Читать книгу Vom Chinchillabären und seinen Freunden - Mathias Graul - Страница 2
Das Dachzimmer
ОглавлениеWenn man eine Geschichte erzählt, darf man schnell die Orte wechseln. Das machen wir jetzt auch, wir werfen nämlich einen Blick in das kleine Dachzimmer, wo der Chinchillabär damals wohnte. Noch ist der Chinchllabär ja auf dem Weg vom Makler Zettelmann, wir sind also schon vor ihm da.
Aber jetzt müssen wir ganz leise sein, denn die beiden Freunde vom Chinchillabären, die auch bei ihm wohnen, das Tigereichhorn und das Blumenpferd, halten nämlich gerade ein Mittagsschläfchen.
Das Dachzimmer ist wirklich winzig, das Blumenpferd schläft in der einzigen Schublade, die es gibt, nämlich ganz unten im Kleiderschrank. Es ist weiss und auf seinem Fell sind lauter kleine bunte Blumen.
So ein Pferd gibt es doch gar nicht, denkst du. Na dann schau genau hin, dann kannst du ja sehen, dass es keine Erfindung von mir ist. Es ist natürlich viel kleiner als gewöhnliche Pferde, sonst könnte es ja unmöglich in einer Schublade schlafen. Allerdings hängen seine langen Beine ein Stück aus der Schublade heraus.
Wie alle Blumenpferde hat es nur Hufe an den Hinterbeinen, die Vorderbeine sind wie Arme bei Menschen, mit ganz gewöhnlichen Pfoten, wie beim Tigereichhorn und beim Chinchillabären.
Das Tigereichhorn schläft ganz oben auf dem Schrank. Sein langer buschiger und orange-schwarz gestreifter Eichhörnchenschwanz hängt an der Seite des Schranks herunter. Es hat lange Ohren, die ganz oben wie kleine Pinsel aussehen. Es ist kleiner als ein Tiger und grösser als ein Eichhörnchen.
Sowohl das Blumenpferd als auch das Tigereichhorn sind etwa so gross wie der Chinchillabär. Nun liegen sie also bei ihrem Mittagsschläfchen und schnarchen um die Wette.
Wie lange sie wohl noch schlafen werden, fragen wir uns. Aber wir bekommen kaum Zeit, darüber zu spekulieren, denn nun springt plötzlich die Tür zum Zimmerchen mit einem lauten Knall auf und der Chinchillabär stürmt herein.
„Wir haben unser eigenes Haus!“ ruft er und japst, denn er ist noch recht verpustet. Er war nämlich die lange Treppe bis hinauf zum fünften Stockwerk gerannt wie ein geölter Blitz.
Aber die beiden Freunde lassen sich nicht so schnell aus dem Schlaf reissen. Der Chinchillabär muss das Blumenpferd an den Ohren kitzeln und er muss vorsichtig an dem langen buschigen Schwanz vom Tigereichhorn zupfen, bis endlich Bewegung in die beiden kommt.
„Fertigmachen zur Landung!“ murmelte das Tigereichhorn, denn es hatte gerade einen seiner Lieblingsträume geträumt: Den von einer Mondreise in einer selbstgebastelten Rakete.
„Noch ein bisschen Wasser für meine Hyazinthen!“ flüsterte das Blumenpferd, denn es hatte gerade von schönen Blumen geträumt, die es dabei war, mit einer Giesskanne zu begiessen.
Nun rieben sie sich den Schlaf aus den Augen und sahen matt auf den wild mit den Pfoten gestikulierenden Chinchillabären.
„Wo hast du die Tasche her?“ fragte das Blumenpferd und deutete mit einer seiner Pfoten auf die Brusttasche, die der Chinchillabär um den Hals hängen hatte. Es wünschte sich nämlich selbst eine Handtasche und dieser Brustbeutel sah ein bisschen aus wie eine Handtasche.
„Genau das will ich euch erklären!“ japste der Chinchillabär. Er erklärte, wie ihm der Makler Zettelmann ein Haus geschenkt hatte, komplett mit Vertrag und Schlüsseln und einem Brustbeutel, damit der Chinchillabär nicht gleich alles verlieren würde.
Nun redeten alle drei wild durcheinander. Das Tigereichhorn träumte von einer Garage, wo es Mondraketen, Amphibienfahrzeuge und Fahrräder bauen und aufbewahren könnte. Das Blumenpferd träumte von einem Gewächshaus mit exotischen Orchideen. Im Licht des winzigen Dachfensterchens studierten sie die Beschreibungen zum Haus und den Vertrag, den der Chinchillabär mitbekommen hatte.
Das Tigereichhorn hatte eine kleine Sammlung Landkarten und nun rollten sie eine dieser Karten auf dem kleinen Schreibtisch aus.
Sie entdeckten die Insel Schnurholm, auf der das Haus lag und stellten fest, dass diese recht klein war. Schnurholm war umgeben von einem See, dem Kleinen Bärensee – genau wie Zettelmann erklärt hatte. Dieser Kleine Bärensee wiederrum lag ziemlich in der Mitte des nur fünf Jahre alten Inselstaates Brummholm. Dorthin gab es eine Fährverbindung von einer Stadt, die Güldenhafen hiess und dort gab es auch einen internationalen Flughafen.
Sie sahen auch, dass Güldenhafen ziemlich weit weg war, genauer gesagt, noch weiter weg als Brummholm, aber das tat ihrer Begeisterung keinen Abbruch.
„Hurra, wir können schwimmen und Boot fahren!“ jubelte das Blumenpferd. „Ja, und Pilze sammeln und angeln!“ brummte der Chinchillabär zufrieden. „Und wir können ein Amphibienfahrzeug bauen, das Auto und Boot zugleich ist, dann brauchen wir nicht mit der Fähre reisen, sondern können selbst auf dem Wasser und auf dem Land fahren, wann immer es uns passt!“ fügte das Tigereichhorn hinzu.
„Schau, da liegt die grösste Stadt von Brummholm“, sagte das Blumenpferd und deutete auf einen orangeroten Fleck an der Küste. „Tatzenhausen heisst sie!“
„Welch ein gemütlicher Name für eine Stadt. Dort sind Bären sicherlich gern gesehen!“, meinte der Chinchillabär.
„In Tatzenhausen werden wir Arbeit suchen müssen, denn wenn es irgendwo auf Brummholm welche gibt, wissen die das bestimmt dort zuerst“, meinte das Tigereichhorn.
„Wer weiss, vielleicht können wir ja sogar Arbeit finden. Wir müssen sicherlich Geld verdienen, um alles Mögliche zu kaufen. Am Haus gibt es bestimmt viele Reparaturen zu erledigen, und dafür werden wir Werkzeug, Farbe und so weiter kaufen müssen“, meinte der Chinchillabär.
Sie redeten noch mehrere Stunden, bis es sehr spät geworden war. Da beschlossen sie, lieber ein Gute-Nacht-Gebet zu sprechen, anstatt noch länger weiterzureden, denn ansonsten würden sie wohl überhaupt nicht mehr zum Schlafen kommen. Sie hatten nämlich irgendwo gelesen, dass man alle seine Sorgen auf Gott werfen dürfe, dann bräuchte man sich nicht selbst damit herumzuplagen. Und ganz richtig – kaum hatten sie zu Ende gebetet, schliefen sie prompt ein. Nun träumten sie alle drei von Blumen, Booten, Pilzen und anderen schönen Dingen.