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Die Mörderkatze

Der Mond warf ein geisterhaftes Licht über die Straßen von Edinburgh und die Bäume warfen lange Schatten – wie Monster. Jamey lief es kalt den Rücken runter. In der Hand schwang er eine Tasche voller Süßigkeiten. Es war Halloween und Jamey war alleine unterwegs. Er besaß keine Freunde. Nein. Er war nicht sonderlich beliebt. Jetzt wollte er einfach nur nach Hause. Nachdem ihm diese Leute solche Angst eingejagt hatten. Er erinnerte sich noch, wie alle gelacht hatten, als er schreiend davonlief.

In diesem Moment wurde er aus den Gedanken gerissen. Da war ein Schrei gewesen – bei Halloween nicht außergewöhnlich, aber von einem stockdunklen Haus vielleicht schon. Daraufhin sah er einen Schatten, der stieß jemanden aus dem Haus auf den Balkon.

Jamey trat unwillkürlich hinter einen Busch, jetzt konnte er auch Stimmen hören, einer stotterte: „Was wo...wollen Sie von mi...mir?“

Eine andere Stimme antwortete: „Na was wohl, ich nehme Rache an dir. Ich weiß ganz genau, dass ich damals von deinem Vorfahren angezeigt wurde, ich weiß ganz genau, wer für mein Todesurteil verantwortlich war.“ Dann schrie wieder jemand und etwas stürzte vom Balkon.

Kurz darauf ging die Haustür auf und eine Gestalt kam heraus. Sie trug komische Kleider und ihr Gesicht war weiß, der Mund aber so rot wie Blut. Die Augen leuchteten grün. Die Gestalt packte das Etwas und zog es ins Haus. Jetzt schien das Mondlicht auf das Etwas.

Jamey erstarrte. Er stand unter Schock, sodass er noch nicht mal schreien konnte. Das war ein Körper. Ein lebloser Körper. Die Gestalt zog einen Dolch aus dem Toten und machte die Tür des Hauses zu. Dann sprang der Mörder durch die Luft und kam in der Gestalt einer getigerten Katze auf dem Boden auf. Die Katze rannte davon.

Oh man, war das unheimlich. Jamey rannte, so schnell er konnte, nach Hause. Seine Mutter redete immer wieder auf ihn ein und versuchte, ihn zu beruhigen. Nur ab und zu kamen Wortfetzen aus seinem Mund. Irgendwann gelang es seiner Mutter, ihn ins Bett zu bringen. Sie legte sich zu ihm und wartete, bis er eingeschlafen war.

Um 23 Uhr wachte Jamey auf und blickte aus dem Fenster. Gleichmäßig hörte er im Nachbarzimmer seine Eltern atmen. Garantiert hatte ihn jemand reingelegt. Ein sehr gelungener Streich. Vielleicht Versteckte Kamera. Er trat ans Fenster. Der Mond leuchtete am Himmel. Der Mond faszinierte Jamey. Wenn er ihn betrachtete, waren all seine Sorgen vergessen. Er blickte ihn an.

Dann sah er sich im Garten um. Das Rotkehlchennest schlummert mit seinen Bewohnern. Die Rosen am Gartenrand streckten sich in den Himmel empor. Die Glühwürmchen schwirrten umher, da schlüpfte etwas durch die Hecke, eine getigerte Katze setzte sich in das Gras. Ihre Blicke trafen sich und Jamey schauderte. Das war die Mörderkatze. Dann saß da auch mit einem Mal der Mann mit der altmodischen Kleidung, der leuchtenden weißen Haut, den grünen Augen und den blutroten Lippen. Er blickte Jamey direkt an und fuhr sich mit der Handkante über den Hals. Der wollte ihn, da er der einzige Zeuge war, sicherlich töten. Dieser Verrückte war hinter ihm her!

Jamey riss das Kreuz von der Wand über seinem Bett und hielt es vor das Fenster. Schlagartig verschwand die gruselige Gestalt. Der Junge stieß einen Schrei aus und rannte ins Schlafzimmer seiner Eltern. Diese sagten, er hätte nur einen Albtraum gehabt. Er ließ alle Rollos herunter und prüfte noch die Sicherheit der Haustür und ob die Terrassentür geschlossen war. Dann legte er sich wieder ins Bett und träumte seine Albtraumnacht durch.

Am nächsten Morgen wachte er auf und war sich sicher, dass er alles nur geträumt hatte, also bestimmt auch den Mord. Aber es hatte sich tatsächlich so wirklich angefühlt. Er hatte die Nachtluft gespürt, als der Mord geschah, und die kalten Fliesen auf dem Flur des Hauses. Er hatte das Kreuz in seiner Hand gehalten. Außerdem lag es nun auf seinem Schreibtisch genau da, wo er es abgelegt hatte. Er schluckte und packte seinen Ranzen.

Es war nun schon zehn Tage her, dass er den Mord erlebt hatte. Jamey war sich nun absolut sicher, dass er einen Albtraum gehabt hatte. Es war Mathe, der Lehrer hatte die ganze Tafel mit Zahlen und Regeln zugeschrieben. Jamey hatte seinen Kopf in die Hände gestützt und blickte aus dem Fenster. Ein paar Fünftklässler rannten jubelnd über den Schulhof. Ein paar Tauben flogen erschrocken davon.

Wie auf Befehl trat eine Katze aus dem Schatten einer Eiche hervor. Sie blickt Jamey eiskalt an. Getigerte Streifen schlängelten sich über ihren Rücken. Ihre Augen glühten grün. Die Schnauze war blutrot. Ihr Blick fixierte Jamey.

Nach der Mathestunde war Schulschluss. Jamey packte seinen Ranzen und verließ den Raum. An Bäumen und Laternenpfählen prangte ein Plakat mit einem Bild: Jimmy gesucht. Das Bild sah der getigerten Mörderkatze sehr ähnlich. Jamey bog in eine dunkle Seitengasse ein und blieb stehen – ihm gegenüber stand die gruselige Gestalt mit einem Dolch in der Hand. Die Gestalt kam näher und näher. Jamey schloss die Augen, eine Träne rollte über seine Wange. Er war doch viel zu jung, hatte noch so viel zu erleben. Bestimmt würden seine Eltern nie zur Ruhe kommen und ihr ganzes Leben um ihn trauern. Oder standen sie vielleicht auch auf der Liste der Mörderkatze?

In diesem Moment rief jemand durch die Gasse: „Jimmy, bist du das?“ Da verwandelte sich die Gestalt in die getigerte Katze. Zwei Erwachsenen und ihre Tochter kamen herbeigeeilt und nahmen die Katze mit. Sie bedankten sich bei Jamey und gaben ihm Geld.

„Ich werde ab jetzt ganz gut aufpassen, Jimmy“, sagte das Mädchen und drückte die Katze an sich.

Jamey schmunzelte unterdessen: So schnell würde diese Katze ihm nichts mehr antun.

Leonard Brunner: Ich bin am 27.10.2008 geboren. Ich wohne mit meiner Familie zwischen Hamburg und Bremen in dem kleinen Ort Heidenau, meine Leidenschaft ist das Schreiben und Lesen von Büchern.

Wo die wilden Geister wohnen Band 3

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