Читать книгу Wille und das Ungeheuer vom Vechtesee - Mathias Meyer-Langenhoff - Страница 16
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Onkel Werner
Andy wartete schon am Fahrradständer, als Wille um kurz vor sieben zum Hochhaus an der Kanalstraße kam. „Was hast du? Warum machst du so ein Gesicht?“, wollte er wissen, weil Andy wie ein Knautschkissen guckte.
„Meine Mutter macht Stress, sie wollte nicht, dass ich zu Onkel Werner gehe.“
„Warum nicht?“
„Als mein Opa gestorben ist, hat mein Onkel das Haus geerbt. Meine Mutter findet das ungerecht, seitdem reden sie nicht mehr miteinander.“
„Das ist ja blöd. Und jetzt?“
„Ich gehe mit, du kannst ja nicht bei meinem Onkel allein aufkreuzen.“
„Und deine Mutter?“
„Die kriegt sich schon wieder ein.“
Als Andy an Onkel Werners Haustür klingelte, war er sich nicht mehr so sicher, ob es richtig war, ihn zu besuchen. Was, wenn der ihm einfach die Tür vor der Nase zuschlagen oder ihn sogar beschimpfen würde?
Wille merkte, dass Andy sich Gedanken machte. „Sollen wir uns verziehen?“, fragte er.
„Nein, schon gut“, antwortete Andy.
Mehr konnte er nicht sagen, denn die Tür wurde nicht geöffnet, sondern aufgerissen, und vor ihnen stand ein Mann, der aussah wie ein Berg. Noch nie hatte Wille einen Menschen gesehen, der so groß und so dick war, er füllte den ganzen Türrahmen aus. Im Gesicht trug er einen langen grauen Rauschebart, sodass man ihn mit entsprechender Kleidung auch gut und gerne für den Weihnachtsmann hätte halten können.
Sogar Andy war beeindruckt, denn obwohl Onkel Werner ja nur nicht mal einen Kilometer von ihnen entfernt wohnte, hatte er ihn schon lange nicht mehr gesehen. Als Andys Mutter und sein Onkel sich noch nicht zerstritten hatten, also vor dem Tod seines Opas, war Onkel Werner ein schlanker und fast jungenhaft aussehender Mann gewesen, dessen Hauptinteresse der Musik galt. Andy erinnerte sich, dass er auf fast jeder Familienfeier irgendwann einen kleinen schwarzen Koffer öffnete, in dem er verschiedene Mundharmonikas aufbewahrte, und zu singen und zu spielen begann. Meist übrigens Blues, die Musik der schwarzen Sklaven in den USA, zu der er spontan erfundene Texte sang. Er war immer witzig gewesen und Andy mochte ihn früher sehr.