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Prolog COME 2 MY HOUSE (TEIL 1)

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Anfang 2006 war ich zu einer Party von Prince eingeladen, die er auf seinem Anwesen in Los Angeles im Rahmen der Promotion-Kampagne für sein gerade erschienenes Album 3121 gab.

Seit er 2005 nach L. A. gezogen war, suchte Prince wieder einen engeren Kontakt zu Hollywood, indem er namhafte Stars zu exklusiven Feiern einlud. Seine Partys waren immer schon legendär und ein wichtiger Grundstein seines Mythos, aber diese in Hollywood waren anders als die in Minneapolis, mit denen er sich einst einen Namen gemacht hatte. Prince’ Oscar-Aftershowpartys waren sehr exklusiv, ungeladene Gäste hatten keine Chance, eingelassen zu werden, ganz gleich, wie hartnäckig sie es versuchten – was beispielsweise Karen O von den Yeah Yeah Yeahs erfahren musste. Sollte Prince beabsichtigt haben, durch diese Events im Kreis der Reichen und Schönen besonderes Ansehen zu erlangen, kann man ihm zu seinem Erfolg nur gratulieren. In den kommenden Jahren drangen in verschiedenen amerikanischen Talkshows immer wieder Storys von diesen exklusiven Partys nach außen. So erzählte der Schauspieler Ryan Phillippe Conan O’Brien, dass er Prince mitten in einem Song unterbrochen habe, um ihn nach dem Weg zur Toilette zu fragen. Tracy Morgan, der Comedy-Star aus der Sitcom 30 Rock, berichtete, wie er sich in seiner schlimmsten Phase als Alkoholiker bei einer von Prince’ Partys weigerte zu gehen, bis der Gastgeber ihn persönlich rauswarf. Und der amerikanische Nachrichtensprecher Anderson Cooper erzählte bei Live with Regis and Kelly, dass er sich bei einer Party im Hotel Gansevoort, bei der ich ebenfalls anwesend war, mit dem Comedian David Chappelle um eines von Prince’ Plektren geprügelt habe. Was man häufig bei den Stars beobachten kann, die bei einer Party von Prince waren, ist eine gewisse Beschämung. Meist sind es eigentlich gestandene Persönlichkeiten, die jedoch extrem verunsichert scheinen, wenn sie jemandem begegnen, der sie mit seinem Image und seiner Aura in den Schatten stellt.

Am Tag der 3121-Party wurde ich von einer Limousine abgeholt und zu Prince’ Anwesen gefahren, wo die Gäste um 23 Uhr empfangen wurden. Während wir uns langsam durch West Hollywood schlängelten, verriet mir mein russischer Chauffeur seine Lieblingsromane von Vladimir Nabokov in absteigender Reihenfolge und erzählte mir von den ganzen Stars, die er schon zu der einen oder anderen Prince-Party kutschiert hatte. Dabei wurde mir klar, dass Prince versuchte, Los Angeles in Uptown zu verwandeln, genau so, wie er es knapp 30 Jahre zuvor mit Minneapolis getan hatte. Endlich angekommen bemerkte ich, dass man die Hausnummer an Prince’ Anwesen zu der Zahl »3121« umarrangiert hatte. Über den Titel des neuen Albums war viel spekuliert worden. Viele Fans fragten sich, ob die Zahl für ein Jahr stünde (und der Titelsong quasi als futuristische Neuauflage von »1999« zu verstehen sei), ob sie auf einen Bibelvers verwies oder eine numerologische Bedeutung habe (addiert ergaben die einzelnen Ziffern die Zahl Sieben, die für Prince eine besondere Bedeutung hatte). Doch all die Exegeten hatten viel zu viel in die Zahl hineininterpretiert. Es war lediglich die Hausnummer des Domizils in L. A., in dem Prince gewohnt (und Aufnahmen gemacht) hatte, bevor er hierhergezogen war.

