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V. Die Vertretung der Gemeinde gegenüber Dritten

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Auch wenn die Gemeindeordnungen detaillierte Vorgaben hinsichtlich der Aufgabenaufteilung auf die kommunalen Organe im Einzelnen enthalten, so stellt sich doch die Frage, wer – unbeschadet dieser internen Abgrenzungen – nach außen hin, gegenüber Dritten, zu handeln befugt ist. Diese Problemstellung dürfte bereits aus dem Zivilrecht bekannt sein, wo zwischen Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis und Vertretungsmacht nach außen zu unterscheiden ist. Schließlich ist es für Außenstehende, die mit einer juristischen Person in geschäftlichen Kontakt treten, weitgehend unzumutbar, sich etwa vor Vertragsschluss zunächst den oft komplizierten Interna widmen zu müssen, um zu erkennen, ob alle Bindungen eingehalten sind. Daher stellt sich auch im Kommunalrecht die Frage, wer und unter welchen Voraussetzungen im Rechtsverkehr für die Gemeinde vertretungsbefugt ist.

Gemäß Art. 38 I bay.GO, § 38 II m.v.KVerf., § 86 I 2 NKomVG, § 63 I GO NRW ist der Bürgermeister – unbeschadet der dem Rat und seinen Ausschüssen zustehenden Entscheidungsbefugnisse – der gesetzliche Vertreter der Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften. Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen – abgesehen von den bereits erörterten Geschäften der laufenden Verwaltung – der Schriftform; sie sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, vom Bürgermeister oder (in MV: „und“) seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen (Art. 38 II bay.GO, § 38 VI m.v.KVerf., § 64 I, II GO NRW). Erklärungen, die nicht diesen Vorgaben entsprechen, sollen die Gemeinde nach § 64 IV GO NRW nicht binden, doch hat der BGH darauf hingewiesen, dass die organschaftliche Vertretungsmacht des Bürgermeisters im Außenverhältnis unbeschränkt ist und die Gemeinde somit auch durch Rechtshandlungen des Bürgermeisters verpflichtet wird, die kommunalverfassungsrechtliche Mitwirkungsrechte oder Zuständigkeiten verletzen[114].

Niedersachsen hat das Prinzip der Doppelzeichnung aufgegeben; gem. § 86 II NKomVG genügt für Verpflichtungserklärungen die handschriftliche Unterzeichnung allein des Bürgermeisters (ebenso § 51 II 2 schl.h.GO).

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Die Regelungen der Länder sind im Detail sehr unterschiedlich: Einige Gemeindeordnungen verlangen die Einhaltung bestimmter Förmlichkeiten wie handschriftliche Unterzeichnung (so § 54 I bd.wtt.GO) sowie Beifügung der Amtsbezeichnung (Art. 38 II 2 bay.GO) oder des Dienstsiegels (so § 38 VI 2 m.v.KVerf.). Auch ihre Nichtbeachtung führt jedenfalls bei privatrechtlichen Rechtsgeschäften zur schwebenden Unwirksamkeit der betreffenden Erklärung. Diese Rechtsfolge soll nicht aus § 125 BGB folgen, sondern aus der Abgabe einer Erklärung ohne Vertretungsmacht (vgl §§ 177 ff BGB) durch Nichteinhaltung der besonderen kommunalrechtlichen Vertretungsvorschriften, was freilich die Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung eröffnet[115].

Speziell zum Normzweck dieser Formvorschriften hat der BGH ausgeführt:

„Auch der Zweck, der dahin geht, im Interesse einer klaren Verantwortung des Bürgermeisters gegenüber dem Gemeinderat und einer einwandfreien Rechnungslegung zu vermeiden, dass nachträglich Zweifel am Verpflichtungswillen des Bürgermeisters oder Streit über Inhalt und Zeitpunkt der eingegangenen Verpflichtung entstehen …, fügt sich in die Zwecke privatrechtlicher Formvorschriften ein, indem das Vertretungsorgan von der Eingehung übereilter und unüberlegter Verpflichtungen, die den Gemeindeinteressen zuwiderlaufen, abgehalten … und zugleich der Klarstellungs- und Beweisfunktion Rechnung getragen wird“[116].

