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Die Wissenschaft vom Sein

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Wie soll es gehen, sich dem Leben zu anvertrauen – dem Körper, den Gefühlen und dem Geist? In gewisser Hinsicht widerspricht das allen spirituellen Traditionen.

Denn raten diese nicht gerade davon ab, sich dem trieborientierten, instinktgesteuerten Körper zu überlassen? Dem Körper, der anfällig für Krankheiten und Ursache vielfältigen Leids ist und zuletzt sterben wird?

Widerspricht es nicht jeder Vernunft, sich den impulsiven, unbewussten und irrationalen Gefühlen hinzugeben? Denn es gibt ja nicht nur die Sonnenseite von Liebe, Freude und Mut. Warum sollten wir auch unseren verzweifelten Ängsten trauen, zerstörerischer Aggression, besitz­ergreifender Eifersucht oder missgünstigem Neid?

Und sind wir nicht genauso oft von unserem Geist in die Irre geleitet worden: Waren wir nicht immer wieder überzeugt, etwas zu wissen, und hatten letztlich doch nur Behauptungen aufgestellt? Sind es nicht unsere Wertungen, Ideologien und Konzepte, die uns von der lebendigen Gegenwart trennen?

Der Körper, die Emotionen und der Geist sind Ausgangspunkt von tiefen, leidvollen Erfahrungen. Das führt zur Frage: Was passiert, wenn wir Körper, Emotionen und Geist ablehnen, ihnen misstrauen? Wie bleiben wir mit dem Leben verbunden? Woran können wir uns stattdessen orientieren? Was hilft uns zu erkennen, ob wir uns in Richtung Wachstum, Entwicklung und Freiheit bewegen oder wir stattdessen ausweichen, vermeiden und uns täuschen?

Zunächst ist es hilfreich zu erkennen, dass die Kategorien Richtig oder Falsch, Ja oder Nein, Vertrauen oder Misstrauen auch nichts weiter als Konzepte des Geistes sind. Das Leben vollzieht sich aber in dem differenzierten, oft chaotischen und spontanen Raum zwischen Schwarz und Weiß. Es besteht nicht nur aus reinem Licht oder vollkommener Dunkelheit. Unsere Existenz erscheint immer in unzähligen Schattierungen und Farben.

Können wir also eine Neugier in uns spüren, ein Interesse, diesen Zwischenraum, dieses Spektrum zu erforschen? Können wir wahrnehmen, wie dabei Mut aufkommt – eine zarte Kraft – und mit ihm die Bereitschaft, uns auf etwas Neues einzulassen? Wo in uns können wir diesen Mut spüren? Können wir ihm etwas Raum geben? Vielleicht möchten wir seine Energie in Bewegung setzen, ganz körperlich. Anfangs noch vorsichtig, einen Fuß nach dem anderen, später selbstbewusster, spielerisch oder lustvoll. Hier geht es entlang! Körper, Emotionen und Geist agieren jetzt aus einer verbundenen Mitte. Diesem Impuls gilt es zu vertrauen.

Dazu fragen wir uns in einem ersten Schritt: Was verbindet das Yoga mit den Ebenen Geist, Emotionen und Körper? Für die Antwort unternehmen wir eine weite Reise: zweieinhalb Jahrtausende zurück bis zu den Wurzeln des heutigen Yoga.

Die damals entstandene Sankhya-Philosophie ist eine kosmische Evolutions- und zugleich spirituelle Befreiungslehre. Um ihre Relevanz für eine zeitgemäße Yogapsychologie zu verdeutlichen, stelle ich sie hier der Entwicklungsbiologie gegenüber. Dabei werden wir sehen: Fühlen, Denken und Handeln sind unterschiedliche Facetten ein und derselben Quelle.

Verkörperter Wandel

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