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4. Fraktionen

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Ratsmitglieder können sich zu einer Fraktion[69] zusammenschließen, wobei teilweise gesetzlich eine Mindeststärke festgelegt ist (§ 23 V 2 m.v.KVerf.; § 57 NKomVG; § 56 I 2 GO NRW)[70]. Nähere Einzelheiten über die Bildung der Fraktionen sowie ihre Rechte und Pflichten regelt die Geschäftsordnung (vgl § 23 V 6 m.v.KVerf.; § 57 V NKomVG; § 56 IV 2 GO NRW)[71].

Aus dem Grundgesetz lässt sich kein Anspruch einer Ratsfraktion ableiten, in jedem der Ausschüsse des Rates (dazu im Folgenden Rn 151) unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder mit Sitz und Stimme vertreten zu sein[72], doch sehen einige Gemeindeordnungen vor, dass uU Mitglieder mit beratender Stimme in den Ausschuss entsandt werden dürfen (vgl zB § 71 IV 1 NKomVG).

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Die Wahrnehmung eines kommunalen Mandats muss allerdings auch ungeachtet der Zugehörigkeit zu einer Fraktion möglich sein, sodass ein fraktionsloses Ratsmitglied zumindest einen vollwertigen, dh mit Rede-, Antrags- und Stimmrecht ausgestatteten Ausschusssitz beanspruchen kann[73].

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Lösungshinweis zu Fall 4 (Rn 116):

Zur Zulässigkeit einer Klage näher unten Rn 191. Für die Begründetheit gilt insoweit: Die Feststellungsklage ist begründet, wenn das behauptete Rechtsverhältnis besteht, wenn A und B also berechtigt sind, zu zweit eine Fraktion im Gemeinderat von Hinterwalde zu bilden. Die GeschO sieht vor, dass zur Fraktionsbildung mindestens drei Stadträte erforderlich sind. Fraglich ist, ob diese Rechtsvorschrift ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

Rechtsgrundlage für die GeschO ist § 69 NKomVG. Darin können Bestimmungen über Fraktionen aufgenommen werden, wie sich aus § 57 V NKomVG ergibt. Die Vorschrift ermächtigt zur Regelung von „Einzelheiten über die Bildung der Fraktionen“. Einem Gemeinderat als unmittelbar demokratisch legitimierter Repräsentanz der Bürger kommt bei der Regelung seiner inneren Angelegenheiten kraft seiner Autonomie eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Der Rat ist bei seiner Regelung jedoch nicht völlig frei. So darf die Frage, welches Quorum für die Bildung einer Fraktion in einem Gemeinderat vorausgesetzt werden darf, nicht frei entschieden werden, sondern muss bestimmten Sachgesetzlichkeiten folgen. Hierzu zählt etwa der Zweck einer Fraktionsbildung, der darin besteht, durch kollektive Vorbereitung der Willensbildung in Gruppen politisch Gleichgesinnter die Arbeit im Plenum zu straffen und zu konzentrieren[74].

Welches Quorum insoweit maßgeblich sein kann, ist von Fall zu Fall mit Blick auf die konkreten Verhältnisse, etwa hinsichtlich der Gesamtgröße des betr. Gemeinderates zu beurteilen. Hier handelt es sich um eine Gemeinde mit 16 000 Einwohnern. Der Gemeinderat umfasst also 32 Ratsfrauen und Ratsherren (vgl § 46 NKomVG) plus Bürgermeister, also 33 Ratsmitglieder. Eine Mindeststärke von 3 Mitgliedern entspräche also 1/11. Es ist nicht ersichtlich, dass durch diese Festlegung mit Blick auf den Zweck der Fraktionsbildung Ermessensgrenzen überschritten wären. Der von A und B angestellte Vergleich zur Praxis in anderen Gemeinden und in anderen Bundesländern, die geringere Anforderungen an die Fraktionsstärke stellen, ist hingegen unmaßgeblich. Der Gleichheitssatz hat seine offene Flanke im Bundesstaatsprinzip und der Garantie kommunaler Selbstverwaltung[75]. Art. 3 GG verpflichtet den jeweiligen Normgeber nur, in seinem Herrschaftsbereich Gleichheit zu wahren, unabhängig davon, ob andere Normgeber abweichende Regelungen getroffen haben[76].

Die Regelungen in der GeschO müssen darüber hinaus aber vor allem die zwingenden gesetzlichen Vorgaben beachten. Insoweit ist in Niedersachsen entscheidend, dass das NKomVG selbst in § 57 I NKomVG eine verbindliche Maßgabe enthält, welche die Mindeststärke einer Fraktion auf 2 Ratsherren/-frauen festlegt.

Diese Vorschrift schränkt die Geschäftsordnungsautonomie des Rates gesetzlich ein, weil sie eine Mindestzahl setzt, die unabhängig von der Größe des betreffenden Gemeinderates gilt. Das höherrangige Recht legt also selbst die maßgebliche Zahl fest. Eine abweichende Geschäftsordnungsregelung ist nichtig. Aber auch unabhängig vom Wortlaut „mindestens“ wäre es mit dem Wesen von Fraktionen nicht vereinbar, durch die GeschO oder Hauptsatzung auch einem einzelnen Ratsmitglied Fraktions- oder Gruppenstatus zuzuweisen[77].

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Die Fraktionen wirken bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der kommunalen Vertretung mit und sind auch befugt, ihre Auffassung insoweit öffentlich darzustellen (vgl § 57 II 1 NKomVG; § 56 II 1 GO NRW). Ihre innere Ordnung muss demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen (§ 23 V 3 m.v.KVerf.; § 57 II 2 NKomVG; § 56 II 2 GO NRW – vgl auch Art. 21 I 3 GG). Sie geben sich ein Statut, in dem das Abstimmungsverfahren, die Aufnahme und der Ausschluss aus der Fraktion geregelt werden.

Will eine Ratsfraktion eines ihrer Mitglieder ausschließen, so ist dies – vorbehaltlich konkreterer Bestimmungen im Fraktionsstatut – nur aus wichtigem Grund zulässig. Gegen einen solchen Beschluss kann das betreffende Mitglied verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen[78].

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Die Gemeinden können den Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den Sach- und Personalkosten für die Geschäftsführung gewähren (§ 23 V 4 m.v.KVerf.; § 57 III NKomVG; verpflichtend gem. § 56 III 1 GO NRW).

Unter Berufung auf diese als „innerorganisatorische Anspruchsnorm“ qualifizierte Vorschrift kann eine Ratsfraktion im kommunalrechtlichen Organstreit (dazu Rn 182 ff) sowohl geltend machen, die ihr gewährten Zuwendungen seien zu niedrig, als auch, andere Fraktionen seien dem Grundsatz der Chancengleichheit widersprechend begünstigt worden[79].

Teil I Kommunalrecht§ 4 Die innere Gemeindeverfassung › III. Ratsausschüsse

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