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Erklärungen, die ein innerhalb seiner gesetzlich näher umrissenen Befugnisse vertretungsberechtigtes Organ im Namen der Gemeinde abgibt, sind für diese mithin grundsätzlich nur dann bindend, wenn die vorgenannten Bestimmungen eingehalten sind, die als materielle Vorschriften zur dem Schutz der Kommunen dienenden Beschränkung der Vertretungsmacht qualifiziert werden[117]. Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine Gemeinde aber uU selbst dann wirksam vertraglich verpflichtet sein, wenn bei der Abgabe der verpflichtenden Erklärung die gesetzlichen Vertretungserfordernisse nicht beachtet worden sind. Zumindest in den Fällen, in denen eine formgerechte Erklärung eines von zwei Gesamtvertretern vorliege, werde das hierin liegende Hindernis durch das materielle Einverständnis des Gemeinderats als des für die Willensbildung der Gemeinde maßgeblichen Beschlussorgans überwunden; dabei komme es nicht entscheidend darauf an, ob diese Zustimmung der betreffenden Verpflichtungserklärung vorangehe oder nachfolge[118].

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Die für die Rechtsfiguren der Duldungs- und Anscheinsvollmacht entwickelten Grundsätze finden zwar auch gegenüber Gemeinden als juristischen Personen des öffentlichen Rechts Anwendung, wenn deren vertretungsberechtigte Organe das Vertreterhandeln eines Dritten geduldet oder nicht verhindert haben. Diese Grundsätze dürfen aber nicht dazu dienen, den vorgenannten, dem Schutz der Gemeinden dienenden Vertretungsregeln – darunter eben auch die Beachtung gewisser Förmlichkeiten – im Einzelfall jede Wirkung zu nehmen[119].

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Soweit es also um die Inanspruchnahme der Gemeinde selbst geht, führen Mängel der kommunalrechtlichen Erfordernisse für die Abgabe von Verpflichtungserklärungen grundsätzlich zur Unverbindlichkeit für die Gemeinde.

Nur in Ausnahmefällen verstößt die Verweigerung einer Vertragserfüllung unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Erklärung gegen den auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben, nämlich dann, wenn die Nichtigkeitsfolge für den Vertragsgegner zu schlechthin unerträglichen Konsequenzen führen würde[120].

Abgesehen von den Fällen, in denen die Gemeinde aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens ihres Vertreters bei Vertragsschluss Ersatz für einen etwa eingetretenen Vertrauensschaden zu leisten hat[121], kommt eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse nur ausnahmsweise in Betracht[122].

Ist eine im Privatrechtsverkehr namens der Gemeinde abgegebene Verpflichtungserklärung des Bürgermeisters für die Gemeinde nur deshalb nicht bindend, weil sie der Bürgermeister entgegen der kommunalrechtlichen Bestimmung nicht unterzeichnet hat, kann er nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 I BGB auf Erfüllung oder Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Dies hat der BGH in wertender Betrachtung entschieden, und zwar mit der Begründung, dass die Verletzung des Unterschriftserfordernisses in § 54 I 2 bd.wtt.GO „die scharfe, am Erfüllungsinteresse orientierte Vertrauenshaftung des grundsätzlich allein vertretungsberechtigten Organs nach § 179 I BGB nicht rechtfertigt und dass kein Anlass besteht, den Vertragsgegner besser zu stellen, als sei dem rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts ein die Wirksamkeit des Geschäfts beeinträchtigender Formfehler unterlaufen“[123].

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Eine deliktische Haftung der Gemeinde für betrügerische Handlungen ihres gesetzlichen Vertreters im Rahmen rechtsgeschäftlicher Betätigung wird auch dann anerkannt, wenn die Täuschung darin bestand, die nach Kommunalrecht fehlende Rechtsverbindlichkeit der allein von ihm abgegebenen Erklärungen vorzuspiegeln[124].

Zu denken ist aber noch an eine persönliche Haftung des Bürgermeisters nach § 839 BGB, die nicht nach Art. 34 S. 1 GG auf die Gemeinde überzuleiten ist, weil es sich nicht um eine hoheitliche Tätigkeit gehandelt hat[125].

Teil I Kommunalrecht§ 4 Die innere Gemeindeverfassung › VI. Exkurs: Die innere Kreisverfassung

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