Читать книгу Prince - Matt Thorne - Страница 9

Kapitel 3 WOULDN’T YOU LOVE TO LOVE ME?

Оглавление

Für einen Künstler, der sich so oft verwandelt hat, blieben Prince’ Vorbilder bemerkenswert konstant. 2009 zählte er auf der Bühne in Paisley Park auf: Larry Graham, James Brown, Stevie Wonder, George Clinton, Sly Stone, die Jacksons, Tower of Power, Miles Davis, Carlos Santana, Joni Mitchell, Rufus & Chaka Khan. Die Einflüsse dieser Künstler sind auf seinem frühesten Demoband zu hören, das offenbar nach den Champagne-Sessions und entweder vor oder zur gleichen Zeit wie die Songs mit Chris Moon entstanden war. Es enthält vier Versionen von »For You«, dem Titelsong des ersten Prince-Albums, außerdem die erste Aufnahme von »Wouldn’t You Love To Love Me?«, fünf bis heute unveröffentlichte Songs, »Don’t You Wanna Ride?«, einen frühen Abriss der Themen, denen er sich später in »Little Red Corvette« widmete. Hinzu kommen das schnörkellose Liebeslied »I Spend My Time Loving You«, »Leaving For New York« (wo seine Halbschwester Sharon lebte) über den Abschied von Minneapolis, das fragmentarische »Nightingale«, das unmissverständliche und selbsterklärende »Rock Me, Lover«, neun Instrumentals sowie ein Cover von Rufus’ »Sweet Thing«.1

Die Songs verfügen größtenteils über reichlich Text, hier und da gibt es jedoch auch Scat-Gesang, wahrscheinlich weil Prince Zeilen füllen musste, für die er noch keinen Text geschrieben hatte.2 Obwohl sie skizzenhaft, scheinbar unfertig und sehr roh produziert sind, haben einige Songs auf dem Band komplexere Texte als die Titel auf Prince’ erstem Album und lassen sich eher mit seinen späteren Aufnahmen vergleichen. Sie bieten zudem einen Einblick, wie er komponierte, zumindest in dieser frühen Phase: Ein Mann singt mit Akustikgitarre (und gelegentlich Keyboard) in einen Kassettenrekorder. Bei aller Limitiertheit der Aufnahme ist sie trotz allem bereits so ausgefeilt wie so manche Lo-Fi-Platte in den 80ern und 90ern.

Der wichtigste Song auf dem Tape, »Wouldn’t You Love To Love Me?« (der Titel wirkt neckisch, prahlerisch und einladend zugleich), umreißt das bestimmende Thema von Prince’ Frühwerk: ein explizites Bekenntnis dessen, was er anbietet und was er dafür erwartet. Es ist einer von nur zwei Songs auf dem ersten Demo, die später veröffentlicht wurden – allerdings nicht vor 1987 und dann von Taja Sevelle.3 Die Verzögerung ist kein Anzeichen dafür, dass sich Prince mit dem Song unsicher fühlte – bereits 1978 nahm er eine (unveröffentlichte) Version mit seinem ersten Schützling Sue Ann Carwell auf. Vielleicht war er der Ansicht, der Song passe besser zu einer weiblichen Stimme, weil er selbst für sein frühestes lyrisches Ich zu begierig wirkte.4 Neben den Versionen von Carwell und Sevelle nahm Prince den Song noch dreimal auf, ein Jahr später für ein neues Demo in seinem Heimstudio und ein weiteres Mal 1987.

Von allen Songs auf dem Demo zeigt dieser den Sänger in seiner scheinbar mächtigsten Position; er neckt seine Geliebte, indem er sich weigert, zur Ruhe zu kommen und sich ihr hinzugeben (diese Position nimmt der männliche Protagonist in seinen frühen Songs häufiger ein). Obwohl die Worte direkt an eine Geliebte gerichtet sind, spricht Prince auch das Publikum an und schwelgt in der Aufmerksamkeit weiblicher Fans, ohne sich von ihrer Hingabe vereinnahmen zu lassen. Dass die zweite, zwischen den Sessions für For You und Prince aufgenommene Version ein Demo ist, merkt man nur am erneuten Scat-Gesang (der hier allerdings bewusst in den Aufbau des Songs eingearbeitet ist und sich auch in der Sevelle-Version wiederfindet). Mit seinem klaren Sound und vollständigen Arrangement ist er nicht schlechter als andere Songs auf den ersten zwei Alben, und auch wenn sich einige Details direkt auf Prince beziehen, ist zur Zeit der dritten Version – als Prince 1987 eine Reihe früher Songs wieder ausgrub5 – klar, dass er den Song jemand anderen singen lassen möchte.

