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Alle Jahre wieder

An Neujahr habe ich einen wichtigen Vorsatz gefasst: In diesem Jahr lasse ich mich weder zu Weihnachten stressen noch in den als besinnlich titulierten Wochen, in denen die Zeit schneller als sonst im Jahr rennt. Soll sie doch rennen wie ein Wiesel – ich werde schlendern, ganz gemütlich.

Selbst im Kindergarten meiner Tochter gibt es für die Kleinsten ein Programm zur Entschleunigung in der Adventszeit. In diesem Jahr, habe ich beschlossen, entschleunige ich mit. Auch deshalb stürzen wir uns nicht wie Lemminge in die Massenwanderung Richtung Alpen, um dann wie zu Hause ohne Schnee zu feiern.

Die Zauberformel zur Entschleunigung heißt unnötigen Ballast abzuwerfen, Organisation und Aufgaben vorzuverlegen. Gleich nach den Sommerferien habe ich mich daher um die Weihnachtsgeschenke gekümmert (leider hatte niemand aus der Familie um diese Zeit Wünsche, ich musste also kreativ werden). Ich habe sechs Stollen zum Einfrieren im ungewöhnlich warmen, um nicht zu sagen, tropisch-heißen Altweibersommer im Trägerkleid gebacken und bei weit geöffnetem Fenster Weihnachtsmusik zur Einstimmung sehr zum Erstaunen des Postboten gehört, während mir die Schweißperlen die Wirbelsäule herunterrannen.

Ganz stressfrei lassen wir uns den Weihnachtsbaum in diesem Jahr nach Hause liefern. Alles, was andere Frauen sonst vor dem Fest der Feste beschäftigen könnte – ausgiebiges Shoppen, Wellnesswochenenden, Weihnachtsmärkte, Pediküre, Maniküre, ein paar überflüssige Kilos mit einem adretten Personal Trainer ab- und die seelische Verfassung gleichzeitig aufbauen, Detox, Botox ... Darauf verzichte ich freiwillig.

Gut, es bleibt dennoch ein wenig zu tun, stelle ich fest, als ich am Montag nach dem ersten Advent meine Liste begutachte.

Folgende Aufgaben stehen an: Geschenke verpacken (sechs bis zehn Stunden), sechzig Weihnachtskarten schreiben (macht vier pro Tag à fünfzehn Minuten, wenn sie rechtzeitig eintreffen sollen), mindestens fünf Chargen Plätzchen backen, allein schon, um Nikolausgeschenke zu haben (dafür brauche ich gefühlt drei Tage; apropos Nikolaus, da muss ich mir noch ein paar Gedanken machen), Weihnachtsgarderobe aussuchen (purer Luxus, ich weiß, trotzdem, den gönne ich mir. Stunden: ?), Festtagsmenü planen (klingt hochtrabend, aber erfordert eben ein bisschen mehr Sorgfalt als ein Nullachtfünfzehn-Braten zum Wochenende, zumal sich kurzfristig Familie angesagt hat, da sie mitbekommen hat, dass wir nicht verreisen). Und deutlich weihnachtlicher könnte unser Haus aussehen ...

Saisonal bedingt, alle Jahre wieder, kommen andere Extras hinzu: Meine Schulkinder schreiben Arbeiten bis zum Abwinken, wobei sie auch auf elterliche, sprich, mütterliche Unterstützung angewiesen sind. Und der Garten, nun ja, schön wäre es, wenn ich wenigstens den Rasen vor dem ersten Schnee (immerhin muss man diese Eventualität auch im Flachland in Betracht ziehen) vom Laub befreien könnte.

Tante Herta, die sich selbst bei uns eingeladen hat, bittet um Rückruf, da sie wissen möchte, welches Programm an Heiligabend bei uns stattfindet.

Nicht als Pflichten zähle ich die obligatorischen vorweihnachtlichen Treffen im Verwandtschafts- und Freundeskreis, denn das ist Eustress, alles ganz positiv und entspannend.

Meistens zumindest.

Nachdenklich starre ich am Montagmorgen nach dem zweiten Advent auf meine Liste. Organisation ist gut. Aber es gibt eben diese unvorhersehbaren Dinge – nennen wir sie Überraschungen des Lebens –, die sich als gnadenlose Zeiträuber entpuppen können.

Leider habe ich mir beim Genuss einer Weihnachtsprinte mein schönes Inlay herausgebissen (der Zahnarztbesuch war unabdingbar, ohne Termin drei Stunden Wartezeit!). Geschenkt, kann passieren. Ebenso wie der Rohrbruch im Keller, ein Geschirrspüler, der sich aus unerfindlichen Gründen weigert, das Geschirr zu waschen, und der Verdacht auf Gehirnerschütterung bei meiner Tochter, nachdem sie beim Lustig-lustig-tralala-Tanzen im Kindergarten mit einem anderen Kind zusammengestoßen ist.

