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ENDOMETRIOSE IST NICHT GLEICH ENDOMETRIOSE

WACHSTUMSMUSTER UND WACHSTUMSPHASEN

Endometriose kann viele verschiedene Wachstumsmuster aufweisen. In den meisten Fällen liegen Kombinationen dieser vor:

 nodulär (knötchenförmig)

 vesikulär (bläschenförmig)

 polypös (meist gestielte Ausstülpung von Schleimhaut)

 plaqueartig (dünner Belag)

 zystisch (mit Blut gefüllt)

 infiltrativ (in Gewebe/Organe hineinwachsend)

Bei der peritonealen Endometriose (siehe Seite 37) tritt die Endometriose in verschiedenen Farben in Erscheinung, woran man verschiedene Aktivitätsstufen ablesen kann: Es gibt aktive rote Herden, die fleißig neue Blutgefäße sprießen lassen. Das gesunde Umgebungsgewebe reagiert dabei wie damals unsere Dorfjugend auf Junggesellenfesten: Jungs, kommt alle herbei – Schlägerei! Nur das im Fall der Endometriose Zellen des Immunsystems zusammengetrommelt werden. Die Zytokine unter ihnen wollen die Störenfriede von ihren Opfern, den gesunden Zellen, abgrenzen. Bei diesem Prozess werden die roten Herde umgewandelt in schwarze und schließlich in inaktive weiße Herde, die über Jahre in einen Dornröschenschlaf fallen können. Und wie Dornröschen können sie leider auch wieder wach geküsst und aktiviert werden – sehr wahrscheinlich von einem Prinzen mit dem schönen Namen »Progesterondefizit«, auch bekannt unter seinem Alias »Östrogendominanz«. Es ist ein Zustand, in dem mehr Östrogen als der Gegenspieler Progesteron im Körper vorhanden ist. In diese hormonelle Dysbalance gerät man zum Beispiel oft nach Absetzen von Hormonpräparaten oder am Anfang der Wechseljahre, sodass die Endometriose in diesen Zeiten besonders gerne wieder aufblüht.

FORMEN DER ENDOMETRIOSE

Die Formen der Endometriose werden nach dem Ort ihres Vorkommens benannt – ein wahrer Spaß für Freunde der lateinischen Deklination:

Endometriosis genitalis interna

Diese Form der Endometriose wird auch Adenomyosis uteri et tubae genannt. Da mutet der häufiger gebräuchliche Name »Adenomyose« fast umgangsprachlich an. Es sind Endometrioseherde, die in der mittleren, aus Muskelgewebe bestehenden Schicht der Gebärmutter (Myometrium) oder in der Eileitermuskulatur wachsen. Man schätzt, dass fast die Hälfte aller Frauen mit Endometriosis genitalis externa auch eine Adenomyose haben.

Endometriosis genitalis externa

Diese Form der Endometriose breitet sich im kleinen Becken auf der Gebärmutter und um diese herum aus, zum Beispiel auf den Haltebändern der Gebärmutter, auf den Eileitern, den Eierstöcken, auf dem Bauchfell oder im Douglas-Raum (taschenförmige Aussackung des Bauchfells zwischen Gebärmutter und Darm). Es ist die häufigste Form der Endometriose. Sie wird in drei Gruppen eingeteilt:

 ovariell (die Eierstöcke betreffend)

 peritoneal (das Bauchfell betreffend)

 rektovaginal (zwischen Enddarm und Scheide)

Endometriosis extragenitalis

Diese Form der Endometriose befindet sich entweder in Nachbarschaft des kleinen Beckens oder in ferneren Körperregionen. In Nachbarschaft liegen etwa Blase, Darm, Ureter (Harnleiter). Weiter entfernt sind da schon Zwerchfell, Nabel, Lunge oder Gehirn.

Tief infiltrierende Endometriose

Als tief infiltrierende Endometriose (TIE) wird der tiefe Befall des Septum rectovaginale (dünne, bindegewebige Trennwand zwischen Scheide und Mastdarm), des Fornix vaginae (Scheidengewölbe, das einen Teil des Gebärmutterhalses erfasst), des Retroperitoneums (Strukturen hinter dem Bauchfell, sind nicht vom Bauchfell umschlossen, zum Beispiel Beckenwand) sowie des Darms, Ureters und der Harnblase definiert.