Die Instrumentals sind kurz und fragmentarisch. Der vielleicht wichtigste Track auf dem Tape, zumindest als Vorbote für Prince’ kreative Zukunft, ist die Coverversion von »Sweet Thing«, das von einer Platte stammt, für deren Arrangements Clare Fischer verantwortlich zeichnet, der in den mittleren 80ern eine wichtige Rolle für Prince’ Musik spielen sollte. Prince liebte die Platte, spielte sie seiner Band vor und erklärte seiner Keyboarderin Lisa Coleman, dass sie Fischer anheuern müssten, um Streichersätze für sie zu arrangieren. Coleman reagierte eifersüchtig, weil das eigentlich ihre Aufgabe war, wusste jedoch, dass Prince irgendwann mit ihm arbeiten musste. Schließlich teilte er ihr mit, er habe Fischer gebeten, am Debütalbum von The Family mitzuarbeiten. Das Ergebnis gefiel Prince so gut, dass er Fischer für Parade erneut engagierte.

*

Fast ein Jahr lang fuhr Prince nach der Schule mit dem Bus vom Norden in den Süden von Minneapolis in Chris Moons Studio. Moon selbst gesellte sich nachmittags zu ihm. »Am Abend bevor er aufkreuzte«, erinnert sich Moon, »setzte ich mich hin, schrieb ihm drei Texte zur Auswahl und ließ sie auf dem Klavier zurück. Falls ihm einer der Texte gefiel, sollte er daran arbeiten, falls nicht, sollte er sie zerreißen und es mir mitteilen, und ich ließ mir einen neuen einfallen. Wenn ich ankam, hatte er für gewöhnlich eine Gitarrenlinie oder so was wie einen Grundrhythmus für einen der Texte ausgearbeitet.«

Moon brachte Prince auch bei, sich im Studio zurechtzufinden, damit er selbst aufnehmen und produzieren konnte, während Moon in der Werbeagentur war. Was Moon betraf, lief alles gut, bis es an den Gesang ging, weil Prince so leise und hoch sang, dass das Mikrofon seine Stimme nicht auffangen konnte. Um zu verhindern, dass er ausrastete oder sich zurückzog, legte Moon Kissen auf den Studioboden. »Und ich sagte, leg dich hin und entspann dich richtig. Ich nahm das Mikrofon, hielt es ihm an den Mund und drehte alle Lichter aus. Er liegt also da im Dunkeln auf dem Boden, sozusagen mit dem Mikrofon im Rachen, ein Kissen unter dem Kopf, und im Laufe der nächsten paar Tage entlockte ich ihm diverse Gesangsparts. Eine kleine, hohe Falsettstimme – süß, irgendwie an Michael Jackson erinnernd. Er hatte immer betont, dass Michael Jackson sein Held sei.«

Einer der Songs, an denen Moon und Prince arbeiteten, war »Aces«6, über den Moon erzählt: »Ich schrieb diesen Song, um mit Techniken zu spielen, etwa rückwärts gespielten Spuren, und dafür brauchte ich einen Song als Grundlage. Er war experimentell angelegt, auch viel länger – sieben Minuten –, nicht unbedingt ein geschlossener Bogen, sondern etwas, das Prince die Möglichkeit geben würde, in unterschiedliche Richtungen zu gehen – mediterran, indisch, all diese verschiedenen Feelings, mit denen ich ihn experimentieren lassen wollte.« Der Track war einer von vier Songs auf Prince’ erstem Demo-Band und der einzige, der nicht für sein Debütalbum überarbeitet wurde. »Sessionologen« haben vermutet, Moon habe »Diamond Eyes« geschrieben, aber er sagte mir: »Es war einer der ersten Songs, deren Text von Prince stammte«, weil es ihm Bauchschmerzen bereitete, dass Moon seine ganzen Songs schreiben würde und dass die Aufnahme dieses Songs mehr im Regieraum am Mischpult als im Studio stattfand, während Moon Prince das Aufnehmen beibrachte. Ironischerweise kann sich Moon an »Don’t Forget« nicht mehr erinnern, einen Song, »von dem niemand recht begeistert war«, ebenso wie an die Details von »Don’t Hold Back«.

Moon zufolge wurde an den meisten Songs bis spät in die Nacht gearbeitet, ein frühes Beispiel für die Vorgehensweise, die Prince seine ganze Karriere über beibehielt. Nur »Fantasy« entstand tagsüber und klang entsprechend viel fröhlicher als die übrigen Tracks. Zudem meint er, »Surprise«, ein weiterer ursprünglich ihm zugeschriebener Song, stamme in Wirklichkeit aus der Feder von Prince und beruhe auf Gedanken über dessen mögliche Karriere.

