickt nachdenklich, denn ihm kommen diese Aspekte durchaus bekannt vor.

Ozeki Soen vom Daitokuji: Wirft man die mit Ansichten und Daten angefüllten Konzepte als Bleigürtel unseres üblichen Denkens fort, erfolgt ein Schwimmen im Ozean wie von selbst. Das oft zitierte `Loslassen` bedeutet eigentlich nur: Ballast abzuwerfen, Denk-Ballast. Was man bei dieser Schale von Meister Raku gut sehen kann. Kein Wollen mehr, kein Glänzen mehr, kein Zögern und keine Zweifel. Das jahrzehntelange Drehen half dem Keramiker offenbar, den Kern freizudrehen und die Kruste des Denkens beim Arbeiten wegzudrehen, bis nur noch ein Drehen ohne ein ICH-Drehe übrig blieb. Hier entstand ein Resonanzkörper aus der Stille des Nichts inmitten formloser Leere.

Kanno fügte hinzu: Wenn etwas nicht unbedingt so sein muß, wie wir es uns vorher im Kopf dachten, sondern einfach nur so sein kann, wie es tatsächlich ist, gelingt uns solches. Dann erleben wir die Permanessance des Ganzen, die Essenz des Ungeborenen, wie Bankei sagen würde. Der gerade zustimmend nickt. Und da hierüber gerade geschrieben wird, meint Kanno, gilt es zu bedenken, dass es nur Sinn macht sich gesprochener und geschriebener Worte zu bedienen, wenn allen bewußt bleibt, dass Worte immer nur eine andeutende Brücke sein können.

Schließlich nimmt auch keiner an, dass er schwimmen kann, nur weil er alles über das Wasser weiß. Wofür es ein passenden Bild gibt, meint Sen Soami. Denken Sie einmal an die Darstellung eines Affen, der in einem Baum hängend versucht, den sich spiegelnden Mond auf der Oberfläche eines Teiches zu ergreifen. Tanyu schmunzelt, hatte er doch gerade letzte Woche für Meister Shodo Maeda vom Zuiho-in in Kyoto solch eine Tuschspur angefertigt.

Ohne Ausnahme wird ein wirkliches Verstehen, und vor allem ein Realisieren der Nicht-Zweiheit nur durch ein Sich-Einlassen-Auf für uns Menschen Früchte tragen, fährt Soami fort. Vergleichbar der uns allen bekannten Tatsache, dass wir von gemalten Speisen nicht satt werden, wie Tokuzen sagen würde. Hieran ändern auch edle Datenberge über Atome nichts oder noch so huldvoll ausgeführte Zeremonien. Folkloristische Events bleiben naturgemäß immer nur, was sie sind: Nett erbauliche Aktionen in einem engen und verstaubten Bergtal voller Illusionen. Platon runzelt die Stirn.

Ozeki: Dieses `Loslassen` ist anders gesagt ein, nur `Sich-Einzulassen-Auf`, und zwar auf uns selbst und unser Tun, jetzt und hier. Üben wir dies, narrt uns das ICH-und-die-Welt-Denken, der oft erwähnte Dualismus, nicht mehr. All die Gaukeleien des Kopfkinos finden ein Ende. Zuerst durch ein Bemerken des Kopfkinos, dann durch ein Akzeptieren, dass wir uns selber immer wieder auf den Leim gehen, dann durch ein Auflösen. Sind mit der Zeit all die Bleigürtel verschwunden, können wir entspannt schwimmen. Das erübrigt logischerweise Gurus und sonstige Heilsverkünder. Warum? Weil wir alle diese Fähigkeit längst in uns tragen und alles haben, was wir benötigen. Wir essen doch selber, gehen selber, denken selber, also können wir auch den nächsten, entscheidenden Abschnitt in unserem Leben ebenfalls selber beschreiten. Nutzt man hierzu z.B. den Atem, und das richtige, aufrechte Sitzen und die im Tee-Machen versteckten Koan gelingt uns ALLES.

Tee mit Platon

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