Читать книгу Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1 - Martina Meier - Страница 17

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Kinderkram

Jetzt leuchten sie wieder, die Sterne und Weihnachtsmänner, die sie über die Straße gespannt haben. Was geht’s mich an. Ich werfe einen knappen Blick nach oben, schwinge meine Sporttasche über die Schulter und mache mich auf den Weg zum Training, wie jeden Mittwoch. Ärgere mich nur, dass ich Mütze und Schal tragen muss. Bis zur nächsten Ecke. Dann reiße ich das Zeug herunter. Der Winter ist zu lang, als dass ich das Gewurgel um den Hals ertragen könnte.

Blöd ist, dass wir das Konditionstraining draußen machen. Die kalte Luft brennt in der Lunge. Wenn der Hals kratzt, dann ist jedenfalls das Training schuld. Nicht der Schal. Der fehlende Schal, meine ich. Und dass Schokolade mit rauem Hals nur halb so gut schmeckt, weiß jedes Kind. Ist doch gerade die Zeit für Schokolade. Schokolade und Plätzchenbacken. Haben wir früher auch gemacht. Jetzt habe ich keine Zeit mehr, nachmittags Teig zu stechen. Oder keine Lust. Nenn’ es, wie du willst. Jedenfalls ist Weihnachten was für kleine Kinder, so ist das. Glänzende Augen und Weihnachtsmänner mit Wattebart. Ich glaube daran schon lange nicht mehr. Ich KANN nicht mehr daran glauben, was die Sache irgendwie auch traurig macht.

Mir läuft bereits der Schweiß, da sehe ich plötzlich ein kleines Kind neben der Finnbahn hocken. Es ist schon dunkel. Was macht ein kleines Kind um diese Zeit auf dem Sportplatz? Es kickt einen roten Gummiball, nicht ungeschickt, hin und zurück.

„He“, rufe ich, „Kleines. So spät noch unterwegs?“ Aber es hört nicht. Es ist zu konzentriert und mich ruft mein Trainer: „He, schon müde?“

Müde bin ich allerdings, als ich nach Hause komme. Gerade rechtzeitig zum Weihnachtsbaumschmücken, wie Mama freudig bemerkt. Ja, ich hänge sie noch mit auf, die Rausche-Engel und Strohsterne. Das silberne Lametta. Aber es pikt mich an den Händen, und irgendwann wär’s mir lieber, den Film im Ersten zu schauen. Ich mag es Mama und Papa aber nicht sagen. Sie haben glänzende Augen und denken, ich freu’ mich ebenso. Ja, doch.

„Muss mal kurz aufs Zimmer“, sage ich, als wir bei den Kugeln angelangt sind, und mache auf halbem Weg im Schlafzimmer halt, wo ein zweiter Fernsehapparat steht. Nur kurz hineinlinsen, wie er anfängt, der Film im Ersten.

Ich springe mit gekonntem Schwung auf das breite Bett mitten auf die große Decke. Und spüre zu meiner Überraschung ein kleines Knäuel unter mir. Wir haben keine Katze. Also schaue ich vorsichtshalber nach, was sich dort versteckt haben könnte unter der blauen Decke mit lila Blumen darauf. Das kleine Kind vom Sportplatz. Aha. Aha?

„Sag mal!“, frage ich. „Hast du kein Zuhause?“

Das kleine Kind nimmt keine Notiz von mir. Es hat nicht einmal bemerkt, dass ich auf es draufgehüpft bin. Wohlig eingekuschelt liegt es unter der Decke mit den Blumen und atmet Mamas Geruch, als sei dies das Selbstverständlichste der Welt.

„He, spinnst du? Raus mit dir!“

Aber es denkt nicht daran. Es schlummert bereits. So einen Schlaf möchte ich haben. Das Kind drücken offenbar keine Träume über verpatzte Klassenarbeiten. Auch gut. Dann gehe ich halt ins Wohnzimmer zurück. Und tschüss.

Sie sind fertig mit dem Schmücken.

„Schön, oder?“, sagt Papa. Das sagt er jedes Jahr, nachdem er fluchend den obersten Stern an die Tanne gefrickelt hat. Ich nicke pflichtbewusst. Zur Feier des Vorabends zünden sie eine Kerze an und spielen das Weihnachtsoratorium von Bach. Diese Musik habe ich immer sehr gemocht, aber jetzt, ich kann nicht anders, denke ich eben doch an den Film im Ersten, und daran, dass er hoffentlich wiederholt wird.

Am nächsten Tag ist es soweit: Warten aufs Christkind. Was geht’s mich an. Als Oma und Opa zur Kaffeezeit und in bestem Zwirn an der Tür erscheinen, wünschte ich, ich wäre aufgeregter. Zumindest wie vor einem guten Spiel. Neben mir auf dem Stuhl sitzt – das kleine Kind! Ich glaub’s nicht. Quartiert sich bei uns ein und denkt, es könne Weihnachten mit uns feiern.

„Und?“, frage ich. „Zufrieden?“

Aber ich muss nicht fragen, ich sehe es ja: Die glänzenden Augen, das Staunen und die Aufregung darüber, dass nachher ein Weihnachtsmann durch den nicht vorhandenen Kamin rutschen wird. Es ist so aufgeregt, dass es seinen Saft verschüttet. Und das dritte Nussplätzchen hat es auch bereits verdrückt. Das ist wahre Freude. Und: Ja, ich beneide es.

Das Kind bleibt für den Rest des Tages. Isst unseren Weihnachtsstollen und latscht Hand in Hand mit Oma den Weg zur Kirche. Dort sitzt es und singt voller Inbrunst die Lieder, die ich fast verlernt habe. Ich kann meinen Blick nicht von ihm lassen.

Aber dann, als wir wieder Zuhause sind, weiß ich nicht mehr, ob es noch da ist oder gegangen. Wohin auch immer. Ich vergesse darauf zu achten. Vergesse es!

Papa zündet die Kerzen am Baum an, und ich betrete das Zimmer. Mein Kopf wird warm, meine Augen – keine Ahnung, wie die aussehen. Egal. Jedenfalls staune ich, wie schön unser Baum ist. Ich reiße das erste Geschenk auf, das zweite, und dann noch ein drittes. Es ist ein roter Gummiball.

Später kuschele ich mich im Schlafzimmer unter die blaue Decke mit den lila Blumen und rieche Mamas Geruch. Ich bin müde. Erhitzt, erschöpft. Wie nach einem guten Spiel. Oder vielleicht besser. Was ist schlecht am Plätzchenbacken, denke ich, dann schlafe ich ein und träume vom Weihnachtsmann, der mit meinem roten Gummiball kickt. Er schießt nicht übel.

Corinna Antelmann, 1969 in Bremen geboren, lebt heute in Linz in Österreich. Seit ihrem künstlerischen Studium – Film, Theater, Literatur, Musik – ist sie vorwiegend als Kino-Drehbuchautorin und Dozentin tätig. Daneben hat sie für verschiedene Produktionsfirmen gearbeitet, aber auch als Dramaturgin für Theaterprojekte. Kurzgeschichten sind in Anthologien erschienen.

Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1

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