»Ich hatte zu Prince gesagt: ›Wir müssen überlegen, wie wir dich vermarkten.‹ Ich hatte in der Werbeagentur gelernt, dass man für ein Produkt ein Thema und eine Marketingstrategie braucht, und das übertrug ich auf Prince. Ich sagte: ›Wir müssen rauskriegen, wer unsere Zielgruppe ist. Ältere Teenager werden dein Zeug nicht kaufen, das ist was für junge Mädchen. Du siehst schnuckelig aus, tanzt und springst herum, also brauchen wir ein Marketingthema in den Songs, das sie anspricht. Junge Mädchen werden erwachsen, sie entdecken ihre Sexualität. Ich schätze, das ist wohl die mächtigste Triebkraft, die wir ansprechen können, und wenn wir die Musik in ihren starken neuen Gefühlen verankern, könnten wir wirklich Zugkraft entwickeln und das Publikum erreichen.‹«

Moon erklärt, er habe »mit Songs gespielt, die allgemein sexueller Natur waren, Prince hingegen mit Songs zum Thema Schwangerwerden«. »Surprise« war einer davon, ebenso wie »Baby«, ebenfalls während dieser Sessions aufgenommen und später auf For You enthalten. »Ich weiß nicht, ob er sich darüber Sorgen machte oder auf der Hut war, aber ich sagte ihm, wir sollten lieber die Finger von Babys lassen, weil das etwas ist, worüber junge Mädchen nicht gerne nachdenken.«

Moon schlug vor, lieber mit sexuellen Anspielungen zu arbeiten. Verschiedene Kommentatoren vermuteten, er habe Prince das Konzept der »angedeuteten sexuellen Freizügigkeit« bzw. der »versteckten sexuellen Anspielungen« empfohlen, aber Moon meint, er erinnere sich heute sehr deutlich, dass »Zweideutigkeit der exakte Begriff war, den ich Prince gegenüber verwendete. Das vergesse ich nie. Zu all dem kam es so: Ich hatte sonntags frei, und an diesem speziellen Sonntag hatte ich ein glückliches Erlebnis mit mehr als einem Mädchen. Es war eine nächtliche Party, die Mädels waren zu mir ins Studio gekommen – eines dieser schönen, einprägsamen Erlebnisse –, ich glaube, ich hatte ein bisschen viel Rum getrunken, weil es mir am nächsten Morgen miserabel ging und ich zur Arbeit musste. Also sperrte ich die Tür ab, und als ich dalag und mich von der wilden Nacht erholte und ein paar Highlights davon rekapitulierte, kam mir dieser Song in den Sinn: ›Soft And Wet‹. Was ich versuchte, war, einen Ankersong zu entwickeln, der das Marketingkonzept auf den Punkt brachte und die Positionierung dieses Künstlers gegenüber dem Publikum richtig zusammenfasste. Und so schrieb ich ›Soft And Wet‹, als ich nach dieser wundervollen Nacht in der Werbeagentur Campbell Mithun saß, müde, leicht verkatert. Es war zehn Uhr morgens, und die Urversion ging so: ›Angora fur, the Aegean sea, it’s a soft, wet love that you have for me (Angorafell, das ägäische Meer, es ist eine weiche, feuchte Liebe, die du für mich hast).‹«

Moon ahnte, dass er mit diesem Song, der Prince gefiel und an dem er umgehend zu arbeiten begann, ein Muster für das geplante Album gefunden hatte. »Es war der erste Song, bei dem Prince einen Break in die Musik einbrachte. Der Text war so kurz, viel abgehackter, viel mehr Stakkato und reduzierter als alles, was wir zuvor gemacht hatten.« Ein paar weitere von Prince geschriebene Songs gingen auf dem Weg zum Debütalbum verloren: »Since We’ve Been Together«, drei Instrumentals – von denen eines, »Jelly Jam«, in »Just As Long As We’re Together« aufging –, eine überarbeitete Version von »Leaving For New York« und das von Moon verfasste »Make It Through The Storm«, das Prince später mit Sue Ann Carwell aufnahm. Aber aus den Sessions ging ein Demo mit vier Songs hervor: »Baby«, »Soft And Wet«, »Aces« und »My Love Is Forever«. Bevor er es verschicken konnte, musste Moon bei Prince noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, weil der seine Platten nicht unter seinem Vornamen veröffentlichen wollte: »Er sagte: ›Es muss Mr. Nelson heißen.‹ Ich sagte: ›Mr. Nelson? Schau, lass mich dir das so erklären: Es gibt diesen weißen Typen namens Willie. Vielleicht hast du von ihm gehört, vielleicht auch nicht, aber wir sollten nicht mit Willie Nelson verwechselt werden.‹«

