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Kapitel 2 DAS GESCHÄFT MIT DER MUSIK

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Die Autoren früherer Prince-Biografien haben versucht, sich ausgehend von Prince-Songs, die sich mit dem Thema Kindheit befassen (»Sister«, »Da, Da, Da«, »The Sacrifice of Victor« und »Papa«), ein Bild von Prince’ eigener Kindheit und seinem Familienleben zu machen. Und tatsächlich decken sich einige der Darstellungen in diesen Songs mit Dingen, die Prince in Interviews offengelegt hat. Als er zum Beispiel 2009 in einem TV-Interview mit Tavis Smiley erklärte, dass er als Kind an Epilepsie gelitten habe, feierten die Medien das zwar als sensationelle Offenbarung, allerdings hatte er 17 Jahre zuvor bereits in »The Sacrifice of Victor« darüber gesungen.

Selbstverständlich sollte man die Songs von Prince nicht auf ihren vermeintlichen autobiografischen Hintergrund reduzieren, sein Werk ist vielschichtig, nicht nur oder nicht so sehr persönliche Offenbarung als vielmehr Mythenbildung in eigener Sache. In vielen seiner Songs scheint ein Hang zur Selbstinszenierung und zum Spaß an der eigenen Mystifizierung durch, die eine autobiografische Lesart schwierig machen. Dennoch hat Prince in seinen Songs und auch auf der Bühne außerordentlich viel von sich preisgegeben – ganz gleich, wie geheimnisvoll er vielen erscheinen mag –, und es scheint, als sei er seinem Publikum gegenüber aufrichtiger gewesen als gegenüber den Medienvertretern, die er nicht sonderlich schätzte.

Wer die Wahrheit sucht, hat es also nicht leicht, auch weil die Mitglieder von Prince’ Familie ähnlich zur Legendenbildung neigen. So etwa seine leibliche Schwester Tyka Nelson, die sich 1988 mit dem netten, aber belanglosen Popfunkalbum Royal Blue als Musikerin versuchte. (Prince hat außerdem die Halbschwestern Lorna und Sharon Nelson sowie den Halbbruder John junior väterlicher- und Halbbruder Alfred mütterlicherseits.) Sie bestätigte einer britischen Boulevardzeitung gegenüber, dass sie mit Prince zusammen pornografische Bücher gelesen habe, wie dieser einst behauptet hatte. Ihre Mutter Mattie Baker hatte dies dagegen stets dementiert.

Über Prince’ Kindheit kursieren etliche Geschichten, von denen die meisten mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. So etwa auch der musikalische Hintergrund seines Vaters. Immer wieder hört man, John L. Nelson sei Jazz-Musiker gewesen. Allerdings machte er keinen klassischen Jazz. Was er spielte, klingt viel befremdlicher und kommt dem Genre der »Outsider Music« wohl näher als dem Jazz.1

Ganz gleich, welche Einstellung Prince zu seinem Vater gehabt haben mag (und in den Jahren vor dessen Tod scheinen seine Gefühle ihm gegenüber stark geschwankt zu haben), Respekt vor dessen musikalischem Talent hatte er immer. Für die Bandmitglieder von The Revolution nahm er Kassetten mit den Songs seines Vaters auf, und bei Stücken wie »Around The World In A Day«, »The Ladder« und »Scandalous« gesteht er ihm eine Co-Autorenschaft zu. Zwar vermuten viele, dass dies lediglich als gut gemeinte Geste zu begreifen ist, die der Sohn dem Vater entgegenbrachte, tatsächlich jedoch scheint Prince beim Schreiben der Songs von der Erinnerung an das Klavierspiel des Vaters inspiriert worden zu sein. Nelson selbst erzählte MTV-VJ Martha Quinn auf der Premierenparty zu Prince’ zweitem Film: »Ich spielte Klavier in einem Stripclub an der Hampton Avenue in Minneapolis und hatte viel Spaß dabei.« Prince teilte irgendwann das Interesse seines Vaters für Stripclubs als Inspirationsquelle – einmal schickte er sogar Kopien eines Songs, den er für Carmen Electra geschrieben hatte, an Stripclubs in ganz Amerika.

