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a) Ehe als Rechtsinstitut
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In der Funktion als Instituts- bzw. Einrichtungsgarantie sichert Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe in ihrer wesentlichen Struktur und schützt „einen Normenkern des Ehe- und Familienrechts“ vor der Aufhebung oder grundlegenden Veränderung durch den einfachen Gesetzgeber.[21] Aus diesem Grunde muss der Gesetzgeber jedenfalls den ungehinderten Zugang zur Ehe gewährleisten (Eheschließungsfreiheit)[22] und dafür Sorge tragen, dass eine Eheschließung möglich ist (z.B. Einrichtung von Standesämtern). Die Institutsgarantie entfaltet negatorische bzw. bei einer den Grundstrukturen zuwiderlaufenden Rechtsetzung sogar derogierende Wirkung.[23] Darüber hinaus setzt sie voraus, dass im einfachen Recht ein Normkomplex existiert, mit dem die verfassungsrechtliche Gewährleistung ausgestaltet wird.[24] Daraus folgt für den Gesetzgeber der Auftrag zur Ausgestaltung des Rechtsinstituts. Schon daran wird das Dilemma deutlich, nämlich dass der Gesetzgeber scheinbar an einen Normenkern des Ehe- und Familienrechts gebunden ist, den er selbst geschaffen und inhaltlich ausgestaltet hat.[25] Diesem Zirkelschluss entkommt man nur dann, wenn man das, was zum änderungsfesten Wesenskern des Ehe- und Familienrechts gehört, nicht „ohne einen jedenfalls in den Strukturelementen selbstständigen verfassungsrechtlichen Begriff von Ehe und Familie“ bestimmt.[26]
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Dem entspricht es, dass die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG nach Auffassung des BVerfG nicht nur dadurch verletzt werden kann, dass der Kernbestand des bürgerlichen Ehe- und Familienrechts aufgehoben oder strukturell umgestaltet wird, sondern auch „wenn bestimmende Merkmale des Bildes von Ehe und Familie, das der Verfassung zugrunde liegt, mittelbar beeinträchtigt werden.“[27] Diese, dem grundgesetzlichen Verständnis der Ehe zugrunde liegenden Merkmale begrenzen den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung der Ehe, denn die einzelnen Regelungen des bürgerlichen Rechts müssen stets an Art. 6 Abs. 1 GG als vorrangiger, selbst die Grundprinzipien enthaltender Leitnorm gemessen werden.[28]
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Über den Inhalt der institutionell gewährleisteten Grundstrukturen besteht seit jeher weitgehende Einigkeit: Grundsatz lebenslanger Partnerschaft in gegenseitiger Verantwortung, Monogamie, Verschiedengeschlechtlichkeit (dazu Rn. 23 ff.), Freiwilligkeit der Eheschließung, Formalisierung bzw. Öffentlichkeit der Ehe sowie autonome Gestaltung der Lebensgemeinschaft.[29] Laut BVerfG ergeben sich diese Strukturprinzipien „aus der Anknüpfung des Art. 6 Abs. 1 GG an vorgefundene, überkommene Lebensformen in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts und anderen Verfassungsnormen.“[30] Durch diese dreifache Fundierung werden die inhaltlichen Grundstrukturen zwar weniger eindeutig bestimmbar, dafür aber anpassungsfähig an ein gewandeltes Verfassungsverständnis, ohne die über Jahrhunderte tradierten Wesensmerkmale der Lebensform der Ehe preiszugeben.[31]
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Nicht aus den Augen verloren werden darf dabei die Funktion der Ehe als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft (Rn. 17), die durch die unabdingbaren Strukturprinzipien gewährleistet werden soll. Angesichts dessen erscheint das lange Zeit unbestrittene Kriterium der Verschiedengeschlechtlichkeit heute nicht nur nicht mehr zwingend, sondern im Gegenteil als überholt. Es handelt sich zwar um ein seit jeher tradiertes Strukturprinzip der Ehe i.S.v. Art. 6 Abs. 1 GG, an dem die Rechtsprechung des BVerfG bisher festhält; da homosexuelle Partner einander jedoch den gleichen materiellen und immateriellen Beistand gewähren und gleichermaßen Verantwortung füreinander übernehmen können wie heterosexuelle Paare, ist die Geschlechtsverschiedenheit nach hier vertretener Ansicht nicht mehr zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Kern der Institution Ehe zu rechnen.[32] Auch mit Blick auf andere europäische Rechtsordnungen, die zunehmend die gleichgeschlechtliche Ehe einführen, lässt sich ein solcher Verständniswandel kaum noch leugnen.[33] Diese Einschätzung teilt auch der deutsche einfache Gesetzgeber, der „nun hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des traditionellen Eheverständnisses“ sieht, „die angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verfassungsrechtlich zulassen“.[34] Im Jahr 2017 wurde deshalb die „Ehe für alle“ eingeführt (vgl. § 1353 Abs. 1 S. 1).[35]
