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Abram will mehr wissen

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Abram sann noch lange über die Sonnenfinsternis nach. Er war beeindruckt. Doch anders als viele der Einwohner des Landes hatte er keine Angst. Für ihn war es ein Naturereignis, wie Haran es erklärt hatte. Sonne und Mond waren sich begegnet. Sie waren nicht zusammengestoßen. Der Mond hatte sich nur vor die Sonne geschoben. Er musste also näher bei der Erde sein als die Sonne.

Wovor hätte er Angst haben sollen? Sonne und Mond waren Gestirne wie all die Sterne. Es waren keine Götter, die den Menschen Glück oder Unglück bringen konnten. Und es waren nicht die Götter in den Tempeln, die die Bahnen der Gestirne lenken konnten. Nicht weil der Mondgott und der Sonnengott sich gestritten hatten, war es zu diesem Ereignis gekommen. Ja, wenn es so wäre, dann wären vielleicht Sonne und Mond zusammengestoßen. Ein Glück, dass die Götter nicht allmächtig waren!

Abram dachte darüber nach, warum die Priester während der Zeremonie ihr Gesicht und ihre Hände nicht zur Sonne, sondern zum Hochtempel und zur Statue des Gottes Nanna im heiligen Raum gewandt hatten. Und er zog daraus den Schluss, dass die Priester die lebendige Kraft des Gottes Nanna, des Mondgottes, in der Statue sahen und nicht im Mond. Also halten sie nicht den Mond selbst für einen Gott, sondern die Statue ist der Gott, der Gott, der den Mond auf seiner Bahn lenkt. Doch wie sollte eine hölzerne, von Gold überzogene Statue eine solche Kraft haben? Weder sie selbst noch ihr Wille, wenn sie überhaupt einen hätte, könnte so etwas tun.

Nein, musste es nicht einen einzigen, allmächtigen Gott geben, der alles erschaffen hat, den Himmel und die Unterwelt, der den Mond, die Sonne und die Sterne lenkt? Der auch die Erde erschaffen hat und alles, was darauf lebt, die Menschen und die Tiere, die Pflanzen, den Sand und die Steine, das Meer und die Flüsse?

Was waren das auf einmal für Fragen?

Abram erschrak, denn das, was er da dachte, war etwas ganz anderes, als was er bisher gehört und als Kind auch geglaubt hatte. Aber es war ein glückhaftes Erschrecken, so wie eine Ahnung oder gar eine neue Einsicht einen Menschen wandeln kann und diese Wandlung in einem Furcht auslöst, weil man nicht weiß, wie sie unsere Zukunft beeinflusst, einem aber zugleich auch ein Gefühl von Freiheit zu einem Neuanfang in einem besseren, bewussteren Leben gibt.

Woher war auf einmal dieser Gedanke, diese Frage in ihm aufgetaucht? Durfte er so denken? Sein Vater und seine Brüder würden ihn auslachen, wenn sie davon wüssten. Nicht zu denken an die Leute, die den Priestern glaubten, oder an die Priester selbst. Sie würden ihn verdammen, ja vielleicht als Gotteslästerer umbringen wollen.

Er wusste, diese Gedanken musste er für sich behalten.

Abram hatte zwar noch keine Antworten auf seine Fragen. Trotzdem glaubte er, dass seine Ahnung richtig war. Davon wollte er sich nicht abbringen lassen. Er wusste, niemand würde seine Fragen beantworten können, weder sein Vater noch die Priester – die schon gar nicht – oder sonst jemand. Er musste sich die Antworten selbst geben. Dazu wollte er aber noch viel lernen und erfahren über diese geheimnisvolle Welt, in der er lebte und die ihn umgab, vor allem aber jene Welt, die er weder mit Händen noch mit seinem Verstand fassen konnte, die er nur mit seinen Augen am nächtlichen Himmel sehen, aber sich nicht erklären konnte.

Abram erinnerte sich, dass schon vor einigen Jahren einmal von einer Mondfinsternis gesprochen worden war. Damals hatte sich der Mond irgendwo versteckt. Nicht einfach hinter einer Wolke. Es musste etwas anderes gewesen sein. Abram konnte es sich nicht erklären. Er selbst hatte es nicht gesehen. Es war mitten in der Nacht gewesen, als er und seine Brüder geschlafen hatten.