Nancy Hynes, die mit Prince die John Hay Elementary School besucht hat und im selben Viertel wohnte, erzählte mir einiges über die Gegend und die Schule. Ihre Eltern waren »weiße Liberale, die für Bürgerrechte und Solidarität eintraten und bewusst in die schwarze Innenstadt zogen«, und zwar 1967, einen Monat nach den größten Unruhen in West-Minneapolis. »In dem Haus, das wir kauften, hatten zuvor zwei ältere jüdische Schwestern gewohnt«, erzählt sie weiter. »Niemand verstand, wieso eine weiße Familie in diese Gegend zog. Die Häuser nebenan gehörten einem Paar unterschiedlicher Hautfarbe, was damals noch in einigen Südstaaten illegal war, sowie einer schwarzen Familie. Prince hielt sich oft in dem Haus seiner Tante auf, das gegenüber lag.«

Hynes erinnert sich auch an die engagierten jungen Lehrer, die sich ebenfalls bewusst entschieden hatten, dort zu unterrichten. »Die Kinder in unserer Schule kamen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, waren aber überwiegend schwarz. In der damaligen Terminologie zählten dazu auch ›gemischtrassige‹ Kinder. Im Musikunterricht spielte man uns vor allem Platten vor, es ging darum, ob wir lieber die Osmonds oder die Jackson Five hören wollten. Die Jackson Five lagen immer vorn.« Die Schule verfolgte ein ganzheitliches Konzept. »Es war nicht ungewöhnlich«, sagt Hynes, »dass wir, nachdem wir einen Film angeschaut hatten, eine Kurzgeschichte schreiben oder ein Bild malen sollten. Wir sprachen viel über Musik und über Filme.«

Hynes widerspricht Tyka, der Schwester, die dem Prince-Biografen Per Nilsen gegenüber beklagte, es habe keine Schulspeisung gegeben2: »Ich kann mich lebhaft an das Mittagessen in der Schule erinnern – es war fürchterlich. Kartoffelbrei mit Soße, und der Brei landete an der Zimmerdecke, wo er hingehörte.« Hynes ging zwar nicht in dieselbe Klasse wie Prince, hatte aber die gleichen Lehrer, etwa Mrs. Rader. Hynes’ Freundin Elizabeth Fuller erinnert sich: »Ob Prince zu cool für die Schule war? Absolut. Die meiste Zeit verbrachte er im Musiksaal im vierten Stock oder in einem Proberaum, oder er saß einfach auf einer der breiten Ziegelfensterbänke und spielte Gitarre. Er spielte in keiner Schulband, er hatte eine eigene. Ich glaube, sie spielte einmal auf einer unserer Partys. Der eine Song, der mir besonders im Gedächtnis blieb, bestand ausschließlich aus Schimpfwörtern.«

Ohne alte Kamellen aufzuwärmen, möchte ich eine Legende erwähnen, die in den meisten Prince-Biografien auftaucht. Howard Bloom – seit den frühen 80ern Prince’ Publicitymann – sagte, die wichtigste, prägendste Erinnerung sei für Prince gewesen, seinen Vater auf der Bühne erlebt zu haben, als er fünf Jahre alt war, inmitten einer kreischenden Menge, umgeben von attraktiven Frauen. Zwei Jahre später, mit sieben, schrieb er seinen ersten Song mit dem richtungsweisenden Titel »FunkMachine«.3 Als Prince zehn war, ließen sich seine Eltern scheiden. Prince hat mehrmals, etwa 1999 in einem Videointerview4, gesagt, sein Vater habe nach der Trennung sein Klavier zurückgelassen. Zwei Jahre lang hatte er es ganz für sich, dann verließ er seine Mutter und zog zu seinem Vater.

Neben Musik interessierte sich Prince sehr für Sport – ein Hobby, das er bis zum Ende pflegte, wie der Song »Purple And Gold« zeigt, den er 2010 für sein Football-Team Minnesota Vikings schrieb. Nancy Hynes kann sich an Sportunterricht an der John Hay nicht erinnern, und dem Biografen Jon Bream zufolge erwachte Prince’ Interesse an Sport erst an der nächsten Schule, der Bryant Junior High, wo er zur »Sportskanone«5 wurde und Baseball, Football und Basketball spielte (ein Foto zeigt ihn mit der Basketballschulmannschaft).

Dieser Lebensabschnitt war eine Zeit des Umbruchs. Alan Leeds, in den 80ern Prince’ Road-Manager, sagte mir: »Prince’ Verhältnis zu beiden Eltern war ziemlich angespannt. Sie hatten sich in seinen prägenden Jahren getrennt, und er landete bei seinem Vater, nicht bei der Mutter – für damals ungewöhnlich.« Prince freundete sich mit dem Stiefsohn seines Vaters, Duane, an (später war dieser Teil seiner Road-Crew), zog bald aber zu besagter Tante gegenüber von Nancy Hynes.