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In der Gesetzesbegründung wurde ausführlich dargelegt, woran der Gesetzgeber den das Eheverständnis prägenden gesellschaftlichen Wandel festmacht. Während zur Zeit der Verabschiedung des Grundgesetzes Homosexualität noch als sittenwidrig galt und gemäß §§ 175 f. StGB verboten war,[36] änderte sich seit der Aufhebung des strafrechtlichen Totalverbots von männlicher Homosexualität im Jahre 1969[37] nicht nur die rechtliche Praxis, sondern nahm auch die gesellschaftliche Stigmatisierung immer mehr ab.[38] In jüngerer Zeit spiegelt sich das grundlegende Umdenken in der Gesellschaft auf rechtlicher Ebene, worauf die Gesetzesbegründung zutreffend hinweist,[39] in der Einführung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft 2001, der darauf bezogenen Rechtsprechung des BVerfG, mit der verbliebene Unterschiede im materiellen Recht Schritt für Schritt für verfassungswidrig erklärt wurden,[40] sowie in den rechtlichen Konsequenzen der Änderung des Transsexuellengesetzes (TSG) wider,[41] durch die erreicht wurde, dass eine Ehe auch nach der Geschlechtsumwandlung eines Ehegatten unter den dann gleichgeschlechtlichen Partnern fortgesetzt werden kann; infolgedessen gab es schon vor der Einführung der „Ehe für alle“ legale gleichgeschlechtliche Ehen in Deutschland.[42] Im Übrigen verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass allgemein der gesellschaftliche Wandel bei Auslegung von Art. 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen sei, wobei auch die Entwicklungen in anderen (europäischen) Rechtsordnungen „weitere Anhaltspunkte dafür (böten), dass das Konzept der Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten überholt“ und mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien des Respekts vor der Privatautonomie und der Gleichheit vor dem Gesetz unvereinbar sei.[43]
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In der Literatur wird die Gesetzesänderung indes für mit der Institutsgarantie unvereinbar und daher für verfassungswidrig gehalten; eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sei nur durch eine Verfassungsänderung möglich.[44] Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der neue § 1353 Abs. 1 S. 1 nicht den Verfassungsbegriff der Ehe einfach-rechtlich bestimmt. Vielmehr ergibt bereits eine vom materiellen Recht losgelöste Interpretation des Verfassungsbegriffs „Ehe“ angesichts der grundlegenden Veränderungen in der Gesellschaft, dass darunter mittlerweile auch gleichgeschlechtliche Beziehungen gefasst werden können und sollten, da ihnen der gleiche verfassungsrechtliche Schutz über Art. 6 Abs. 1 GG gebührt. Diesen vorgelagerten Schritt vollzieht der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung lediglich nach, indem er das – der Ausgestaltung von Art. 6 Abs. 1 GG dienende – materielle Recht an das gewandelte Verfassungsverständnis anpasst. Selbst wenn man (abweichend von der hier vertretenen Meinung) davon ausgeht, dass dieser Schritt der Gleichstellung verfassungsrechtlich (noch?) nicht zwingend geboten sei, so liegt es jedenfalls innerhalb der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die Ehe auch für homosexuelle Paare zu öffnen.[45]
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Auch der EGMR geht mittlerweile unter Hinweis auf Art. 9 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht mehr davon aus, dass das durch Art. 12 EMRK garantierte Eheschließungsrecht sich nur auf eine Ehe zwischen Mann und Frau beziehen kann. Allerdings bestehe (noch?) keine Pflicht der Konventionsstaaten, die „Ehe“ gleichgeschlechtlichen Paaren zu öffnen.[46] Es muss jedoch ein gewisser rechtlicher Rahmen geschaffen werden: Seine bisherige Rechtsprechung aufgebend nimmt der EGMR an, dass eine gleichgeschlechtliche stabile de-facto-Partnerschaft nicht nur unter dem Gesichtspunkt des „Privatlebens“, sondern auch unter dem des „Familienlebens“ dem Schutz von Art. 8 EMRK unterfalle.[47]
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Demgegenüber ist am Lebenszeitprinzip schon deshalb festzuhalten, weil dies die besondere Beständigkeit der Ehe sichert und damit Vertrauensgrundlage für die Ehegatten ist, sich emotional und finanziell vorbehaltlos aufeinander einzulassen.[48] Das steht der Möglichkeit der Scheidung bei Scheitern der Ehe selbstverständlich nicht entgegen, denn an einer rein formalen Aufrechterhaltung der Ehe gegen den Willen der Ehegatten kann die Verfassung nicht interessiert sein.[49]