Selbst bei einer privaten Gesellschaft wie dieser achtete Prince auf das kleinste Detail. Das Sicherheitspersonal, das den Zutritt anhand der Gästelisten kontrollierte, war mit violetten Clipboards ausgestattet und trug Kragennadeln in der Form des -Symbols, das Prince 1993 anstelle seines Namens angenommen hatte. Als ich zwischen all den Stars und Sternchen vor dem Tor zu Prince’ Anwesen stand, mischte sich ein Nachbar unter die Gruppe und versuchte, mit uns ins Haus zu gelangen. Prince hatte ihm eine Flasche Wein zukommen lassen, um sich im Voraus für die mögliche Lärmbelästigung zu entschuldigen, aber der Nachbar hätte sich wesentlich mehr über einen Platz auf der Gästeliste gefreut. Nervös hüpfte er von einem Fuß auf den anderen, während die Sicherheitsleute auf alles ein Auge hatten und sich permanent per Funk austauschten. Von den Prince-Shows im kleinsten, ja intimen Rahmen kannte ich das Gefühl der Angst, es vielleicht nicht hinein zu schaffen, was diesen Abenden immer einen zusätzlichen Nervenkitzel verliehen hat. Ich wünschte dem Mann viel Glück, während ich mit den anderen in den Van kletterte, der uns zum Haus hinaufbrachte.

Prince’ Domizil war ein beeindruckendes Beispiel für jenen Architekturstil, der so etwas wie eine düstere Mischung aus Walt Disney und David Lynch darstellt und an dem nur die reichsten unter den Stars Gefallen finden: ein modernes, surreal-feudales Märchen, in dem der Protagonist in größtmöglicher Abgeschiedenheit lebt, während ihm zugleich ganz Hollywood zu Füßen liegt. Prince hat seine Musik in ein Synonym für ein geheimnisvolles Wunderland exklusiver Shows verwandelt und damit die Träume der in den 80er-Jahren Aufgewachsenen eingefangen. Abgesehen von den wenigen Glücklichen, die in Minneapolis lebten, war Paisley Park, wo Prince seit 1987 arbeitete, für jeden ein fernes Utopia. Prince-Fans verschlangen begierig die Berichte über geheime Partys und Sessions, die die ganze Nacht dauerten, und wünschten sich nichts sehnlicher, als ein Mal dabei sein zu können. Mit 3121 war Prince (zum x-ten Mal) zurückgekehrt und hatte das, was für viele ein Wunschtraum blieb, für ihn jedoch alltäglich war, erneut zum Leben erweckt. Denn das ganze Album ist als akustische Version einer privaten Party konzipiert – und sollte idealerweise auch so verstanden werden.

Angefangen bei der Dauer seiner Konzerte bis hin zu den Einlassmodalitäten für seine Shows hat Prince mit allen nur erdenklichen Konventionen gebrochen. Musikjournalisten ziehen oft Parallelen zwischen dem imposanten Backstagebereich, wie ihn viele Bands und Musiker haben, und einem Fürstenhof: Beides sind Orte, zu denen nur die Zugang haben, die besondere Privilegien genießen oder in der Gunst von jemandem mit derartigen Privilegien stehen. Nur sie gelangen durch die strengen Sicherheitskontrollen in das innerste Heiligtum des Stars oder Fürsten. Der Backstagebereich ist eine Welt, in der sich Dealer und Groupies oft freier bewegen können als die Frauen und Freundinnen der Musiker. Prince hatte allerdings schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in seiner Karriere zu verstehen gegeben, dass ihn Drogen kaltließen1, und auch für Alkohol hatte er nicht übermäßig viel übrig (auch wenn er Wein, Sekt und während einer kurzen Phase Mitte der 90er-Jahre gelegentlich Portwein trank). Sexuelle Unersättlichkeit war hingegen immer eine zentrale Komponente seines Images, doch Alan Leeds – Prince’ Tourmanager in den Jahren 1983 bis 1990 – zufolge ließ Prince immer nur die interessantesten seiner weiblichen Fans, wie Anna Garcia und Mayte, zu sich vor und verbrachte die meiste Zeit mit den Frauen, die zu seinem Tourtross gehörten. Statt also denjenigen Gunst zu erweisen, die ihm Drogen und Sex anboten, gewährte er sie denen, die Geld hatten, berühmt waren oder ihn grenzenlos anhimmelten. Je hartnäckiger ein Fan war und je mehr er zu zahlen bereit war (zumindest bis zu einem gewissen Grad), desto näher konnte er Prince kommen (wobei ihm Stars immer die willkommensten Besucher waren).