Dort lernte er einen Mann kennen, der für sein Leben von entscheidender Bedeutung war: Pepe Willie, der Freund seiner Cousine Shantel Manderville. »Ich war 23, er muss 13 gewesen sein«, sagt Willie. »Er war noch ein kleiner Junge. Ich schenkte ihm zunächst keinerlei Beachtung.«

Pepe Willies Onkel Clarence Collins war Gründungsmitglied der Little Anthony & The Imperials, über ihn wusste Willie einiges über das Musikgeschäft. Er versorgte als Laufbursche Künstler wie Chubby Checker, The Coasters, Ike & Tina Turner und Dionne Warwick mit Zigaretten, Hamburgern und Cheesecake, hatte aber nicht nur Zugang zum Backstagebereich, sondern begleitete seinen Onkel auch zu Essen mit den Bands und war bei Geschäftsbesprechungen anwesend. Dabei lernte er genug, um dem jungen Prince zu erklären, was Copyright, Publishing und Aufführungsrechte bedeuten. »Prince fragte mich: ›Worum geht es bei diesem ganzen Publishing?‹«, erzählt Willie. »Ich sagte: ›Wenn ich nach Minneapolis komme, setzen wir uns zusammen und besprechen das.‹« Willie war außerdem kein schlechter Musiker, spielte Schlagzeug und Gitarre.

Prince hatte von Anfang an eine eigene Band. Mit André Anderson (der sich später André Cymone nannte) und seinem Cousin Charles Smith gründete er Grand Central. Andrés Keller war ihr Proberaum. Dieser Keller, in dem Prince relative Freiheit genoss, wurde zum Kern seiner Privatmythologie. Howard Bloom meint, ein Großteil seiner Karriere und seiner Experimente wie Paisley Park gingen auf die Sehnsucht zurück, das Glücksgefühl aus Andrés Keller wiederherzustellen.

Auch um die Radiosender, die er zu jener Zeit in Minneapolis hörte, ist viel Aufhebens gemacht worden, nicht zuletzt von Prince selbst. Insbesondere KQRS spielte eine Vielfalt an weißer und schwarzer Musik, die seinen Sound geprägt haben könnte. Prince besuchte gern Konzerte, auch in späteren Jahren, allerdings interessierten ihn fast ausschließlich weibliche Künstler (dass er im Mai 2010 ein Konzert der örtlichen Band Gayngs im Club First Avenue in Minneapolis besuchte, war eine seltene Ausnahme). Eine seiner Lieblingsmusikerinnen, die ihn maßgeblich beeinflusste, war Joni Mitchell. Sie erinnert sich, dass er im Publikum war, als sie mit ihrem Album The Hissing Of Summer Lawns tourte, das Prince später dem Rolling Stone gegenüber in den höchsten Tönen pries. »Ich glaube, das war er. Erste Reihe links. Ziemlich auffällig, weil er Augen wie ein Papageitaucher hatte, diese ägyptischen Augen, große, exotische Augen.«6 Todd Rundgrens Exgeliebte Bebe Buell sagte mal: »Ich traf Prince, als er 16 war, als Todd 1974 in Minneapolis spielte – diesen winzig kleinen Burschen mit überdimensionaler Frisur, der hinter der Bühne stand und Todd kennenlernen wollte. Todd zog seine übliche ›Oh, hallo Kleiner‹-Nummer ab, und Prince meinte: ›Ich spiele alles und bin echt talentiert.‹«7

Von Anfang an verkaufte sich Prince als Wunderkind und konzentrierte sich voll auf harte Arbeit, Disziplin und den unbedingten Wunsch, berühmt zu werden. In seinem ersten Interview mit der Schülerzeitung seiner Highschool betonte er 1976, er mache bereits seit zwei Jahren Aufnahmen mit seiner Band, die nun Grand Central Corporation hieß. Pepe Willie sah sie erstmals auf einer Skiparty von Shantel Mandervilles Vater: »Ich fand sie großartig. Prince spielte Gitarre, Morris Schlagzeug, André Bass, Andrés Schwester Keyboard, und dieser andere Bursche, wir nannten ihn ›Hollywood‹, spielte Percussion.