Die Priester des Mondgottes müssten ihm erklären können, was damals geschehen war. Weil es ihm keine Ruhe ließ, ging er zum Tempel. Als er auf den großen Platz kam, beschlichen ihn doch Bedenken. Durfte er einfach so hinaufsteigen und fragen? Er ging nicht geradeaus über den Platz, sondern umging ihn am Rand und näherte sich so dem Tempel von der Seite. Er wollte zuerst beobachten, wer da die Treppen hinaufging und herunterkam. Es waren nur wenige, meistens ältere Männer.

Abram drückte sich herum wie einer, der vor dem Haus einer heimlich angebeteten Frau herumschleicht und nicht weiß, ob er bei ihr anklopfen darf, um ihr seine Liebe zu gestehen. So heftig klopfte sein Herz, als er endlich wagte, die erste Stufe der Treppe auf der linken Seite zu betreten. Er schaute sich mehrmals um, ob ihn nicht ein Bekannter sehe. Einen Moment fühlte er sich sicher, als er durch das Tor trat, wo er sich vor den Blicken der Menschen unten auf dem Platz geschützt fühlte. Aber gleich, als er das Tor durchschritten hatte und sich auf der Terrasse nach rechts wandte, erfasste ihn eine neue Beklemmung. Er sah keinen Menschen, weder Priester noch Besucher. Er ging ein paar Schritte, bis er um die Ecke sehen konnte. Auf der Seite war ein kleiner Vorbau. Aus dem Tor kam gerade ein Mann, der wohl, wie Abram wegen seines Gewandes vermutete, ein Priester war.

»Was suchst du hier?«, fragte der Priester den jungen Mann, der in seiner Hilflosigkeit so aussah, als ob er jemanden, vielleicht auch einen Rat oder Hilfe suche.

»Ich möchte mit einem Sternkundigen sprechen«, antwortete Abram.

»Geh hinein und frag nach Sin-Ta«, sagte der Priester.

Abram ging zögernd durch das hohe, schmale Tor und kam in einen Raum, der nur von dem Tageslicht, das durch das Tor hereindrang, erhellt war. Er schaute sich um und sah an einem niedrigen Tisch einen Mann sitzen, vermutlich ein Schreiber. Er trat auf ihn zu und fragte ihn nach Sin-Ta.

Der Schreiber erhob sich und ging, ohne ein Wort zu sagen, durch eine Tür, die in einen andern, düsteren Raum führte.

Abram wartete eine Weile. Dann erschien der Schreiber wieder in Begleitung eines alten Mannes.

»Ich bin Sin-Ta. Was willst du?«, fragte der Mann mit einer Stimme, die in Abrams Ohren angenehm klang.

»Ich heiße Abram. Man hat mir gesagt, dass du ein Sternkundiger bist. Ich möchte wissen, wie das war, als vor Jahren der Mond am Himmel verschwand, so wie vor ein paar Tagen die Sonne.«

»Komm mit mir nach draußen«, forderte ihn Sin-Ta auf. »Ich werde es dir erklären.«

Sie gingen auf die Terrasse. Beide schritten nebeneinander rund um die zweite Stufe des Tempels herum.

»Warum willst du es wissen?«, fragte Sin-Ta.

»Ich weiß, dass der Mond sich vor die Sonne geschoben hat, als sie sich verfinsterte. Aber ich weiß nicht, was geschehen ist, als der Mond sich versteckte. Ich bitte dich, erklär es mir!«, bat Abram.

»Du weißt doch gewiss, dass die Erde eine Scheibe ist, die auf dem Salzmeer schwimmt. Unter der Erde und unter dem Meer ist das Totenreich. In der Nacht steigt die Sonne hinab in den unendlichen Ozean. Sie geht unter der Erde und unter dem Totenreich hindurch. Ihr Licht aber erlischt nicht in der Nacht. Es strahlt von unten, und wenn der Mond rund und voll ist und in der Nacht am höchsten Punkt des Himmels steht und sich die Sonne gerade unter dem Mittelpunkt der Erde befindet, kann es vorkommen, dass der Schatten der Erdscheibe auf den Mond fällt. Dann gibt es eine Mondfinsternis.«

»Ich danke dir, dass du mir das erklärt hast«, sagte Abram und verabschiedete sich.

