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2. Rechtsnatur
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Relevant wird der Streit vor allem bei einem Verlöbnis eines Minderjährigen, der dieses ohne Einwilligung der Eltern eingegangen ist. Wer das Verlöbnis mit der h.M.[10] als Vertrag deutet und die §§ 106 ff. anwendet, kommt in Fall 3 weder zu einer Haftung des Minderjährigen nach § 1301 noch zu Ansprüchen aus § 1298. Gegen die Einordnung als Vertrag und eine vertragliche Bindung spricht, dass ein jederzeitiger Rücktritt vom Verlöbnis schon wegen der Eheschließungsfreiheit möglich sein muss und möglich ist (vgl. § 1298). Die Annahme, dass dem Eheversprechen normale Willenserklärungen zugrunde liegen, würde außerdem voraussetzen, dass die Verlobten bereits durch das Eheversprechen Rechtsfolgen herbeiführen wollen, was regelmäßig aber erst durch die Eheschließung bewirkt werden soll. Außerdem sieht § 1298 eine Ersatzberechtigung auch für die Eltern des verlassenen Verlobten vor – dies ist mit einem Vertrag als relativem Schuldverhältnis nicht vereinbar; dass das Verlöbnis (auch) ein Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter sei, wird – soweit ersichtlich – von niemandem behauptet.
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Teilweise wird das Verlöbnis als familienrechtlicher Vertrag sui generis betrachtet. Zu einem wirksamen Abschluss dieses Vertrages komme es nicht auf die §§ 106 ff. an, sondern auf eine besondere „Verlöbnisfähigkeit“, für die teils auf individuelle geistige Reife, teils auf die Ehemündigkeitsvorschrift (§ 1303 analog) abgestellt wird; in letzterem Fall scheidet ein Verlöbnis eines Minderjährigen nunmehr aus, weil die Ehe nur noch durch Volljährige geschlossen werden kann (dazu Rn. 91 f.). Wieder andere gehen von geschäftsähnlichen Handlungen aus, auf die die Normen über Willenserklärungen nur soweit passend entsprechend heranzuziehen seien.[11] Dass mit dieser Ansicht erhebliche Rechtsunsicherheit einhergeht, liegt auf der Hand.
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Überzeugend ist die Ansicht, die im Verlöbnis ein cic-ähnliches Vertrauensverhältnis sieht.[12] Für einen solchen Vertrauenstatbestand bedarf es keiner Willenserklärungen, vielmehr ist nur erforderlich, dass jeder Verlobte durch sein Verhalten in zurechenbarer Weise die Grundlage für ein berechtigtes Vertrauen des anderen auf das künftige Zustandekommen der Ehe setzt. Mit dieser Auffassung lässt sich gut erklären, warum und dass es keine (einklagbaren) Primärleistungspflichten gibt, wohl aber sekundäre Ansprüche wegen enttäuschten Vertrauens. Schwierigkeiten ergeben sich aber daraus, dass man den genauen Zeitpunkt des Verlöbnisses nicht immer sicher bestimmen kann. Beim Verlöbnis eines Minderjährigen – wie in Fall 3 – wird zu dessen Schutz ein dem Minderjährigen zurechenbarer Vertrauenstatbestand in der Regel erst dann anzunehmen sein, wenn die Eltern zugestimmt haben; vorher darf der andere Verlobte nicht auf das Versprechen des Minderjährigen vertrauen.[13] Angesichts dieser Einschränkung der Vertrauenshaftung bei Minderjährigen ist der Unterschied zur Vertragstheorie freilich nicht mehr groß.
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In Fall 3 kann M seine Zuzahlung in Höhe von 500 € daher nicht nach § 1301 zurückverlangen: Die Vertragstheorie begründet dies damit, dass ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter nach §§ 106 ff. kein wirksames Verlöbnis zustande kam, und nach der Vertrauenshaftungslehre fehlt ein haftungsbegründender Vertrauenstatbestand, weil M auf das bloße Versprechen der F nicht vertrauen darf, wenn deren Eltern davon nichts wissen; das bloße Zusammenziehen (das bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung mit Einwilligung der Eltern der F geschah) stellt ebenfalls keine ausreichende Vertrauensbasis dar.
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In Fall 4 wäre das Verlöbnis zwischen A und dem noch verheirateten B nach der Vertragstheorie wohl wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 nichtig.[14] Die Vertrauenshaftungstheorie würde § 138 dagegen nicht anwenden, weil die Verlobung keinen rechtsgeschäftlichen Charakter hat. Erforderlich ist danach nur ein ernsthaftes Eheversprechen, das hier deshalb zweifelhaft ist, weil B noch verheiratet ist. Angesichts des bereits gestellten Scheidungsantrags darf A das Eheversprechen des B jedoch als ernsthaft werten. In einem solchen Fall lässt sich mithin ein hinreichender Vertrauenstatbestand – aus objektiver Sicht der A – bejahen. Die beiden Ansichten kommen also zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › II. Verlöbnis › 3. Anspruch auf Schadensersatz aus § 1298 bei unbegründetem Rücktritt