Читать книгу Die Hexe Rixt van het Oerd - Mathias Meyer-Langenhoff - Страница 12

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Einzug im Ferienhaus

Wim und Henny de Jong, ein freundliches, älteres Ehepaar, wohnten seit ihrer Geburt auf Ameland und verließen die Insel nur ganz selten.

Sie kamen uns schon entgegen. „Goeden Dag, da seid ihr ja endlich!“, begrüßte uns Wim. „Ich hatte schon Angst, ihr wollt dieses Jahr nichts mit uns zu tun haben.“ Er drückte meine Hand, als wollte er sie zerquetschen, und zog mich an seinen großen dicken Bauch, den er unter seinem weiten Strickpullover kaum verstecken konnte.

Henny umarmte Mama und Papa und strich Meike mit ihrer Hand über den Kopf. „Dann kommt mal rein!“, lud sie uns ein und wir betraten das Häuschen, dessen Eingangstür so niedrig war, dass Papa aufpassen musste, sich nicht den Kopf zu stoßen.

„Es ist schön, wieder bei euch zu sein“, sagte Mama. Sie saß auf dem kleinen, braunen Sofa und streckte sich behaglich aus. Der Duft von holländischem Kaffee lag in der Luft. Wegen der kleinen Fenster kam nicht viel Licht in die Küche. Wahrscheinlich wirkte es hier deshalb auch nicht ganz so sauber wie bei uns, aber Meike und ich fanden es voll gemütlich.

Henny servierte den Kaffee in kleinen Tassen mit blauen Windmühlen. „Was wollt ihr Kinderen denn trinken?“, fragte Wim.

„Am liebsten Cassis“, meinte Meike, „bei euch schmeckt er am besten.“ Wir liebten diese Limonade mit Johannisbeergeschmack.

„Wie war eure Reise?“, erkundigte er sich, während er eingoss. Papa und Mama begannen zu erzählen und sofort vertieften sich die Erwachsenen in ein Gespräch.

„Komm, wir gehen nach hinten und gucken uns unser Zimmer an. Außerdem will ich unbedingt wissen, wie es Gelbes P. geht!“, sagte Meike.

Wim hatte den ehemaligen Kuhstall zu einer Ferienwohnung umgebaut, die er im Sommer vermietete. Wir wohnten direkt unter dem Dach. Über eine steile Treppe kletterten wir nach oben. Alles sah aus wie immer. Im Gegensatz zur Küche blitzte hier alles strahlend sauber. Henny hatte alles „schoon gemaakt“, sauber gemacht, wie sie immer sagte. Wir ließen uns auf die Betten fallen, die bei jeder Bewegung quietschten. Es roch frisch nach Lavendel und durch die Dachfenster schien die Sonne. Wir wippten auf unseren Betten wie auf einem Trampolin, sprangen mit einem Satz wieder hinaus und liefen nach unten zur Schafswiese. Wenn man am Zaun stand, konnte man bis zum Deich sehen, der die Insel zur Wattseite vor dem Meer schützte.

„Gelbes P., komm her, ich hab’ was Leckeres für dich. Komm, mein kleines, dummes Schaf!“ Meike lockte unser Lieblingsschaf mit einem großen, roten Apfel an. Wir hatten es im letzten Jahr so getauft, weil es am Hals eine gelbe Plakette mit einem P. trug.

Inzwischen hatte Mama das Auto auf den Hof gefahren und wir mussten auspacken helfen.

„So, jetzt fahren wir zuerst mal an den Strand, außerdem habe ich Hunger auf etwas Herzhaftes und das muss nach Lage der Dinge Pommes mit Mayo und eine Frikandel spezial mit besonders viel Mayonnaise, Ketchup und Zwiebeln sein“, meinte Papa nach getaner Arbeit und leckte sich erwartungsvoll die Lippen. Wir hatten nichts dagegen, auch wenn Mama die Nase rümpfte, weil sie diese Art der Ernährung unmöglich fand.

„Aber du hast auch versprochen, mit uns schwimmen zu gehen, Papa. Heute ist es ziemlich windig, wir haben bestimmt super Wellen am Strand. Also nimm deine Badesachen mit!“ Ich wollte ihn zumindest an sein Versprechen erinnern.

„Selbstverständlich, meine Große, was man versprochen hat, sollte man ja möglichst halten“, antwortete er.

Aber an dem Wort möglichst und seinem Gesicht merkte ich, dass er schon wieder nach Ausreden suchte.

Wir fuhren mit unseren Fahrrädern zum Strand. „Ob Franzens auch schon da sind?“, wollte Meike wissen.

„Keine Ahnung“, antwortete ich, „aber mit Katja habe ich ausgemacht, dass wir uns so schnell wie möglich treffen. Wir müssen besprechen, was wir mit den beiden komischen Typen von der Fähre machen.“ Ich hatte ihr beim Füttern des Schafes von den Männern erzählt.

