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Willkommen in der schönen neuen bunten Welt

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Jetzt macht sich angesichts der Anschuldigungen, die ich gegen bemühte Eltern und rastlose Gesellschaftspolitik erhebe, wohl gerade Empörung breit. Die Gegenbeweise liegen doch auf der Hand! Noch nie haben wir uns so bewusst für ein Kind entschieden, noch nie wurde so viel über Kinder geschrieben und gelesen, noch nie so viel in Kinder investiert, denn dass Kinder eine teure Angelegenheit sind, weiß heute jeder. Dennoch lassen wir sie als Gesellschaft substanziell im Stich und weigern uns als Eltern, unseren Erziehungsauftrag zu erfüllen. Der unterschiedlich ausfallende Protest der Kinder, der sich in diversen Auffälligkeiten niederschlägt, ist erst der Anfang. Denn irgendwann werden sie ja doch erwachsen oder zumindest ausgewachsen sein.

Um zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, müssen wir die Uhr ein paar Jahre zurückdrehen und die Entwicklungen Revue passieren lassen.

Vor gar nicht allzu langer Zeit war die Welt noch sehr eindeutig und simpel gegliedert. Es gab die Guten auf der einen und die Bösen auf der anderen Seite. Das war bequem und vermittelte ein Gefühl von Sicherheit, Überblick, Kontrolle und natürlich Zugehörigkeit – Zugehörigkeit zu den Guten versteht sich, denn egal auf welcher Seite man stand, man gehörte immer zu den Guten! Wichtig war nur, dass es zwei Seiten gab, denn darauf gründete das ganze Spiel. Und natürlich darauf, dass man es möglichst schwer machte, die andere Seite kennenzulernen und sie als gefährlich verkaufte. Man zitterte vor den anderen, pflegte seine Abgrenzung und fühlte sich in der eigenen Haut wohl und bestätigt. Auf diese Weise gelingt es solchen Systemen besonders identitätsspendend zu werden. Und es tut ausnehmend wohl, wenn man weiß, wer man ist und dieses Wissen nicht erst Stück für Stück mühselig erwerben muss, wie es heute im Zeitalter der unbegrenzten Möglichkeiten und vor allem der unterschiedlichsten Wertvorstellungen der Fall ist.

Für mich bedeutete das in meiner Jugend, dass alle Bösen hinter dem Eisernen Vorhang saßen, während ein imaginäres kollektives »Wir« im Westen a priori die Guten verkörperte. Das führte dazu, dass eine Reise nach Budapest einem Abenteuer glich, das von Kommilitonen bewundert und durch stundenlange Grenzkontrollen durch finster dreinblickende Beamte behindert wurde. Es zwang einen auch, einen Blick auf Stacheldrahtverhaue, Hundepatrouillen, Maschinengewehre und Wachtürme samt grellen Scheinwerfern zu werfen, was wohlige Gänsehaut verursachte und die Idylle der eigenen Lebensart im wenige Kilometer entfernten Wien bestätigte. Bukarest fühlte sich von seiner Erreichbarkeit her an, als würde es auf den Osterinseln liegen, und die Berliner Mauer allein war schon die Verkörperung der schwarzen Macht.

Es herrschte ein Gleichgewicht des Schreckens, aber immerhin ein Gleichgewicht. Das war schon einmal etwas, auf dem man aufbauen und in dem man einen sicheren Rahmen und einen Platz finden konnte. Von dem aus konnte man unter den klaren Wertevoraussetzungen dieser Gesellschaft schaffen oder auch raffen wie man wollte. Wie heißt es doch so schön: Gib mir einen festen Punkt und ich hebe die Welt aus den Angeln!

Dann kam die Wende und mit ihr der Sieg unseres Teiles der Welt und damit unserer Werte. Da wir für uns die Rolle der »Guten« beanspruchen konnten und uns Demokratie, Wohlstand, Kapital und Konsum auf die Fahnen geheftet hatten, war das natürlich besonders fein. Die Gründe für den Zusammenbruch der Sowjetunion als Protagonisten der »bösen anderen« lassen wir hier beiseite, auch wenn sie in ihrer Tiefendynamik jenseits von Politik höchst spannend sind.

Doch wir wollen uns hier zügig auf die Misere unserer Kinder konzentrieren, die wir verkauft, instrumentalisiert, betrogen haben und in der sensiblen Zeit des Aufwachsens und der Orientierungssuche einfach im Stich lassen. Wir wollen uns anschauen, wie die Antwort aussehen wird, die sie uns bald geben werden. Dafür müssen wir uns vorher aber im Tiefengebälk unseres psychologischen Kellers mit den Auswirkungen unseres Sieges und damit mit den gesellschaftlichen Überzeugungen auseinandersetzen, die sich in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten entwickelt haben.

Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden

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