Das soziale Gleichgewicht in »Princeland« aufrechtzuerhalten, war allerdings nicht ganz einfach. Weil Prince seinen Fans in der Vergangenheit gelegentlich besondere Privilegien gewährt hatte (wie etwa bei der Woche der offenen Tür in den Paisley Park Studios), beschwerten sie sich später, wenn er Konzerte ausschließlich vor ausgewähltem Publikum gab oder exorbitante Ticketpreise verlangte.2 Aber man wäre auch einem Missverständnis aufgesessen, hätte man von Prince Beständigkeit erwartet. Wie fast alle großen Rockstars, die über mehrere Jahrzehnte erfolgreich sind, verfolgte er zu verschiedenen Zeiten auch unterschiedliche Ziele. In manchen Phasen produzierte er nicht kommerzielle Alben und war auf die Treue seiner Fans angewiesen, dann wieder wollte er mit Greatest-Hits-Touren und hörerfreundlichen Alben wie Musicology oder Planet Earth das Mainstreampublikum zurückgewinnen. In den letzten Jahren scheinen Geld und Einfluss für ihn eine immer wichtigere Rolle gespielt zu haben. Nachdem er die Krise der Musikindustrie vorausgesagt (und überlebt) hatte, suchte er nach neuen Möglichkeiten, um dauerhaft erfolgreich zu bleiben.

An dem Abend, als ich in sein Haus eingeladen war, versuchte er, etliche Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Abgesehen von seinem Vorhaben, Hollywoods Crème de la Crème zu beeindrucken (zu den Gästen an diesem Abend zählten Bruce Willis, Sharon Stone, David Duchovny und Jessica Alba), promotete er mit der Party sein neues Album, wollte eine Handvoll Fans begeistern, seine Plattenfirma davon überzeugen, ein Album zu veröffentlichen, das er mit seinem damaligen Protegé Támar aufgenommen hatte, und verfolgte darüber hinaus wohl noch ein paar weitere Ziele. Ich hatte zu jener Zeit schon öfter das Vergnügen gehabt, bei einigen Aftershows und Exklusivkonzerten von Prince dabei sein zu dürfen, aber so etwas hatte ich auch noch nicht erlebt. Was mir bevorstand, war genau die Art von privater Prince-Performance, von der ich geträumt hatte, seit ich zum ersten Mal Musik von ihm gehört hatte.

1 Gelegentlich thematisiert er sie in seinen Songs, allerdings in der Regel als negatives Phänomen, wie z. B. in dem frühen, unveröffentlichten Stück »Cold Coffee and Cocaine«. In »Rock Me, Lover« porträtiert sich Prince als »junkie«, der süchtig ist nach Liebe (oder Sex). »Purple Music« und »Now« suggerieren, dass Prince’ Musik eine ähnliche Wirkung entfaltet wie ein Rauschmittel. Drogen werden ebenfalls negativ dargestellt in den ersten Zeilen von »Eye Know« und dem Batman-Song »The Future«, in dem Prince das ihm angebotene »X« ablehnt. Anfang der 80er-Jahre stellte Prince während des Songs »Automatic« auf der Bühne pantomimisch dar, wie er sich einen Schuss setzt.

2 Der amerikanische Autor Bruce Wagner hat die Begeisterung (oder Sucht), die in einem den Wunsch weckt, immer mehr exklusive Prince-Konzerte zu besuchen, sehr treffend in einem satirischen Artikel in The New Yorker (6. August 2007) beschrieben. Er berichtet darin, wie er 325 000 Dollar zahlt, um sich ein exklusives Konzert anzusehen, bei dem auch »Simon Cowell, der Leichnam von Christopher Isherwood, Shia LeBeouf, Michael Moore, Emma Watson und Stephen Hawking« zu den Zuschauern zählen, und anschließend herausfindet, dass das Publikum bei einem Konzert im Cedars-Sinai Medical Center 15 Millionen Dollar gezahlt hat, um »Prince so nahe zu sein, dass der Sänger sieben Stunden lang technisch gesehen in ihren Körpern steckte«.

Prince

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