„Vielleicht können wir sie verfolgen, schließlich sind wir acht Kinder“, meinte Meike.

„Abwarten, wir wissen ja gar nicht, ob wir die beiden noch mal treffen“, antwortete ich.

Wir kamen am Leuchtturm vorbei, von dort konnten wir schon den Aufgang zum Strand sehen und den tiefer liegenden Parkplatz. Mit Schwung rasten wir hinunter und versuchten, auf der anderen Seite, ohne abzusteigen, wieder hochzufahren. Ich schaffte den halben Weg hinauf, Meike und Mama mussten noch eher abspringen und ihr Rad schieben. Aber Papa sauste an uns vorbei, gelangte wie immer als Einziger fahrend bis oben und rief uns entgegen: „Achtung, Achtung, ich melde pflichtgemäß, die Nordsee ist immer noch da, wo sie hingehört!“

Die Wellen waren zwar nicht so hoch, wie wir gehofft hatten, aber dafür sahen wir die Sonne langsam am Horizont versinken. Sie stand schon ziemlich tief und tauchte die ganze Meeresoberfläche in ein orangegelbes Licht. „Es ist immer wieder beeindruckend“, meinte Mama und hakte sich bei Papa unter.

Meike und ich hatten keine Zeit für romantische Betrachtungen. Wir rannten zum Wasser. Ich wollte unbedingt feststellen, ob es immer noch salzig schmeckte. Ich tauchte meinen Finger ins Meer, leckte ihn ab und spürte sofort den typischen Salzgeschmack auf meiner Zunge.

Dann kam Meike. „Na?“, meinte sie außer Atem. „Alles klar?“

Zur Antwort holte ich mit dem Fuß aus und spritzte sie nass. Das war der Auftakt zu einer kleinen Wasserschlacht.

„Hey, jetzt wird’s aber Zeit für die Badeanzüge!“ Mama und Papa standen hinter uns und sahen lachend zu. Nur Papa machte keine Anstalten, sich umzuziehen. „Was ist los, Martin? Du freust dich doch so sehr auf deine Nordsee!“ Mama hatte so ein Na siehst’e-Gesicht, ein bisschen Triumph in ihrer Stimme war unüberhörbar.

„Los, Papa, das stimmt, du hast es versprochen!“, riefen Meike und ich wie aus einem Mund.

Vorsichtig näherte er sich dem Wasser. Es sah wieder nicht danach aus, als wollte er sein Versprechen einlösen. „Also, ehrlich gesagt, es ist jetzt doch schon ein bisschen spät zum Schwimmen. Außerdem scheint mir das Wasser kälter zu sein als im letzten Jahr.“

„Das stimmt doch gar nicht“, antwortete ich. „Es ist ziemlich warm und das Wasser ist so wie immer.“

„Nein!“, sagte Papa jetzt mit fester Stimme und drehte seiner Nordsee den Rücken zu. „Ich warte noch mit dem Schwimmen, vielleicht versuche ich es morgen.“

Das wollten Meike und ich auf keinen Fall. Mit viel Geschrei stürzten wir uns ins Wasser. Wir ließen uns treiben, tauchten durch die heranbrandenden Wellen hindurch oder warfen uns ihnen entgegen.

Nach einer Weile froren wir, außerdem knurrte mein Magen. Während wir uns abtrockneten, kamen auch die anderen.

Katja flüsterte mir zu: „Wir treffen uns nach dem Baden an unserem Geheimversteck in den Dünen, du weißt schon!“

Ich nickte. Dann rannte sie ins Wasser.

„Wenn ihr Hunger habt, könnt ihr einen Apfel essen“, meinte Mama, die in ihrer Tasche immer Proviant dabeihatte.

„Aber wir wollten doch oben im Strandcafé Pommes essen“, entgegnete Meike enttäuscht.

Papa beruhigte sie. „Keine Angst, ich habe für alle einen Tisch reserviert. Schließlich wollen wir Männer unseren Ferieneröffnungseierlikör trinken.“ Mama, Marlies und Heike machten sich in jedem Jahr darüber lustig und spotteten, sie hätten gar nicht gewusst, alte Eierlikörtanten geheiratet zu haben. Aber unsere Väter ließen sich das nicht ausreden.

Als die anderen vom Schwimmen zurückkamen, warfen sich Olli und Pit pudelnass in den Sand und rollten sich einmal herum. Jetzt sahen sie aus wie riesige panierte Schnitzel. „Oh nein, so könnt ihr euch doch gar nicht abtrocknen!“ Marlies war nicht begeistert, aber Pit und Olli rubbelten sich den Sand mit den Handtüchern einfach wieder ab.

