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§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung
ОглавлениеInhaltsverzeichnis
I. Garantien im Grundgesetz
II. Garantien in den Landesverfassungen
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Fall 2: „Die Gleichstellungsbeauftragte“
§ 5 II GO NRW bestimmt, dass in kreisangehörigen Städten und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern sowie in kreisfreien Städten hauptamtlich tätige Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen sind[1]. Die kreisangehörige Gemeinde G in NRW mit 12 000 Einwohnern verweist auf ihre schlechte Haushaltslage und möchte zusätzliche Ausgaben für die von ihr nunmehr wohl neu einzurichtende Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten vermeiden. Sie argumentiert, dass diese Norm sie unzulässig in ihrer durch die Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 II GG und Art. 78 II Verf. NRW verbürgten Organisations-, Personal- und Finanzhoheit beschränke.
Wie wäre über eine von der Gemeinde G fristgerecht beim Verfassungsgerichtshof für das Land NRW eingelegte Verfassungsbeschwerde zu entscheiden? Rn 71, 88 f
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Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung finden sich in unserer bundesstaatlichen Ordnung sowohl innerhalb des Grundgesetzes – und hier namentlich im zweiten Abschnitt (Art. 20 ff GG: „Der Bund und die Länder“) – als auch in den Landesverfassungen[2]. Die grundgesetzlichen Bestimmungen sind dabei als Mindestgarantien zu verstehen, die durch Landesverfassungsrecht ergänzt und erweitert werden können.[3] Nicht nur auf Bundesebene (u. Rn 84 ff.), sondern vielfach auch auf Landesebene (u. Rn 87) steht den Kommunen zur Durchsetzung dieser Gewährleistungen gegenüber dem Gesetzgeber verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde zur Verfügung.
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Von vorrangigem Interesse für die Kommunen ist vor diesem Hintergrund die Interpretation der jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Garantien, die in entsprechenden Verfahren den Prüfungsmaßstab für die Landesverfassungsgerichte bilden[4]. Die Interpretation der landesverfassungsrechtlichen Normen hat sich nach Auffassung des BVerfG aber weitestgehend am materiellen Gewährleistungsgehalt des Art. 28 II GG zu orientieren[5], die deshalb im Folgenden im Vordergrund stehen sollen.
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Vorab ist noch darauf hinzuweisen, dass durch den Ende 2009 in Kraft getretenen Lissabonner Vertrag die kommunale Selbstverwaltung erstmalig im europäischen Primärrecht festgeschrieben worden ist (s. bereits Rn 10). Art. 4 II 1 EUV enthält die bemerkenswerte Aussage, dass die Union die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten achtet, „die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt“[6]. Zudem werden die regionale und lokale Ebene ausdrücklich noch in Art. 5 III EUV – der Bestimmung über die Subsidiarität – erwähnt. Ob mit diesen ausdrücklichen Normierungen eine Positionsstärkung der Kommunen in der EU einhergeht, wird jedoch nach wie vor kontrovers diskutiert[7].
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