Moon war auch an Prince’ erstem konkreten Anlauf um einen Plattenvertrag beteiligt. Als Prince seine Schwester Sharon in New York besuchen wollte, bat er Moon, ein paar Treffen mit Plattenfirmen zu organisieren. Das war schwerer, als Moon erwartet hatte, weshalb er vorgab, Stevie Wonder zu vertreten, um dann, wenn er endlich jemanden ans Telefon bekam, umzuschalten und zu erklären, er habe den neuen Stevie Wonder. So gelangte Prince zu einem Treffen, bei dem jedoch nichts herauskam und von dem er ziemlich ernüchtert zurückkehrte: »Er dachte«, erzählt Moon, »der Erste, der ihn hört, nimmt ihn unter Vertrag. Daraus wurde nichts, ebenso wenig wie beim Zweiten und Dritten. Was ich nun zu tun hatte, war also, ihn auf die richtige Weise mit Plattenfirmen zusammenzubringen. Prince wollte mich als Manager. Ich war aber nicht daran interessiert, sein Manager zu sein. Ich wollte mich nicht darum kümmern, dass er sein Flugzeug kriegt, ich wollte nicht seine Hotelzimmer buchen, für sein Essen bezahlen. Ich interessiere mich nur für die Musik.

Mir war aber klar, dass die ganze Sache auf der Stelle zu Ende wäre, wenn ich nicht jemanden fand, der da anknüpfte, wo ich aufgehört hatte, auf meiner Arbeit aufbaute und sie auf die nächste Ebene brachte. Der einzige Manager, der mir einfiel, hatte das Studio für so eine Folkgruppe gebucht, zwei Typen, eine Art Imitation von Hall & Oates.« Dieser Mann war Owen Husney. »Er hatte eine schäbige Werbeagentur, zwei oder drei Leute in Minneapolis, glaube ich, und ich dachte: Der Kerl ist aus meinem Holz geschnitzt.« Moon musste jedoch eine Woche lang in Husneys Büro sitzen, bis der mit ihm reden wollte. »Es ging montags los, und am Freitag hatte ich ihn genug genervt, dass sie schließlich sagten: ›Der Typ verschwindet einfach nicht, du musst dich mit ihm zusammensetzen und ihn anhören.‹« Moon überredete Husney, sich das Band anzuhören, und als er ein paar Tage später wieder dort war, »war Owen ein Licht aufgegangen«. Moon erklärte Husney, er wolle nicht mehr von ihm und Prince als Autoren-Credits für die von ihm geschriebenen Texte.

Pepe Willie war von Owen Husney beeindruckt, weil er Prince ein Apartment beschaffte und die Miete zahlte. Dadurch konnte sich Prince auf seine Musik konzentrieren. Einen Großteil des ersten Halbjahres 1977 feilte er im Studiokomplex Sound 80 in Minneapolis an den Songs, die er mit Moon als Demos aufgenommen hatte, vor allem »Baby«, »Just As Long As We’re Together«, »My Love Is Forever« – von dem Moon behauptet, er sei nicht nur als Autor daran beteiligt gewesen: »Der Song handelt von einem Mädchen, mit dem ich ein Jahr lang zusammen schlief, ohne dass wir je Sex hatten« –, »Soft And Wet« sowie einem Instrumental, einem Song, den er später mit seinem ersten Schützling Sue Ann Carwell aufnahm und veröffentlichte (»Make It Through The Storm«), und »We Can Work It Out«, seinem ersten Outtake, der ebenso gut ist wie seine offiziellen Veröffentlichungen.7 Dieser Song, der mit Prince’ Hoffnung auf eine harmonische Partnerschaft mit Warner Bros. schließt, muss entstanden sein, nachdem Husney ihm einen Vertrag mit dem Label verschafft hatte. Prince äußerte sich verbittert über Biografen, die Husney interviewten, und ich habe ihn zwar kontaktiert, aber nicht gedrängt, als er nicht antwortete. Zweifellos trug Husney wesentlich dazu bei, Prince’ Musik an die Öffentlichkeit zu bringen; er legte den Demobändern aufwendige Pressemappen bei, die ihm letztlich den Deal mit Warner sicherten. Während er im Sound 80 war, soll Prince nebenbei Backgroundgesang und Gitarre zu »Got To Be Something Here« auf dem selbstbetitelten Album der Lewis Connection beigetragen haben, in Zusammenarbeit mit Sonny T, der später zu seiner Band New Power Generation stieß und von dem Prince sagte, er habe ihn als jungen Musiker enorm beeinflusst. Außerdem traf er Pepe Willie und 94 East, die im Studio waren, um »Fortune Teller« (das Hank Cosby von der Motown-Studioband The Funk Brothers für sie geschrieben hatte, der neben Stevie Wonders »My Cherie Amour« eine Reihe weiterer Hits verfasst hatte) und »10.15« für eine Single aufzunehmen. »Wir gingen rein, er kam raus«, erinnert sich Willie, »und er sagte: ›Was macht ihr so?‹ Und wir: ›Hey Mann, wir nehmen unsere Single auf.‹ Und er sagte: ›Kann ich drauf spielen, Mann?‹ Und wir so: ›Klar, du kannst auf unseren Sachen spielen.‹ Und er ging nach seiner Session nicht mal heim, sondern hing mit uns im Studio ab und spielte Gitarre auf ›10.15‹ und ›Fortune Teller‹.«

