Читать книгу Ach Du liebe Anthroposophie - Mathias Wais - Страница 10

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Liebe Freundin,

Steiner und seine Schüler sehen Dich als eine Wissenschaft, Steiner nannte Dich manchmal auch „Geheimwissenschaft“, sprach aber meist einfach von „Geisteswissenschaft“. Vielleicht konnte man das zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts noch akzeptieren. Aber inzwischen ist es Konsens, dass Wissenschaft eine gemeinschaftliche, intersubjektive Angelegenheit ist. Das heißt, dass Methoden und Forschungsergebnisse einer Wissenschaftsrichtung intersubjektiv nachvollziehbar und nachprüfbar sein müssen. Forschungsergebnisse zum Beispiel in der Medizin werden so veröffentlicht, dass andere, die sie nachvollziehen wollen, die Experimente grundsätzlich wiederholen können.

Steiner dagegen nannte Wissenschaft oder Geisteswissenschaft das, was er erschaute. Er. Und zwar nur er. Hat es jemals einen Schüler oder eine Schülerin von Steiner gegeben, der beziehungsweise die zu vergleichbaren geistigen Schauungen gekommen wäre wie der Meister? Was Steiner Geisteswissenschaft nennt, „die“ Geisteswissenschaft, das ist er, das ist seine Art, die Dinge zu erleben und zu verstehen.

Bekanntlich gab es auch vor Steiner Menschen, die zu übersinnlichen Themen Ähnliches dargelegt haben wie er. Um nur das Steiner zeitlich Nächstliegende zu nennen: In dem Werk Isis entschleiert der Theosophin Helena Blavatsky (1831–1891) ist über ähnliche „Geheimnisse“ nachzulesen wie bei Steiner, in allerdings recht chaotischer Darstellungsweise. Auch bei Vertretern der christlichen Mystik finden sich bei bestimmten Themen ähnliche Auffassungen, zum Beispiel über das Wirken der Engel. Kritiker sagen, Steiner habe aus solchen Quellen abgeschrieben. Dem ist entgegenzuhalten, dass Steiners Ausführungen etwa zur Reinkarnationsidee weit über das hinausgehen, was man anderswo darüber lesen kann. Gerade die Wiederverkörperungslehre ist wohl nirgends so differenziert dargelegt wie bei Steiner.

Aber das macht sie eben noch nicht zur Wissenschaft. Welcher Anthroposoph hat je ähnliches selbst erschaut wie die Reinkarnationsfolgen einzelner Persönlichkeiten, die Steiner in einigen Vorträgen beschrieben hat? Steiner scheint da selbst etwas skeptisch gewesen zu sein. Für diejenigen, die den kolportierten Scherz noch nicht kennen sollten: Eine der ersten Anhängerinnen sprach Steiner auf dem Dornacher Hügel an: „Herr Doktor, ich glaube, ich war Maria Magdalena.“ Darauf er: „Da sind sie die dreiundzwanzigste.“

Dies ist unser Dilemma: Weil wir seine Aussagen nicht nachprüfen können, glauben wir sie. Und das ist vielleicht der Ursprung eines verbissenen Zuges, den Du als real existierende Anthroposophie auch haben kannst.

PS: Das Gerücht, Rudolf Steiner sei in einem früheren Leben Till Eulenspiegel gewesen, ist falsch.

Ach Du liebe Anthroposophie

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