Gegründet hatte die Band eigentlich Prince’ Cousin Charles, aber der war zu sehr mit Football beschäftigt und war zwei Wochen zuvor ausgestiegen. Er war der Drummer. Als ich sie sah, war Morris Day Schlagzeuger und seine Mutter LaVonne Managerin. Sie hatte ihm ein siebenteiliges Schlagzeug gekauft und sagte zu mir: ›Ich würde gerne für dich mit ihnen arbeiten.‹ Sie hielten mich für einen Spitzenproduzenten aus New York.«

Willie zufolge bestand das Set aus Coverversionen von Earth, Wind & Fire und anderen damals angesagten Bands. »Von ihrer eigenen Musik spielten sie auf der Skiparty nichts. Ich ging in den Dachboden hinauf, wo sie immer probten, und fragte: Habt ihr eigenes Material? Prince hatte einen Song mit dem Titel ›Sex Machine‹, André einen, der ›39th St. Party‹ hieß, und noch einen namens ›You Remind Me Of Me‹.

Sie spielten ›You Remind Me Of Me‹, und mir fiel auf, dass es kein Intro gab. Sie fingen zu spielen an und sangen plötzlich los. Ich versuchte, den Text zu verstehen, aber jeder sang was anderes. Dann hörten sie zu singen auf und spielten einfach vier oder fünf Minuten lang weiter. Also unterbrach ich sie und sagte: ›Okay, erst mal ist der Aufbau falsch. Ihr Jungs braucht ein Intro, dann eine Strophe, dann einen Chorus, und der ist die Hookline, die sich die Leute einprägen.‹

Weiter ging’s mit Prince’ Song ›Sex Machine‹. Prince ging hinüber zu Andrés Schwester Linda, um ihr zu sagen, was sie spielen sollte. Er stellte seine Gitarre weg, ging zum Keyboard und zeigte es ihr. Dann nahm er die Gitarre und fing mit dem Song an. Dann brach er ab und sagte: ›André, gib mir deinen Bass‹, und spielte diesen verblüffenden Basslauf. Und André war genauso talentiert. Bevor Prince mit dem Basslauf fertig war, sagte er schon: ›Ich weiß, was du meinst‹, nahm den Bass und spielte genau das. Prince und André wetteiferten miteinander, wer die meisten Songs pro Tag schreiben konnte.«

Bald beschloss Willie, Prince zu sich ins Studio zu holen. »Ich stellte meine Band 94 East zusammen, mit Wendall Thomas, dem Freund der Cousine meiner Frau. Pierre Lewis war damals 17. Er war Keyboarder und spielte viel Herbie-Hancock-Zeug, und sein Bruder Dale Alexander war Schlagzeuger. Er war 16. Später spielte er bei Madhouse [der Jazzband von Prince]. Marcie und Kristie waren Freundinnen, wir gingen zusammen aus, und ich stellte fest, dass sie singen konnten. Und ich sah Prince all diese Instrumente spielen und sagte zu ihm: ›Ich will, dass du etwas mit mir aufnimmst‹, und er war begeistert, weil er noch nie in einem Studio gewesen war.«

Sie übten zwei Wochen lang und begaben sich ins Cookhouse, laut Willie »ein erstklassiges Aufnahmestudio. Das war vor dem Sound 80, dem Topstudio im mittleren Westen. Um in das Studio zu gelangen, schaute ich jedes Wochenende vorbei und sprach mit der Sekretärin, und sie stellte mich dann dem Toningenieur vor. Ich war bloß so ein schwarzer Junge aus Brooklyn.

Als wir mit der Band reingingen, mussten wir jeden einzeln abholen, weil keiner einen Führerschein hatte. Niemand hatte einen Koffer für sein Instrument, das Zeug war mit Schnüren und Klebeband zusammengepackt. Und selbstverständlich musste ich die Burschen bezahlen, aber die Gewerkschaft teilte mir mit, ich könne einen Demovertrag machen und wir könnten Prince ein Drittel bezahlen, 20 Dollar oder so, das war toll.«

94 East nahmen im Cookhouse fünf Songs auf – »Games«, »I’ll Always Love You«, »If We Don’t«, »Better Than You Think« und »If You See Me«. »Fünf Songs in vier Stunden«, sagt Willie. »Wir zählten einfach ein, bam-boom, und spielten los.« Prince indes war mit der Eile nicht recht glücklich. Willie erinnert sich: »Tags darauf rief Prince bei mir an und sagte: ›Pepe, ich muss noch mal ins Studio. Ich habe einen Fehler gespielt.‹« Willie war mit dem Song zufrieden, sorgte aber dafür, dass Prince seinen Fehler ausbessern konnte, während er selbst Golf spielen ging.

