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1. Der Bürgermeister als Ratsvorsitzender
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In den meisten Ländern ist der Bürgermeister kraft Amtes Vorsitzender der Gemeindevertretung. Als Ratsvorsitzender nimmt der Bürgermeister auch die Funktion eines „Sprachrohrs“ des Rates wahr (vgl Rn 201).
Im Kommunalwahlkampf trifft ihn freilich (in Orientierung an allgemeinen demokratischen Grundsätzen) eine Neutralitätspflicht, mit der ein Anspruch der Wahlbewerber auf Chancengleichheit korrespondiert[92].
In Nds. behält das NKomVG den Vorsitz in der Vertretung hingegen einem ehrenamtlichen Mitglied vor. Nach § 61 I NKomVG stehen lediglich die „Abgeordneten“ zur Wahl für den Vertretungsvorsitz und nicht der Bürgermeister selbst.
Zu den Leitungsbefugnissen bei den Ratssitzungen gehören üblicherweise die Handhabung der Ordnung und die Ausübung des Hausrechts (vgl Art. 53 I bay.GO; § 29 I 5 m.v.KVerf.; § 51 I GO NRW)[93].
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Nicht selten (namentlich in Ferienzeiten) fallen dringliche Entscheidungen an, die eigentlich der Gemeinderat zu treffen hätte. Einige Gemeindeordnungen billigen dem Bürgermeister diesbezüglich vielfach eine spezielle Eilentscheidungskompetenz zu (vgl § 43 IV bd.wtt.GO; Art. 37 III 1 bay.GO; § 70 III hess.GO), in anderen Ländern fällt diese Eilkompetenz einem anderen Organ zu (MV, NRW und Nds.: Hauptausschuss, vgl § 35 II 4 m.v.KVerf.; § 89 NKomVG; § 60 I GO NRW), erst danach greift eine subsidiäre Zuständigkeit des Bürgermeisters (vgl § 38 IV 2 m.v.KVerf.; § 89 S. 2 NKomVG; § 60 II GO NRW).
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Strittig ist freilich, ob auch Satzungen im Wege der Dringlichkeitsentscheidung erlassen werden können[94].
Dies wird seitens des OVG NRW mit der Begründung bejaht, aus dem Gesamtzusammenhang der einschlägigen Norm ergebe sich, die hier in Rede stehenden Entscheidungsbefugnisse umfassten alle Angelegenheiten, die der Beschlussfassung des Rates unterlägen, also auch den Erlass von Satzungen. Allerdings bedürfe es sorgfältiger Prüfung, ob die Voraussetzungen des unbestimmten Gesetzesbegriffs „in Fällen äußerster Dringlichkeit“ in concreto wirklich gegeben gewesen seien[95].
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Der Bürgermeister hat in einigen Bundesländern gegenüber einem Ratsbeschluss ein Widerspruchs- bzw Beanstandungsrecht, wenn er der Auffassung ist, dass der Beschluss das geltende Recht verletzt (bzw in NRW auch: Das Wohl der Gemeinde gefährdet). Diesem Widerspruch kommt Suspensiveffekt zu; der Rat hat aber die Möglichkeit, durch erneuten Beschluss seine ursprüngliche Entscheidung zu bestätigen. In diesem Fall hat der Bürgermeister die Aufsichtsbehörde einzuschalten (vgl § 33 II m.v.KVerf.; § 88 NKomVG; § 54 GO NRW).