Читать книгу Wünsch dich ins Märchen-Wunderland - Martina Meier - Страница 11
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Der Igel und sein Stachelkleid
Es war zu einer Zeit, als die Tiere noch nicht so lange auf der Erde waren. Manche hatten zwei Beine, manche vier. Manche konnten nur kriechen oder schwimmen. Aber die auf der Erde sahen einander alle ziemlich ähnlich. Die meisten waren sehr friedlich und fürchteten sich vor den Menschen. Natürlich hatte jedes Tier seine Eigenart oder Vorliebe. Die einen lebten gern im Wald und pickten Beeren, die anderen auf Feld und Flur, sie fingen Insekten.
Einige der Vierbeiner wiederum mochten die Gärten der Menschen, denn hier wuchsen saftiges Obst und knackiges Gemüse. Es gab dort auch freundliche Kinder, die sogar ein kleines Schälchen mit frischem Wasser vor die Haustür stellten. Die Tiere waren bescheiden und freuten sich über die Erfrischung.
Eines Tages jedoch dachten manche, dass es schön wäre, wenn sie sich unterscheiden würden. Sie hatten den Wunsch, unterschiedlich auszusehen. Bald waren einige mit Fell und Federn geschmückt. Der kleine Igel jedoch saß ängstlich unter seinem großen Laubhaufen. Nur in der Abenddämmerung schlich er aus seinem schützenden Versteck hervor, um ein wenig Futter zu suchen. Er schämte sich, weil er noch grau und nackt war. Einzelne Tiere machten sich sogar über ihn lustig, wenn sie ihn sahen. Sie stupsten ihn mit ihren kalten Nasen an oder kitzelten ihn mit ihren buschigen Schwänzen.
Darüber ärgerte sich der Kleine natürlich. Er hatte so gar keine Idee, wie er sich kleiden wollte. Sollte er sich einen Schwanz zulegen oder ein Federkleid?
Er wurde sehr traurig, kroch unter seinen feuchtwarmen Laubhügel und weinte, bis er schließlich in einen festen Schlaf fiel.
Es wurde herbstlich, die Nächte wurden kühl und dann kam der Schnee, der in leisen Flocken auf die dunkle Erde rieselte. Der kleine Mecki schlief den ganzen Winter.
Im neuen Jahr lugte zaghaft die Sonne durch die Wolken. Als sie eines Tages hell leuchtete, weckte die wohlige Wärme ihrer Strahlen den kleinen Igel.
„Wie schön die Sonne ist“, dachte er, als er in das helle Licht blinzelte. Gleich spürte er Hunger in seinem kleinen Bäuchlein, weil er den ganzen Winter über geschlafen und nichts gegessen hatte.
Er versuchte, ein paar Schritte zu gehen. Aber er stolperte über einen Grashalm, fiel sogar hin und purzelte den Abhang hinter seinem bunten Laubhaufen hinunter. Dabei bekam er so viel Schwung, dass er rollte und rollte. Er landete in einem kleinen, stacheligen Busch.
„Steh hier nicht so unnütz rum“, murrte der Igel unfreundlich.
„Nein, nein, ich bin nicht untätig. Ich wachse. Der Ranger schaut jede Woche nach mir, ob ich größer werde“, sagte das Bäumchen und wippte leicht erregt mit seinen Zweigspitzen. „ Ich darf mich nicht aufregen, dann werde ich krumm.“
„So, so. Du pikst aber“, jammerte der kleine Igel, denn es waren viele Stacheln in seinem Rücken hängen geblieben. Zum Glück hatten sie seine Nase nicht erwischt. Sofort wollte er die Piksdinger herausziehen, aber er konnte sie mit seinem kurzen Schnäuzchen nicht erreichen. Sollte er die anderen Tiere um Hilfe bitten?
Während er so nachdachte, bemerkte er eine kleine Pfütze auf dem nahe gelegenen Weg. Sofort ging er dorthin, um sein Spiegelbild zu betrachten. Er drehte seinen Kopf hin und her, nach links und nach rechts. Dabei bemerkte er gleichzeitig kleine orangerote Beeren auf seinem Rücken. Er wälzte sich vor und zurück, um sie loszuwerden. Dabei kam ihm eine Idee.
„Ich könnte meinen Mitbewohnern zur Überraschung etwas Essbares bringen, ein Freundschaftsgeschenk, gesunde Sanddornbeeren.“
So beschloss er, die Stacheln und die Beeren zu behalten. Die stacheligen Nadeln störten ihn schon gar nicht mehr, ja, sie gefielen ihm sogar immer besser. „Sieht gar nicht so schlecht aus, vielmehr interessant.“
Und wie stark er sich auf einmal fühlte! Jetzt sollte nur einer kommen und ihn ärgern, er würde sich einfach zu einer stacheligen Kugel drohend zusammenrollen. Er hatte gar keine Angst mehr.
Der kleine Igel wurde von den anderen Tieren bestaunt und fand viele neue Freunde. Gemeinsam mit ihnen erzählt er nun spannende Geschichten in seinem wärmenden Laubhaufen, wenn die Tage kürzer und dunkler werden.
Doris Giesler, geb. in Oberhausen/Rhld., machte eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin und arbeitete bei verschiedenen internationalen Industriefirmen. Erste Kurzgeschichten. Später in Süddeutschland moderierte sie ehrenamtlich im Klinik-Rundfunk, unterrichtete lernschwache Jugendliche und hielt Lesungen für Kinder. Teilnahme an Schreibwerkstatt, Veröffentlichungen in Anthologien sowie Gedichtbänden. Hobbys: Geschichten schreiben. Sie mag Tiere, besonders Katzen. Doris Giesler lebt in Baden-Württemberg.