Das Telefonat mit Tante Herta steht noch aus und mir bevor. Zur Ablenkung schaue ich zum Fenster hinaus: Heute schneit es. Ununterbrochen. Keineswegs besinnlich, sondern kräftig wie in den Bergen. Der Wetterbericht sagt Schneefälle auch für die kommenden Tage an. Die Freude der Kinder bedeutet für mich: Chaos auf den Straßen und ausgiebiges Schneeschippen.

Uff! Darauf trinke ich erst einmal einen Zeit-für-mich-Tee.

In der Ruhe liegt die Kraft.

Montag nach dem dritten Advent. Offen und ehrlich – irgendwie sieht meine Liste nicht so aus wie erwartet. Okay, Teile – Großteile – sind erledigt, aber es gibt leider immer noch Geschenke, die nicht verpackt, und mehrere Weihnachtskarten, die nicht geschrieben sind. Und woran liegt das? Ganz klar: an den außerordentlichen Ereignissen der letzten Woche.

Im Kindergarten suchten sie dringend Eltern zur Unterstützung beim Plätzchenbacken. Meine Tochter sah mich mit bittenden, flehenden, kurzum unwiderstehlichen Augen an. Warum suchen sie immer mich?

Auch mein Mann ist bisweilen für eine vorweihnachtliche Überraschung gut. Meist hängt es damit zusammen, dass Unvorhergesehenes auf der Arbeit passiert (wie sehr häufig) und ich sein Auffangbecken, groß wie ein Ozean, für seine unerledigten privaten Aufgaben werde. (Dass an der Weihnachtsfeier seiner Firma in diesem Jahr die Partner pflichterwünscht waren, war ihm hingegen „durchgerutscht“. Fünf Stunden habe ich abgezweigt von meinem Zeitkonto für seine Kollegen.)

UND: Warum muss sich der attraktive Personal Trainer ausgerechnet bei meiner Freundin so unprofessionell verhalten, dass sie zwar mit zehn Pfund weniger, dafür aber mit gebrochenem Herzen zurückbleibt und unser Telefon heißläuft?

„Da lobe ich mir die Funklöcher in den Bergen“, lautete der einzige Kommentar meines Mannes zum Leid meiner Freundin nach unserem mehrstündigen Telefonmarathon.

Immerhin sind Stunden der sozialen Kontakte die besten Stresskiller, lese ich immer wieder, quasi Entschleunigung pur. Ich sollte dankbar sein für mein weit gefächertes soziales Umfeld.

Apropos: Tante Herta!

Ein Tag vor Heiligabend, Montag nach dem vierten Advent. Alles geschafft! Auch dank zweier Nachtschichten. Musste sein, denn unseligerweise ist mir ein Magen-Darm-Virus (zwar nur ein vierundzwanzigstündiger, dafür gerecht auf alle Familienmitglieder verteilt) in der letzten Woche in die Quere gekommen. So mir nichts, dir nichts bin auch ich in den Genuss einer Radikalkur gekommen (Detoxing und Gewichtsabnahme kombiniert).

Sogar die Last-minute-Geschenke sind rechtzeitig eingetroffen. (Erst eine Woche vor Weihnachten fällt meiner Familie ein, welche dringenden Wünsche sie an den Weihnachtsmann hat.) Übernächtigt, mit Augenringen groß wie Untertassen, sitze ich vor meiner Liste, die nichts als durchgestrichene Posten enthält.

Bravo!

Daneben liegt – leider – die neue, nicht eben kurze Liste für morgen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Verwandtschaft anrücken, sich in unserem Haus verteilen: Tante Herta, die darauf wartet, dass das Programm endlich beginnt, Onkel Gerhard mit seinem laut piepsenden Hörgerät, Tante Brigitte, die ihren sabbernden Hund niemals alleine lässt ...

Bin ich gestresst? Hmm.

Einmal tief durchatmen, dazu ein mentales Schulterklopfen. Na also, geht doch!

Bis zur Eröffnung des Weihnachtsspektakels sind es genau siebzehn Stunden – und sechsunddreißig Minuten.

Das schaffe ich. Locker!

So wie ich es mir zu Beginn des Jahres vorgenommen habe.

Na ja ... also fast so.

Bettina Schneider, Jahrgang 1968, lebt in Berlin, verheiratet, zwei Kinder und ein Hund, Studium der Betriebswirtschaftslehre, im Anschluss zehn abwechslungsreiche Jahre im Rechnungswesen in der Privatwirtschaft, heute Freiraum für kreative Tätigkeit. Sie schreibt mit Begeisterung Kurzgeschichten und Erzählungen, einige davon sind veröffentlicht.

Wünsch dich in Wunder-Weihnachtsland Band 11

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