„Wir wollen noch kurz in die Dünen, bevor wir ins Strandcafé gehen, wir nehmen unsere Sachen mit und kommen dann nach!“ Katja hatte wie immer die Aufgabe, die Erwachsenen zu informieren, wenn wir Kinder etwas Überraschendes vorhatten. Wir rollten unsere nassen Badesachen und Handtücher zusammen und rannten zu unserem Geheimversteck direkt hinter der Spitze der größten Düne. Olli hatte sie im letzten Jahr auf einem seiner Streifzüge entdeckt. Die Jungen hatten zu der Zeit ihren Maartick und erklärten die Mulde zu ihrer Kapelle. Maar war ein altes Wurzelholzstück. Das Meer hatte es wahrscheinlich irgendwo an einem waldigen Ufer entführt und auf Ameland wieder an den Strand gespült. Hanjo hatte es gefunden und zu seinem Gott erklärt. Vor jedem Fußballballspiel gegen uns Mädchen flehten die Jungen im Versteck Maar um Unterstützung an – und komischerweise gewannen sie dann auch. Erst als ihre Glückssträhne riss, flaute ihre Begeisterung für Maar wieder ab. Pit lieh sich schließlich Katjas Taschenmesser und schnitzte aus ihm ein kleines Boot.

Katja informierte alle über die beiden Männer von der Fähre. Dann senkte sie ihre Stimme: „Und stellt euch vor, Pit und ich haben sie schon wieder getroffen. Sie wohnen in einer Pension direkt neben dem Bäcker. Zuerst habe ich es gar nicht bemerkt, aber plötzlich stand der kleine Dicke, der aussieht wie ein Walross, neben mir und kaufte sich vier Stücke Kuchen. Ich bin dann unauffällig hinter ihm her und sah ihn in die Pension Wijman gehen. Ich finde, wir sollten herausfinden, was die beiden vorhaben. Am besten ist es, wenn wir sie abwechselnd beschatten.“

„Wie stellst du dir das vor? Was ist, wenn sie mit einem Auto fahren? Wir können denen doch nicht mit den Rädern hinterherjagen. Die sind zu schnell für uns, vielleicht fahren sie ja nach Buren, an das andere Ende der Insel!“ Paula winkte ab.

„Stimmt“, gab Katja zu, „aber es gibt sicher einen Grund, warum sie sich ausgerechnet in Hollum und nicht in Buren ein Zimmer genommen haben.“

„Lasst uns doch erst mal mit der Beschattung anfangen. Wenn sie wirklich ein Auto benutzen, können wir immer noch überlegen, was wir machen!“, schlug ich vor.

Die anderen nickten zustimmend. Nur Olli hatte einen seiner typischen Einfälle. „Wir mieten einen Hubschrauber, dann können wir sie von oben beobachten und überall hin verfolgen.“

„Halt die Klappe, Olli!“, meinte Lara, der die Ideen ihres kleinen Bruders manchmal auf die Nerven gingen. „Ich finde, zwei von uns gehen heute Abend zur Pension und stellen fest, ob die Typen noch da sind. Falls sie irgendwo hingehen, werden sie verfolgt!“ Laras Idee fanden wir gut.

Hanjo und Katja wollten die erste Wache übernehmen. Zumindest so lange ihre Eltern nichts bemerkten. Morgen würden wir dann weiter sehen, denn natürlich konnten wir sie nicht die ganze Nacht beobachten.

Wir liefen zum Strandcafé. Unsere Eltern warteten schon auf uns. „Wo seid ihr gewesen?“, rief Rainer uns entgegen. „Wir wollten doch zusammen essen. Jetzt wird es aber Zeit, sonst ist alles kalt. Eet smakelijk!“ Zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gab er mit seinen Niederländischkenntnissen an.

Wir ließen uns das aber nicht zweimal sagen, denn inzwischen hatten wir einen ziemlichen Kohldampf. Zum Schluss gab es für jeden ein Eis und die drei Väter löffelten genüsslich ihren Eierlikör mit Sahne, auf den sich Papa schon die ganze Zeit gefreut hatte.

„Ich kann nicht mehr“, stöhnte Paula und hielt sich mit beiden Händen ihren Bauch. „Und ich bin total fertig“, antwortete ich. „Ich freu’ mich nur noch auf mein Bett.“

„Aber morgen früh müssen wir uns sofort treffen“, flüsterte Katja. Die Mütter bezahlten und wir verließen das Strandcafé.

Da die Franzens und die Münstermänner fast in der Dorfmitte wohnten und wir an der Wattseite, trennten sich unsere Wege, das letzte Stück fuhren wir allein.

Zu Hause gingen Meike und ich sofort schlafen. „Was meinst du, ob Katja und Hanjo die beiden Männer sehen?“, fragte sie. Ich gähnte. „Keine Ahnung, morgen wissen wir mehr. „Jetzt bin ich jedenfalls zu müde, um noch darüber nachzudenken. Schlaf gut.“ Ob Meike noch antwortete, konnte ich später nicht mehr sagen, denn mir fielen sofort die Augen zu.


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