»Sonst hast du keine Fragen?«, wollte Sin-Ta noch wissen.

»Nein«, antwortete Abram und ging davon.

Sin-Ta war erstaunt, denn Abram machte ein Gesicht, als ob er in seinem Kopf noch Gedanken herumwälze, die heraus wollten und nach Aufklärung verlangten.

Ja, es gab noch viele Fragen, aber Abram dachte nicht, dass Sin-Ta ihm Antworten darauf geben würde. Er war ein Priester. Und Abram wollte doch wissen, was der Mond und die Sonne mit den Göttern in den Tempeln zu tun haben, mit Schamasch, dem Sonnengott, und Nanna, dem Mondgott, oder eben, was die Götter, wie er selbst glaubte, nichts damit zu tun haben. Abram fürchtete, dass Sin-Ta ihn nicht verstehen, ihn vielleicht sogar tadeln und nicht mehr unterrichten würde. Denn es war eine Sünde, an der Gottheit von Schamasch und Nanna und den andern Göttern zu zweifeln. Wie manche Götterstatuen hatte er, Abram, selber in der Werkstatt seines Vaters hergestellt und dabei nichts Göttliches sehen oder empfinden können! Wenn er dies so unverhüllt einem Priester sagte, würde der ihn ganz sicher Sin-Aschar überantworten, der als Vizekönig zugleich auch der höchste Priester und Richter nach dem König war.

Auch mit seinem Vater wollte er nicht darüber sprechen. Terach achtete die Götter und verehrte sie. Für ihn waren die Statuen, die er aus Holz verfertigte, mehr als nur Gegenstände. Sie waren ihm heilig, so wie all seinen vielen Kunden auch, die ihn damit beauftragten und die diese Figuren in ihren Häusern aufstellten und verehrten. Nein, ihn wollte er nicht fragen, nicht verletzen mit seinen Zweifeln. Sollte er ihm sagen: »Deine Figuren sind keine Götter. Es sind Gebilde aus Holz, die genauso verbrennen können wie jedes andere Stück Holz. Du kannst sie zerstören, so wie du schon manches misslungene Werk zerstört hast, wenn es dir nicht gefiel. Und was ist geschehen? Nichts. Was sind das für Götter, die man zerstören kann?«

Abram behielt seine Gedanken für sich. Doch sie ließen ihm keine Ruhe. Denn er wusste selber auch keine Antwort auf seine Fragen.

Ungefähr zehn Tage waren vergangen, seit er mit Sin-Ta gesprochen hatte, als er nach reiflichem Nachsinnen einen Entschluss fasste. Er ging wieder zum Tempel. Aber diesmal überquerte er den großen Platz mit eiligen Schritten und ging zielbewusst auf die mittlere Treppe los. Er schaute weder rechts noch links. Entschlossen stieg er die Stufen empor. Im Vorraum, den er schon einmal betreten hatte, fragte er einen Priester nach Sin-Ta. Der war nicht erstaunt, als er Abram sah.

»Ich möchte, dass du mich in die Lehre der Astrologie einführst«, sagte Abram. Ich möchte mehr über die Gestirne wissen – und auch über die Götter«, fügte er hinzu.

»Ich habe gehofft, dass du wieder kommst«, antwortete ihm Sin-Ta. »Deine Wissbegier hat mir gefallen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du keine Fragen mehr hast. Ich will dich gerne unterrichten.«

Sin-Ta führte Abram in einen Raum, der nur spärlich mit Öllampen, die den Wänden entlang auf hohen Sockeln standen, erleuchtet war. Auf dem Fußboden sah Abram seltsame Kreise und Zeichen eingeritzt.

