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4 Kochzutaten

Hier merkte Juko an: Man könnte sich selber bei allem wie ein „Koch des eigenen Lebens“ sehen. Nutzen wir hierbei einfach als Grundlage die vier bekannten Kernerkenntnisse:

Ursache, Wirkung, unser Bemühen um Klärung und den Weg hin zur Klärung. Und runden wir außerdem alles mit den acht Tugenden ab:

Wahre Einsicht, wahre Gesinnung, -Rede, -Handeln, - Lebenserwerb, -Streben, -Bewusstheit, -Üben.

Hierbei sind Merkmale wie Shibumi, (kühl verdorrt), oder Yugen (Tiefgründigkeit), Wabi (schlicht und ungekünstelt), Sabi (durch Gebrauch gereift) eine weitere Koch-Hilfe. Stets beachtend, dass all diese Hinweise immer nur ein Zeigen auf den Mond sind (Mond steht symbolisch für Überwindung/Erleuchtung). All diese sind nämlich nur der Finger, der auf ihn weist, nicht mehr. Kanno schmunzelt.

Bereitet man im Laufe der Jahre den Tee und alles andere frei vom Dualismus zu, so gelingt es einem. Jenseits eines:

1. zu viel, zu laut, zu aufdringlich oder

2. dessen Gegenteil,

3. ohne Kompromiss zwischen diesen Gegensätzen,

4. ohne die häufige Einfach-Drauflos-Methode.

Neben unserem üblichen Herumrennen und Funktionieren gemäß zweifelhafter Normen und Wünsche suchen wir seit Urzeiten, bildlich gesprochen, den „Weg ans Meer“, meint Dogen: Wir scheinen zu ahnen, dass dieses Leben anders sein müßte. Denn oft tun wir etwas, dass wir geraume Zeit später anders hätten machen sollen und können. Da ist ein Unterschied zwischen dem `Eigentlich Müßte Es` und dem zuvor `Erfolgten`. Was jeder kennen dürfte. Im „Ozean des Lebens“ zu schwimmen, ohne Schwimmringe, also Ideologien jedweder Art, ist tatsächlich also die uns allen gemäße Natur.

Daher suchen wir nach Antworten und erhoffen eine Entspannung/Auflösung vom Zwiespalt. Wir wollen Endlich-So-Sein-Können, wie wir tatsächlich sind. Was wir tief in uns ahnen. Wobei sogleich die Frage entsteht: Woher kann man dieses ahnen, wenn man es offenkundig selber noch nicht erreicht hat?

Ozeki: Eine interessante Frage mit innen-wohnender Antwort, die weiterführen wird. Mit einer Antwort, die eine Mischung aus Erstaunt-Sein und Vertraut-Sein bildet. So, als käme man nach langer Reise und vielen langen Umwegen und Sackgassen endlich heim.

Daher wollen wir es,

das `Schwimmen im Ozean des Seins`.

Was wir mit unermüdlicher, täglicher Übung umsetzen können. Dann wird Nichi nichi kore ko nichi (Tag für Tag ein guter Tag), ergänzt Tokuzen. Dann sind Drei Pfund Flachs tatsächlich DIE Antwort auf ALLE Fragen der Menschheit. (Was Platon irritiert. Doch er sagt vorerst aus Höflichkeit nichts.)

Juko: In genau dem Moment schmeckt man es, mitten in der Stille des Alltäglichen, mitten beim Trinken von Tee. An schlichtem Ort, in einer Reedhütte am Saum des Meeres. Der Gastgeber aus Lumbini lächelt.

Als Autor sei hier verkürzt erwähnt, dass hiernach auch die Keramikdose aus der japanischen Region Bizen näher und ausgiebig betrachtet wird. Heutzutage als Behältnis für ein Teepulver höchster Güte verwendet, wurden diese Dosen (ursprünglich chinesischer Herkunft) früher für Pillen und ähnliches auf Reisen am Gürtel getragen. Selbst nachdem Japan deren Funktion veränderte und eigene landesweit herstellte (z.B. in Tanba, Seto, Seisei, Shigaraki, Mino, usw.), behielten diese chinesischen Ocha-ire Dosen ihr Ansehen.

Das Nutzen als Teedose für Koicha in wohldosierter Form gab einem langem Gespräch über Gesundheit Anlaß. Über Ernährung in heutiger Zeit, über das unsägliche Manipulieren von Speisen bishin zur unsinnig, überflüssigen Genmanipulation aus unverhohlener Gier. Man sprach über die richtige Menge zur rechten Zeit am rechten Ort und ähnliches. In einem Umfang, der eventuell ein eigenes Büchlein (später?) zu füllen vermag.

Hiernach folgt ein Betrachten des dazugehörenden Brokat-Säckchens mit einem seltenen Webmuster in Form von Kranichen, die als Symbol für Ausdauer und Geduld stehen.

Abschließend wird auch der Bambuslöffel aus der Hand von Meister Bassho angeschaut, natürlich ohne an den zuvor getrunkenen Tee oder das Yokan zu denken. Denn Essen ist Essen, Trinken ist Trinken und Anschauen ist Anschauen.

Der Löffelname Akebono von Meister Sen Gengensai (ca. 1867) weist auf eine Morgendämmerung, genauer, auf den Wechsel einer Epoche in der Geschichte. Was Anmerkungen von Platon mit sich brachte und das Schweigen von Manjushri.

Anschließend werden alle Utensilien hinausgetragen. Nur der Kessel summt weiterhin sein altes Lied über der Feuerstelle. Der Teeraum ist nun so leer wie zuvor. Einzig das Erlebte klingt im Herzen der Gäste nach (oder wo auch immer).

Und Platon freut sich über eine weitere Pause im Garten. Das Seiza Sitzen ist für ihn eine Herausforderung, selbst wenn man die Fakir-Variante mit griechischen Stühlen gewohnt ist.

Im immergrünen Garten durchdringen die ersten Sonnenstrahlen das Blätterdach und geben dem Moos vielfältigste Schattierungen. Ergänzt durch ein Glitzern der Tautropfen, die die Nacht übrig ließ. Ein leichter Wind weht würzigen Duft vom nahen Bambuswald herüber - leicht pfeffrig, mit einer dezenten Note von Mandarine.

Eine beschwingte Leichtigkeit durchströmt alle. Oder nahm die Gravitation zwischenzeitlich ab, da auch die relativ ist? fragt sich Platon, der vor diesem Treffen natürlich schnell alle Wissenschaftsbücher der Neuzeit las, um nicht als zurückgebliebener Bewohner eines Drittewelt-Landes angesehen zu werden. Denn Gravitation kannte man in seiner Zeit nur nach reichlich Uzo mit Diogenes in dessen Weinfass. Mitten auf der Plaka, in Sichtweite zu den Propyläen. Dort, wo Jahre später der fesche Stefanos aus Hydra seine edle Tzatziki-Hütte aus den Resten von vielen Fässern baute. (Anm. eines gebildeten Historikers)

Auch diese zweite Pause mündet im Beenden - ohne Bedauern. Warum sollte man auch an selbst solchen Momenten festhalten, die eher, das wird Platon nun bewußt, einem sanften Wechsel oder Übergang entsprechen, statt einer Unterbrechung.


Abb.: Kiefer mit Mond - Kano Yusen, 1778 - 1815

Tee mit Platon

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