Inzwischen, sagt Willie, hatten sie Bobby Rivkin als Drummer angeheuert. Bald danach ging Rivkin (später Bobby Z) zu Prince’ erster Band. Auf der ersten Version von »Fortune Teller« sang außerdem Colonel Abrams, später als House-Sänger berühmt, vor allem mit dem Hit »Trapped«. Als die Bänder in New York ankamen, »gefiel Hank Cosby Bobbys Schlagzeug nicht. Er holte einen anderen Drummer namens Buddy Williams, der ›Fortune Teller‹ einspielte, und Bobby war untröstlich.«8

Bänder von den Sessions im Sound 80 brachten Bobby Rivkins Bandkollegen Matt Fink dazu, ihn zu bitten, ihn Prince vorzustellen. Fink sagte mir, beeindruckt habe ihn, »dass er in meinem Alter war, 18, damals 1977. Bobby Z war noch nicht [von Prince] angeheuert worden, er arbeitete für dessen Manager Owen Husney. Er brachte das Demo vorbei und sagte: ›Hört euch bloß diese Sachen an.‹ Als ich rausfand, wer er war, dass er sein Zeug gespielt, geschrieben und selbst gemischt hatte, war ich von den Socken vor Begeisterung und wollte da unbedingt mitmachen. Es gab niemanden wie ihn.«

Es dauerte noch eine Weile, bis Prince offiziell eine Begleitband zusammengestellt hatte. Aber bevor er nach Kalifornien reiste, um an seinem ersten Album zu arbeiten, nahm er als Mitglied eines Trios noch ein Dutzend Demos auf, von denen acht Instrumentals waren. Diese Aufnahmen von 1977 sind wesentlich hochwertiger als die aus dem Jahr zuvor. Auch wenn sie hier und da in Improvisationen abschweifen, wie man sie von Vorführungen in Musikläden kennt (und Track #4 eher einschläft, als dass er ein Ende findet), sind die acht Instrumentals stellenweise so interessant wie Prince’ erste zwei Alben mit Madhouse. Mit einer Band, die ein wichtiger Teil seines kreativen Prozesses wurde, sollte er erst ein paar Jahre später spielen, aber ihn hier mit André Cymone am Bass und Drummer Bobby Z zu hören gibt einen faszinierenden Einblick in sein frühes musikalisches Können. Einige recht ausufernde Jazz-Funk-Tracks (vor allem #3, #6 und das erst melancholische, dann amüsant peppige #7) klingen wesentlich ausschweifender als die auf For You und zeigen, wie Prince, um kommerziell erfolgreich zu werden, seinen kreativen Fokus verengen musste. Es gab noch andere, nur dem Titel nach bekannte Demos – »Darling Marie«, »Hello, My Love«, »I Like What You’re Doing« und »Neurotic Lover’s Baby Bedroom« – sowie diverse andere Songs, die auf dem Weg zum ersten Album verloren gingen oder verworfen wurden.

Genauso wie die ersten Alben von Bob Dylan und Neil Young ist For You gleichzeitig ein perfektes Meisterwerk und eine Art Fehlstart. Das räumte Prince in einem Interview mit Steve Sutherland ein, später auf Picture-Disc gepresst, in dem er seiner Frustration darüber Luft machte, dass ihm die von Warner zur Seite gestellten Produzenten den Umgang mit dem Studio nicht so beibrachten, wie er gehofft hatte. Prince sagte, er habe eine »fehlerlose« Platte machen wollen. Seine zwiespältige Haltung zu dieser Platte scheint in Kommentaren wie diesen durch: »Es hat lange gedauert, war ziemlich mühselig«, »das meiste davon waren alte Sachen«, »es war eine perfekte Platte«, aber »zu wissenschaftlich«, und nach der Fertigstellung habe er sie nicht mehr hören können.

Prince arbeitete länger daran als an seinen nächsten drei Alben. So viel Zeit wandte er erst wieder für eine Platte auf, als er sich mit 1999 und Purple Rain ein ganz neues Publikum erschloss. Der Aufwand zahlte sich aus: For You hat den glattesten, kompaktesten Sound der ersten vier Platten, auch wenn sich Prince’ Fähigkeiten als Texter erst noch entwickelten: Es ist die Arbeit eines 19-Jährigen und als solche noch etwas unbedarft. Nur »Soft And Wet«, das Gemeinschaftswerk mit Chris Moon, schaffte es auf die Hit-Compilation von 1993 und blieb im Liveprogramm. Und obwohl For You stilistisch stellenweise seinem selbstbetitelten zweiten Album ähnelt, hat es ansonsten doch wenig mit seinen späteren Platten gemein.

