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3. Anspruch auf Schadensersatz aus § 1298 bei unbegründetem Rücktritt

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Fall 5:

A und B sind seit kurzem glücklich verlobt. Das Schicksal spielt den beiden indes übel mit. A wird bei einem Unfall, den der Dritte D allein verschuldet hat, schwerstverletzt und pflegebedürftig. B sieht sich mit der Pflege der A überfordert und tritt deshalb vom Verlöbnis zurück. Sind die von A getätigten Aufwendungen für die Hochzeit von B zu erstatten? Abwandlung: Ändert sich etwas, wenn A den Unfall selbst verschuldet hat?

Fall 6:

A und B sind seit kurzem verlobt. A versteht sich indes mit den Schwiegereltern nicht besonders gut. Und auch im Übrigen bereut sie bereits, dass sie sich mit B verlobt hat. A provoziert daher die Schwiegereltern so lange, bis es zu einem endgültigen Zerwürfnis mit diesen kommt. Noch bevor ihr B die Verlobung „aufkündigen“ kann, lässt sie ihn wissen, dass sie „Abstand von der Eheschließung“ nimmt. Sind die von B getätigten Aufwendungen für die Hochzeit von A zu erstatten?

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Relevanz hat der Theorienstreit (Rn. 68 ff.) in erster Linie für die Anwendbarkeit der Ansprüche aus §§ 1298, 1299 und § 1301. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach § 1298 ist nämlich ein wirksames Verlöbnis. Darüber hinaus setzt § 1298 dessen Auflösung durch Rücktritt des Anspruchsgegners ohne wichtigen Grund (§ 1298 Abs. 3) oder durch schuldhafte Veranlassung des Rücktritts des Anspruchstellers (§ 1299) voraus. Anspruchsberechtigt sind: der betroffene Ehegatte, dessen Eltern und dritte Personen, die an Stelle der Eltern gehandelt haben. Ersatzfähig sind Schäden in Form von Aufwendungen und eingegangenen Verbindlichkeiten oder Nachteile, die ein Verlobter dadurch erleidet, dass er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine Erwerbsstellung berührende Maßnahmen getroffen hat, soweit sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen (§ 1298 Abs. 2).[15]

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Schwierigkeiten bereitet die Frage, welche Umstände einen wichtigen Grund i.S.v. § 1298 Abs. 3 bilden und wie sich dieser Grund zum Verschuldenserfordernis in § 1299 verhält. Ändert ein Verlobter seine Meinung dahingehend, dass er die Ehe doch nicht schließen will, stellt ein solcher Gesinnungswandel selbstverständlich einen triftigen Grund für einen Rücktritt dar, aber es ist kein „wichtiger Grund“ i.S.v. § 1298 Abs. 3. Ein rechtlich folgenloser Rücktritt ist nur gerechtfertigt, wenn die Beweggründe auf Ursachen zurückzuführen sind, die nach der Verlobung eingetreten oder bekannt geworden sind. Der andere Verlobte darf auf das Eheversprechen nur insoweit vertrauen (und wird dementsprechend durch die Ersatzpflicht geschützt), als sich die Umstände seit dem Eheversprechen nicht (aus subjektiver Sicht[16]) wesentlich verändert haben. Man kann auch danach fragen, in wessen Risikobereich der Rücktrittsgrund fällt: Ein Wechsel der eigenen Gefühlslage ist dem Lebensrisiko des Zurücktretenden zuzurechnen und stellt deshalb keinen wichtigen Grund dar. Wird hingegen der Verlobte – wie etwa in Fall 5 – bei einem Unfall schwer verletzt und tritt der andere (deshalb) vom Verlöbnis zurück, wird man einen „wichtigen Grund“ annehmen müssen, weil eine Haftung nur eingreift, wenn der Zurücktretende das schutzwürdige Vertrauen des anderen auf das Zustandekommen der Ehe enttäuscht (eine Enttäuschung über den Charakter des anderen, der den Verunfallten mit seinem Schicksal alleine lässt, reicht nicht);[17] kein Verlobter darf indes darauf vertrauen, dass der andere auch bei geänderten Umständen an seinem Eheversprechen festhält (eine solche Bindung wird erst durch die Eheschließung erreicht). Eine moralische Bewertung der Motivation zum Rücktritt muss gleichermaßen unterbleiben wie eine Bewertung der Motivation zur Eheschließung (z.B. aufgrund der guten finanziellen Verhältnisse oder des äußeren Erscheinungsbilds des anderen Verlobten).

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Kann sich der Zurücktretende aber auch dann auf einen „wichtigen Grund“ berufen (mit der Folge, dass seine Ersatzpflicht entfällt), wenn er den zum Rücktritt motivierenden Grund selbst schuldhaft herbeigeführt hat? In Fall 6 wird man das ernsthafte Zerwürfnis mit den Schwiegereltern jedenfalls als wichtigen Grund ansehen können, fraglich ist nur, ob A diesen Grund „schuldhaft“ herbeigeführt hat und wie sich das auf ihre Haftung nach § 1298 auswirkt. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass der Rücktritt als solcher weder rechts- noch pflichtwidrig ist, denn die Eheschließungsfreiheit gebietet ein freies Entscheidungsrecht bis zur Trauung, und damit auch das Recht zur Umentscheidung. Deshalb kann einem Zurücktretenden allein deshalb kein Verschulden im Rechtssinne vorgeworfen werden, weil ein Verschulden ein pflichtwidriges Verhalten erfordert. Als relevante Pflicht, die schuldhaft verletzt werden kann, kommt primär die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 in Betracht (vgl. Rn. 67). Bei einer vorsätzlichen Provokation der Schwiegereltern, die zu einem endgültigen Zerwürfnis führt (Fall 6), liegt eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Verlobten vor. Da ein Verlobter, der den wichtigen Grund schuldhaft herbeiführt und dadurch den anderen zum Rücktritt veranlasst, diesem nach § 1299 ersatzpflichtig ist,[18] ergibt ein Rückschluss aus § 1299, dass er sich dementsprechend nicht selbst auf den Haftungsausschluss in § 1298 Abs. 3 berufen kann, wenn er selbst einem Rücktritt des anderen zuvorkommt (teleologische Reduktion von § 1298 Abs. 3). In Fall 6 ist A daher nach § 1298 schadensersatzpflichtig, ohne sich auf § 1298 Abs. 3 berufen zu können.

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Auch in der Abwandlung von Fall 5 hat A den „wichtigen Grund“, der B zum Rücktritt veranlasst, (also den Unfall) zwar an sich schuldhaft herbeigeführt, dennoch scheidet eine Haftung der A gegenüber B nach § 1299 aus, denn das Verschulden der A bildet in diesem Fall keinen „wichtigen Grund“, weil A keine Pflicht aus dem Schuldverhältnis (also aus dem Verlöbnis) gegenüber B verletzt hat.

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung§ 3 Eheschließung › II. Verlöbnis › 4. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken nach § 1301

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