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§ 1 Zum System des Ehe- und Familienrechts
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I. Objektives Recht (Rechtsgrundlagen)
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Die Einteilung des BGB in seine fünf Bücher folgt keiner einheitlichen Gliederung. Treffend sprach Ernst Zitelmann von einer „Kreuzeinteilung“, die unser Privatrechtsgesetzbuch beherrscht.[1] Während sich Schuld- und Sachenrecht systematisch an den Rechtswirkungen orientieren, nämlich den je und je besonderen subjektiven Rechten (Ansprüche und dingliche Rechte), liegen der Einteilung im Familien- und Erbrecht besondere Tatsachen (Tatbestände) zugrunde: Ehe und Abstammung (§§ 1303 ff., §§ 1589 ff.; sowie früher[2] eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem LPartG[3]) einerseits, und der Tod eines Menschen als Vermögensinhaber andererseits (Erbfall, § 1922 Abs. 1).
Dogmengeschichtlich liegt dieser Zweiteilung des BGB (Fünf-Bücher-System) eine doppelte systematische Ausrichtung zugrunde. Schuld- und Sachenrecht gehen auf das römischrechtliche Aktionensystem (actio, lat. Klage) zurück: actio in personam (Klage gegen eine bestimmte Person, Schuldrecht) und actio in rem (Klage auf eine Sache, Sachenrecht). Familien- und Erbrecht entstammen als (eigenständige) Rechtsbereiche dem (deutschen) Naturrechtsdenken des 18. Jahrhunderts, das die Rechtsstellung des Einzelnen als Mitglied bestimmter Gemeinschaften einer besonderen Regelung unterworfen hat (eheliche „Gesellschaft“, elterliche „Gesellschaft“).[4] – Zum Teil wird auch heute noch an einer von der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts (insbesondere G. F. Puchta, 1798–1846) entwickelten monistischen Systemauffassung festgehalten, wonach einziges Systemkriterium des BGB das subjektive Recht sei. Auch im Familienrecht gehe es demnach um ein Herrschaftsrecht an und über die Person eines anderen (Ehegatten, Kind).[5] Demgegenüber ist zu sagen: Mit der (heute unbestrittenen) Stellung eines jeden Menschen als eigenständiges Rechtssubjekt ist die Vorstellung, dieses Rechtssubjekt selbst (also die Person) könne gegenständliches Objekt der Willensherrschaft eines anderen sein, nicht vereinbar.
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Die Ausrichtung von Familien- und Erbrecht an Rechtstatsachen führt im Bereich der Rechtswirkungen dazu, dass sich an die „Ehe“, „Familie“ und den „Erbfall“ sowohl schuldrechtliche als auch dingliche Rechtsfolgen anschließen. Darüber hinaus stellen sich jedoch schwierige Fragen, wenn es um die einzelnen Rechtswirkungen (subjektive Rechte) geht: Gibt es im Familienrecht über schuld- und sachenrechtliche Wirkungen hinaus auch spezifische „familienrechtliche“ Konsequenzen und Rechtslagen? Wie sind diese gegebenenfalls dogmatisch zu behandeln (Anlehnung an Schuld- und Sachenrecht oder Rechtswirkungen sui generis)?[6]
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Das Familienrecht einschließlich des Eherechts lässt sich – wie die anderen Teile der Rechtsordnung – auf der einen Seite als Zusammenfassung der Normenkomplexe verstehen, die sich mit Ehe und Familie beschäftigen (Familienrecht im objektiven Sinne). Auf der anderen Seite beschäftigt es sich mit den innerhalb von Ehe, Familie und Verwandtschaft existierenden subjektiven Rechten (Familienrecht im subjektiven Sinne). Während außerhalb des Familienrechts der (subjektive) Anspruch (vgl. § 194) das Rechtsdenken dominiert, gilt das im Ehe- und Familienrecht primär nur für die vermögensrechtlichen Aspekte. Hier existieren einklagbare und durchsetzbare Ansprüche im Sinne des allgemeinen Anspruchsrechts (vgl. §§ 194 Abs. 2, 207[7]), die ihrerseits wiederum schuldrechtlicher[8] oder dinglicher Art[9] sein können. – Grenzen sind dem subjektiven Recht und dem zivilrechtlichen Anspruchsdenken im Bereich des persönlichen Familienrechts gezogen. Der Ausschluss der Vollstreckung im Ehepersonenrecht (§ 120 Abs. 3 FamFG) ist dafür seit jeher Beleg. Aber die Frage reicht, insbesondere im Hinblick auf die stetigen Entwicklungen im Familienrecht, weiter: Gibt es etwa eine „schuldrechtliche“ Bindung von Ehegattenabsprachen (§ 1356 Abs. 1) oder „verpflichtende“ Sorgerechtsvereinbarungen oder einen durchsetzbaren Anspruch des Kindes auf Auskunft über seine genetische Abstammung (gemäß § 1618a oder § 242, dazu Rn. 599)[10]? Zweifelhaft und strittig ist deshalb, ob und in welchem Umfang im Bereich des persönlichen Ehe- und Familienrechts von Rechtswirkungen im Sinne der „klassischen“ subjektiven Rechte (Ansprüche, absolute Rechte, Rechtsgüter) gesprochen werden kann. Außerdem wird diskutiert, ob die im objektiven Familienrecht vorgesehenen Ansprüche quasi als Annex von Schuld- und Sachenrecht auftreten, oder ob nicht darüber hinaus eine eigenständige Kategorie subjektiver Familienrechte angenommen werden muss, die immer dann in den Blick rückt, wenn der Inhalt eines Rechts einen spezifisch familienrechtlich-immateriellen Gehalt aufweist.[11]
Erster Teil Grundlagen › § 1 Zum System des Ehe- und Familienrechts › I. Objektives Recht (Rechtsgrundlagen)