Alle Songs auf den ersten zwei Alben richten sich an »you«. Auf dem vielspurigen Titelsong bietet ein Chor von Prince-Stimmen (das Innencover zeigt ihn in einer visuellen Version dieses Tricks dreifach auf einem Bett) dem Hörer das Leben des Sängers an, und auf der ganzen Platte müssen wir immer wieder die Rolle diverser Freundinnen einnehmen. »In Love«, die B-Seite der zweiten Single »Just As Long As We’re Together«, ist einer von Prince’ simpelsten Songs, einfacher als die meisten seiner frühen Demos. Prince singt von Hemmungen und Ketten, aber nicht in dem sadomasochistischen Kontext, den er auf 1999 und Purple Rain erkundete. Er behauptet lediglich, das Objekt seiner Begierde könne sich befreien, indem es seine Liebe erwidert. Am einprägsamsten ist »Soft And Wet«, vor allem als Vorankündigung der sexuellen Deutlichkeit späterer Prince-Platten.

Zu den textlichen Schwächen der Platte zählt, dass Prince (zum größten Teil) noch lernen musste, ausgearbeitete Geschichten in seine Songs einzuführen. »Crazy You« beginnt mit der vielversprechenden Vorgabe, dass sich Prince in eine verrückte Frau verliebt. Während jedoch die Exzentrik seiner Geliebten – etwa der gut gebauten Exhibitionistinnen in »Raspberry Beret« und »Gett Off« – ihm später viel Material lieferte, beschreibt er die Verrücktheit der Frau hier nur, indem er sagt, mit ihr Liebe zu machen treibe auch ihn in den Wahnsinn, und nach zwei Minuten ist der Song vorbei. Es ist ein Merkmal der »Perfektion« des Albums, dass selbst ein unerheblicher Track wie dieser ein faszinierendes (und einmaliges) Arrangement aufweist; Wasserfässer und Windspiele sorgen für eine Komplexität, die auf die Experimentierfreudigkeit von Around The World In A Day vorausweist.

*

Neben »Soft And Wet« ist »Just As Long As We’re Together« Prince’ wichtigster früher Song. Er nahm ihn fünfmal als Demo auf, und der Song wuchs mit jeder Version. Unter den diversen Ausgaben sind Testpressungen für CBS und Warner, die belegen sollten, dass er viele Instrumente spielen und selbst produzieren konnte, und man kann ohne Übertreibung sagen, dass ihm dieser Track seinen Vertrag verschaffte und seine Karriere erst richtig in Fahrt brachte. Unter diesem Aspekt hört man den »Schau, Mama! Freihändig!«-Anspruch der Musik heraus. Textlich ist es ungewöhnlich ambivalent für einen Song über Hingabe. Mal singt Prince, er wolle seiner Geliebten ihre Freiheit lassen, mal, dass er sie nahe bei sich brauche. Eine der Demoversionen bricht nach drei Minuten ab, und das wirkt wie das natürliche Ende des Songs. Die übrigen drei Minuten der veröffentlichten Fassung bieten in erster Linie Prince die Möglichkeit, sein musikalisches Können vorzuführen.

»Baby«, der Song über Schwangerschaft, der es auf die Platte schaffte, ist trotz Moons Bedenken der textlich raffinierteste Track und anrührender als alle Songs, die Prince für Emancipation (1996) schrieb, als er tatsächlich Vater wurde. Am meisten beeindruckten die Sparsamkeit des Songs und die Treffsicherheit des Textes. Zudem behandelt er zwei Themen, die Prince immer wieder beschäftigen sollten: Geld und Empfängnisverhütung. Presse und Biografen ritten gerne auf den Phasen herum, als Prince kurzzeitig in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken schien, aber seit seinem ersten Plattenvertrag genoss er fast durchgehend finanzielle Freiheit, und über Verarmung singt er nur in relativ frühen Songs.9 Hier sorgt er sich darüber, ob er sein Kind ernähren kann und seine Freundin heiraten sollte.10