Alles in allem passt meine Endometriose perfekt zu mir. Ich kann mich oft nicht entscheiden. So habe ich auch dieses Mal einfach bei allen Endomentrioseformen laut »Hier!« gebrüllt.

STADIEN DER ENDOMETRIOSE

»Ich bin Grad IV. Und du so?« Oft tauschen sich Betroffene über die Stadien ihrer Endometriose aus. Mich persönlich hat das noch nie sonderlich interessiert, da es nichts über die Beschwerden aussagt. Vielleicht ist es manchmal ganz interessant, wenn man seinen OP-Bericht besser verstehen will. In meinem Bericht steht allerdings nichts von einem Stadium, da es noch kein Standard ist, dieses zu protokollieren. Es würde allerdings zu einer besseren Verständigung von Operateur zu Operateur führen. So wüsste der Chirurg der Folge-OP, was sein Kollege in der vorherigen vorgefunden hat.

In der Endometrioseklassifikation ist der rASRM-Score der American Society of Reproductive Medicine am Weitesten gebräuchlich. Dieser erfasst allerdings nur die ovarielle und die peritoneale Endometriose und sagt, wie gesagt, nichts über Schmerzen und Infertilität aus, sondern lediglich über das Ausmaß der sichtbaren Ausbreitung:

I.Minimaler Befall
II.Milder Befall
III.Mäßiger Befall
IV.Starker Befall

Später erarbeitete man den ENZIAN-Score, um auch die tief infiltrierende Endometriose (TIE) und die retroperitoneale Endometriose zu erfassen, als auch Manifestationen in Rektum, Sigma oder an der Blase. Hier werden die drei Hauptachsen beschrieben und die aufsteigenden Stadien differenziert. Raumachse A steht für die Ausdehnung der tiefen Infiltration entlang dem Douglas bis in die Scheide, B für die Ausdehnung entlang der Beckenwand und C für die Organüberschreitung in Richtung Darm. Hinzu kommen drei Schweregrade: kleiner als 1 cm, zwischen 1 bis 3 cm und größer als 3 cm.

Aber auch der ENZIAN-Score sagt nichts über Schmerz und Sterilität aus. In dem Sinne kann eine Klassifizierung auf dem Papier auch negative Folgen für die Betroffene haben, etwa bei der Beantragung von einem Grad der Behinderung (GdB) oder der Teilerwerbsrente. Da kann man die stärksten Symptome haben – steht in einem Bericht »Minimaler Befall und A1«, sagt der Amtsarzt unter Umständen dann trotzdem: »Abgelehnt – der Nächste bitte!«

Den subjektiven Schmerz der Patientin stellen manche Kliniken mit der visuellen Analogskala VAS dar. Dabei wird die Patientin gefragt, wie stark sie den Schmerz empfindet, beispielsweise auf einer Skala von 1 bis 10. Hier wäre wünschenswert, dass die VAS-Werte bei Endometriose grundsätzlich Eingang in behördliche Beurteilungen finden.

DIE ENDOMETRIOSE-BULLSHIT-LOTTERIE – EINEN DIESER SÄTZE ZIEHT MAN IMMER!

 Wie, es geht dir schlecht? Du siehst gar nicht krank aus!

 Du bist doch jetzt gesund, wurdest doch operiert!

 Beobachte dich nicht immer selbst so genau!

 Du musst mehr unter Leute gehen!

 Du schläfst zu wenig!

 Du schläfst zu viel!

 Du musst mehr Sport treiben!

 Warum isst du das denn jetzt nicht?

 Wie, du trinkst keinen Alkohol?!

 Du musst positiv denken!

 Probier doch mal …

 Das hab ich auch schon mal.

 Wir werden alle nicht jünger.

 Das ist der Stress!

 Bist du heute nicht gut drauf?

 Guck doch nicht so unglücklich!

 Entspann dich!

 Wir gehen zu Fuß!

 Vielleicht hättest du die Hormone doch weiternehmen sollen …

Nicht ohne meine Wärmflasche

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