»Das ist die Sonne«, sagte Sin-Ta und zeigte auf einen kleinen Kreis. »Und dieser Halbkreis ist das Zeichen für den Mond. Und der dicke, lange Strich in der Mitte ist die Erde.«

»Ich habe lange darüber nachgedacht, was du mir gesagt hast«, sagte Abram. »Mir ist aber nicht klar geworden, warum Mond- und Sonnenfinsternisse so selten sind.«

Sin-Ta schien etwas zu überlegen. Dann forderte er Abram auf, mit ihm auf die Terrasse hinauszugehen.

Sie gingen miteinander ein paar Schritte.

»Merke dir die Geschwindigkeit, mit der wir gegangen sind«, sagte Sin-Ta. »Und nun geh zur Treppe. Steig auf die obere Terrasse und dann schau zu mir herab!«

Als Abram über die Brüstung zu dem Priester hinabschaute, rief dieser: »Stell dich genau hier über mich hin. Und nun gehen wir beide im gleichen Schritt wie vorher um den Tempel herum. Wenn du wieder hier angekommen bist, dann schau zu mir herab.«

Abram gehorchte. Und als er wieder zu der Stelle zurückkam, schaute er hinab, sah jedoch den Priester nicht. Erst nach einer Weile kam er um die Ecke.

»Nun komm wieder herunter zu mir«, rief Sin-Ta zu Abram hinauf. Und als dieser bei ihm stand, sagte er: »Du warst der Mond, und ich war die Sonne. Beide kreisen um die Erde herum. Weil aber der Mond näher an der Erde ist, hat er eine kürzere Bahn als die Sonne. Damit wir uns genau übereinander wieder treffen würden, müssten wir noch ein paar Mal um den Tempel herumgehen. So ist es auch mit der Sonne und dem Mond. Darum sehen wir den Mond auch nicht immer zur gleichen Zeit aufgehen. Manchmal kommt er am Abend, wenn die Sonne untergeht, manchmal aber erst um Mitternacht oder sogar gegen den Morgen.«

Abram leuchtete das ein. Doch er überlegte eine Weile. Dann sagte er: »Aber jeden Monat müssten sich doch die Sonne und der Mond einmal treffen.«

»Das stimmt«, sagte Sin-Ta, »wenn der Mond immer auf der gleichen Bahn um die Sonne kreisen würde. Aber das tut er nicht. Meistens geht er unter oder oberhalb der Sonne durch. Nur sieht man ihn dann nicht, weil er zu nahe an der Sonne ist. Wenn er aber genau vor der Sonne hindurchgeht, dann wirft die Sonne seinen Schatten auf die Erde. Dann gibt es eine Sonnenfinsternis. Das kommt aber selten vor.«

»Das hab ich verstanden«, sagte Abram. »Aber wie ist es bei der Mondfinsternis.«

Sin-Ta erklärte: »Ich habe dir erklärt, dass der Lauf des Mondes schwankend ist. Darum geht das Licht der Sonne, wenn sie des Nachts unter der Scheibe ist, an der Erde vorbei, so dass dieses keinen Schatten auf den Mond werfen kann.«

Abram überlegte scharf. Dann müsste die Sonne ja sehr weiter unter der Erdscheibe vorübergehen. Wie sonst könnte der Mond überhaupt in der Nacht leuchten? Aber er wagte nicht weiter zu fragen. Doch wollte er jetzt noch viel über die Sterne erfahren, aber Sin-Ta sagte: »Wenn du alles über die Sterne wissen willst, dann musst du noch oft kommen. Heute habe ich leider keine Zeit mehr für dich. Komm morgen um die gleiche Stunde wieder. Aber du musst mir versprechen, dass du nicht aufgibst, denn es wird lange dauern, bis du alles weißt und es auch verstehen kannst.«

»Ich verspreche es dir«, sagte Abram.

Von da an kam er, so oft er von der Arbeit weggehen konnte, zu Sin-Ta in den Tempel.