In »My Love Is Forever« und »So Blue« geht es um lebenslange Hingabe (allerdings sollte man bedenken, dass es in dem späteren »Let’s Go Crazy« etwas gibt, was noch über »für immer« hinausgeht). Beide Texte sind typisch (»So Blue« ist der zweite Song auf dem Album, in dem Prince feststellt, dass die Sonne scheint, was jedoch angesichts des Wetters in Minneapolis verzeihlich ist), die Musik indes ist so ansprechend wie der Rest des Albums und Prince’ Akustikgitarre auf »So Blue« bereits wesentlich durchdachter und raffinierter als auf seinen Demos. Viel besser ist »I’m Yours«. Es ist nur eine Aufnahme von Prince’ erster Tournee bekannt – ohne den Song –, möglicherweise hat er ihn damals irgendwann live gespielt,11 aber er sollte erst 31 Jahre später im Conga Room in Los Angeles ins Bühnenprogramm zurückkehren. Dass das so problemlos ging, wirkt irgendwie erschreckend und deutet darauf hin, dass es Prince nie gelang, seinen Studioaufnahmen live gerecht zu werden. Es gab jedoch eine entscheidende Änderung im Text: Er ließ die Zeilen weg, in denen er behauptet, Jungfrau zu sein. Wie »Do You Wanna Ride?« ist dies ein Song, in dem sich Prince an eine erfahrenere Frau heranmacht, hier aber auf jegliche Prahlerei verzichtet. Er zählt zu seinen eher unterwürfigen Liedern, obwohl der musikalische Bombast diese Stimmung teilweise ausblendet.

Prince’ Interviews zu seinem Debüt waren nicht aufschlussreich. Typisch ist das Gespräch mit Cynthia Horner für Right On!, in dem er nur alberne und widersprüchliche Antworten gibt: Er hasse Klamotten, esse am liebsten pürierte Hefe und Bubble-Yum-Kaugummi und wolle nicht vor 2066 heiraten. Seltsamerweise beschwert er sich, dass Rockmusiker bis in die Nacht hinein aufbleiben und arbeiten müssten, wo er doch Zeit seines Lebens als Nachtmensch galt.

Nach dem Erscheinen von For You kaufte Prince sein erstes Haus und richtete sich im Keller ein primitives Studio ein. Sechs kurze Instrumentals, fünf unveröffentlichte Songs und eine neue Version von »Wouldn’t You Love To Love Me?« sind aus dieser Zeit bekannt. »Down A Long Lonely Road« ist ein eingängiger Chorus ohne Song, »Baby, Baby, Baby« kaum mehr als der Titel, eine unscheinbare Skizze und »Miss You« noch minimalistischer als die Songs auf dem Debütalbum. Zwei Songs über Freundinnen, eine echte (»Nadera«) und eine vermutlich idealisierte (»Donna«), verraten nicht viel über die Frauen, außer dass sie schön und unerreichbar (»Donna«) beziehungsweise cool (»Nadera«) sind. Weder die Songs noch die Frauen selbst hielten sich lang, Prince ließ sie bald hinter sich.

Pepe Willie und Chris Moon jedoch vergaß Prince zumindest für eine Weile noch nicht. »Polydor ließ uns fallen, bevor die Platte überhaupt draußen war«, sagt Willie, »und Prince, André und ich hingen in Minneapolis rum, und er war so untröstlich, dass er zu André sagte: ›Wir müssen wieder mit Pepe ins Studio gehen.‹ André sagte: ›Klar, machen wir‹, und ich: ›Na ja, wo kommt das Geld dafür her?‹ Ich wusste es nicht. Aber ich buchte das Sound 80, und Prince und ich schrieben ›Just Another Sucker‹ und ein anderer Freund und ich ›Lovin’ Cup‹, und dann schrieb ich noch ›Dance To The Music Of The World‹, und diese drei Songs nahmen wir auf. Prince spielte Schlagzeug, Keyboards und Gitarre, ich Akustikgitarre und André Bass. Ich fühlte mich echt gut, weil Prince und André mich unterstützten. Für mich waren sie die besten Musiker in Minneapolis.«12

Prince blieb mit Willie befreundet und ließ ihn sein Haus hüten, als er im Sommer 1978 in Los Angeles war. Willie fand es inspirierend, allein in Prince’ Heimstudio zu sein. »Er hatte einen Vierspurrekorder im Haus. Ich passte also auf das Haus auf und fing zu schreiben an. Als ich in Minneapolis mit Prince und den ganzen Leuten rumhing, hatte ich angefangen, Keyboards und ein bisschen Bass zu spielen. In seinem Haus hatte er all diese Instrumente. Ich schaltete den Rekorder an, spielte Gitarre und Keyboards und schrieb Songs: ›Love, Love, Love‹ und ›You Can Be My Teacher‹. Dann kam Prince aus Los Angeles, ich spielte sie ihm vor, und er spielte Bass und ein paar andere Sachen drauf. Das war in der France Avenue 5215, hier in Minneapolis. Hat Spaß gemacht.«13

Kurz nach dem Erfolg des ersten Albums, sagt Chris Moon, »kriege ich einen Anruf von Prince. Er sei jetzt bei Warner Bros. Er meint: ›Berühmt zu sein ist irgendwie einsam. Du weißt nicht recht, wer deine Freunde sind. Ich rufe an, weil ich dich um was bitten möchte. Ich möchte, dass du für meinen Vater tust, was du für mich getan hast. Kannst du ihn berühmt machen?‹ Ich sagte: ›Prince, ich habe deinen Vater noch nie getroffen.‹ Ein paar Tage später kriege ich einen Anruf: ›Hier ist der Vater von Prince. Mein Sohn sagt, du kannst mich berühmt machen.‹ Er kam vorbei, ein älterer Herr, dem sein Alter auch anzusehen war. Er hatte einen Koffer dabei, aus dem er ein Akkordeon holte. Ich dachte: O mein Gott, meine Fähigkeiten haben ihre Grenzen. Er zog traurig wieder ab, und ich habe nie wieder was von ihm gehört.«

1 Eine der erfreulichen Eigenschaften von Prince als Musiker war, wie häufig er auf seine Vergangenheit zurückgriff. Ein Beispiel dafür ist dieser Song, der auf seinem ersten Demotape enthalten war und den er am 28. März 2009 mit Chaka Khan bei einem Aftershow-Auftritt im Club Nokia in Los Angeles spielte.

2 Eine Gewohnheit, die er jahrelang beibehielt und die auf Probe- und Demoaufnahmen dokumentiert ist.

3 Sevelle zählt mit nur einem selbstbetitelten Album auf seinem Label Paisley Park zu den am wenigsten bekannten Prince-Partnern – sie ist aber eine der fleißigsten und veröffentlicht Romane im Selbstverlag, managt Rapper, erfindet neue Küchengeräte, die auf dem Homeshopping-Sender QVC vermarktet werden, und leitet Urban Farming, eine Wohltätigkeitsorganisation in Detroit, die mit Unterstützung von Atlantic Records (und Prince) brachliegendes Land bewirtschaftet und die Erträge an Obdachlose verteilt.

4 Bevor er Sevelle den Song gab, bot er ihn Michael Jackson an, nachdem er es abgelehnt hatte, auf »Bad« mit ihm im Duett zu singen. Seine Gründe hierfür sind unklar. Gut möglich, dass er es in gutem Glauben tat – schließ-lich ist es ein exzellenter Song, den er jahrelang sehr schätzte. Es könnte auch sein, dass er bei Jackson eine ähnliche Verzweiflung erkannte wie die, die er seitdem überwunden hatte. Jackson empfand sicherlich eine gewisse Rivalität mit Prince. In einem Artikel in Entertainment Weekly (23. Oktober 2009) über den postum erschienenen Jackson-Film This Is It berichtet Randy Phillips, Jackson habe seinem Choreografen Kenny Ortega gesagt, er könne nicht schlafen oder Urlaub nehmen: »Wenn ich nicht da bin, um die Ideen zu empfangen, gibt Gott sie vielleicht Prince.«

5 Vgl. die Rebels-Songs »You« und »If I Love You Tonight«, von denen noch die Rede sein wird.

6 Dave Hill behauptet in seinem Buch Prince: A Pop Life (1989), Moon habe die Rechte an diesen Songs an Prince’ Verlag Controversy Music verkauft. Ich habe Moon nicht danach gefragt.

7 The Vault erwähnt zwei weitere unbekannte Songs: »Love In The Morning« und »You Really Get To Me«.

8 Diese beiden Songs waren nicht die letzten, an denen Prince mit 94 East arbeitete, aber die letzten veröffentlichten; sie erschienen 2002 als Download unter dem Titel 94 East Featuring 10.15 And Fortune Teller Remix With Prince On Guitar.

9 Bezahlt zu werden blieb ein Thema, das ihn bewegte, ebenso wie die US-Wirtschaft allgemein, so etwa 2009 in dem Song »Ol’ Skool Company« über die Finanzkrise.

10 Über Empfängnisverhütung äußerte Prince im Laufe seiner Karriere sehr unterschiedliche Ansichten, wie wir noch sehen werden. Es ist jedoch bezeichnend, dass er in diesem Song einen sehr vorsichtigen Mann besingt, ohne zu erläutern, wie er diese Vorsicht umsetzt.

11 In The Vault heißt es, er habe ihn bei seiner ersten Show überhaupt gespielt.

12 Diese drei Tracks erschienen 1986 auf Minneapolis Genius, 1995 auf Symbolic Beginnings (sowie als alternative »Practice Session« von »Dance To The Music Of The World«) und 2008 auf One Man Jam.

13 Diese zwei Songs waren auch auf dem 94-East-Album Symbolic Beginning enthalten.

Prince

Подняться наверх