Manchmal forderte Sin-Ta ihn auf, nach Einbruch der Dunkelheit zu kommen. Von der obersten Terrasse, die nur die Priester, Tempeldiener und die Tempelschüler, zu denen nun Abram auch zählte, betreten durften, konnte man die Gestirne gut beobachten. Wenn man um den Hochtempel herumschritt, konnte man in alle Himmelsrichtungen sehen. Dies waren für Abram die schönsten Stunden. Denn in der Stadt, zwischen den Häusern, konnte man nur einen ganz kleinen Teil des Himmels erspähen. Und dann musste man schon Glück haben, wenn man einmal ein ganzes Sternbild sehen konnte. Doch hier oben, wenn ringsum alles in dunkler Nacht lag, sah man unendlich viele Sterne leuchten.

Abram erfasste eine tiefe Ehrfurcht vor der Schöpfung, wie er sie so nicht gekannt hatte. Noch nie hatte er das ganze Land in so überwältigender Schönheit unter sich gesehen, wie von dieser hohen Warte aus. Wenn der Mond voll war, sah man bis in die Berge, und der Euphrat er­glänzte silbern im Mondlicht. Am eindrücklichsten aber war der Himmel in jenen Nächten, wenn der Mond nicht über den Horizont stieg. Dann erstrahlten die Sterne viel heller und schienen viel näher als sonst. Einmal sah er das Sternbild des Orions ganz nah über der Erde langsam versinken. Es war, als schwebten feu­rige Kugeln ganz sachte auf die Erde herab. Sin-Ta erklärte ihm, dass sie nicht auf die Erde fallen, sondern weit außerhalb der Erdscheibe niedergehen und nach ihrem Lauf unter dem Totenreich hindurch auf der andern Seite wieder heraufkom­men werden.

Abram erfuhr von Sin-Ta auch viel über die Götter. Er wollte alles wissen, doch er hielt wohlweislich mit kritischen Fragen zurück. Für ihn aber war es unvorstellbar, dass die einzelnen Götter all dies erschafft haben sollten.

Vor allem, wenn er des Nachts den Sternenhimmel betrachtete, kamen ihm solche Gedanken. In dem viereckigen Aufbau auf der Terrasse, hinter ihm in dem Allerheiligsten stand die Statue des Mondgottes Nanna. Er hatte sie noch nie gesehen. Aber er wusste, es war eine viel größere und kostbarere Statue als jene, die er zusammen mit seinem Vater und seinen Brüdern herstellte. Die Statue im Tempel kam nicht aus ihrer Werkstatt. Künstler, die zum Tempelpersonal gehörten, hatten sie geschaffen. Sie bestand aus Holz, das mit Gold überzogen worden war. Sin-Ta erzählte ihm, dass die Priester ihr ein Gewand angezogen und eine kostbare Kette um den Hals gelegt hatten. Schon vor Zeiten habe man ihr in einem feierlichen Ritual den Mund geöffnet. Erst dadurch sei die Statue zu einem lebendigen Gott geworden.

Doch wie sollte ein solcher Gott, von Menschenhand geschaffen, den Lauf der Gestirne bestimmen, wie sollte er den Menschen Heil oder Unheil bringen können? Indem man ihm den Mund öffnete, konnte er gewiss nicht lebendig werden. Er blieb ein Stück Holz. Genau so, wie Menschen ihn geschaffen hatten, könnten sie ihn auch wieder zerstören. Und wie oft schon war ein Gott in einer Stadt verehrt worden und, nachdem die Stadt von Feinden erobert worden war, vernichtet worden. Und wie viele Götter wurden neu erschaffen! Jede Stadt hatte ihren eigenen Gott. Doch in diesen Zeiten, wo immer wieder Krieg geführt und um die Städte gekämpft wurde, wurden oft auch die Götter ausgewechselt. All diese Götter waren von den Menschen abhängig. Der Gott aber, den er, Abram, ahnte, musste ein Gott sein, der ewig war und von dem die Menschen abhängig waren.

Je mehr Abram lernte und je mehr er auch von weisen Männern, die nach Ur kamen, hörte, umso stärker wuchs in ihm die Ahnung und der Glaube, dass dieser Schöpfung die Idee eines einzigen Geistes, der größer sein musste als all die Götter, zugrunde liegen musste.

Abraham

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