Die Aufnahme, sagt Willie, dokumentiert dieses frühe Beispiel für Prince’ Perfektionismus: »Wenn du dir den Teil von ›If You See Me‹ anhörst, das auch ›Do Yourself A Favour‹ heißt, merkst du, was er verändert hat. Den Gitarrenpart, den er da spielt, spielt er noch mal, wenn sich der Teil wiederholt, aber der EQ war anders eingestellt, weil sie nach unserer Aufnahme noch eine andere machten und die Gitarre nicht mehr genauso einstellen konnten, wie sie war.«8 Willie verschaffte sich mit den Demos einen Plattenvertrag bei Polydor, aber 94 East wurden nach der Aufnahme der ersten Single wieder fallen gelassen, und die Songs kamen erst knapp zehn Jahre später auf den Markt.9

Das Auffälligste an Prince’ früher Musikkarriere – von seinem ersten Einstieg in eine Band 1973 mit 15 bis zum Erscheinen seines zweiten Albums Prince 1979 – ist, wie hart er dafür arbeitete, gemocht zu werden. Dabei entstanden zahlreiche provokative Songs. Und wie man die Aufmerksamkeit der Massen gewinnt, lernte er so richtig erst in der Phase danach (1980–1984). Der überwältigende Eindruck der sehr frühen Jahre ist der eines jungen Musikers, der die Welt erobern möchte. Von früher Kindheit bis zu seinem Tod arbeitete er extrem hart, traf auf seinem Weg aber auch auf eine überraschende Zahl von Leuten, die nicht nur bereit waren, ihn zu unterstützen, sondern auch sein enormes Talent sofort erkannten. Die Figur Prince wurde gezielt und konsequent aufgebaut. Der Enthusiasmus lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass so viele Musiker (und Geschäftsleute) in Minneapolis auf der Suche nach einer Chance zum Durchbruch waren. Anders als in Los Angeles oder New York, wo talentierte Künstler eine Unzahl an Möglichkeiten vorfanden, war es in Prince’ Heimatstadt nicht so einfach. »All diese anderen Musiker und Bandmitglieder hatten gehört, was wir machten«, erinnert sich Willie. »Wir waren in aller Munde. Prince war im Studio, jeder kannte ihn, und in der Stadt gab es [die legendären Musikproduzenten] Jimmy Jam und Terry Lewis. Sie hatten einen Bus, der Flyte Time hieß. Mit dem fuhren sie herum und spielten Gigs, und manchmal spielten Prince und diese Typen die gleichen Gigs. Ich war der Einzige, der ihnen was über die Musikindustrie erzählte, weil die Leute hier davon keine Ahnung hatten. Die Einzigen, die was veranstalteten, waren Bob Dylan und vielleicht Kenny Rogers & The First Edition, aber schwarze Acts machten in Minneapolis gar nichts.«

Pepe Willie war nicht der Einzige, dem Prince’ Talent auffiel. Als Prince und seine Band sich im Studio des in England geborenen Produzenten und Songwriters Chris Moon in Minneapolis einbuchten, hießen sie nicht mehr Grand Central, sondern, eher richtungsweisend, Champagne. Moon erzählte mir, er habe sein Moonsound-Studio gestartet, indem er mit 18 nach Hongkong gefahren war, um ein Tonbandgerät zu kaufen, und örtlichen Bands kostenlose Aufnahmen anbot, während er hauptberuflich das Studio der Werbeagentur Campbell Mithun leitete. Außerdem kam er »auf die clevere Idee, mir einen Namen zu machen«, indem er den größten Radiosender der Stadt, KQRS, überredete, Mitschnitte aller großen Konzerte in Minneapolis, etwa der Rolling Stones, zu senden, die er mit einem Studio in seinem Lieferwagen aufnahm. Wahrscheinlich hatte Prince, der die Rockshows auf KQRS bekanntermaßen liebte, Moons Aufnahmen gehört, bevor er ihm persönlich begegnete, zudem setzte er später selbst gerne mobile Studios in Lastwagen ein, um Auftritte mitzuschneiden.

Neben seinen Tätigkeiten als örtlicher Produzent und Studioingenieur hatte Moon auch literarische Ambitionen. »Ich habe immer geschrieben. Seit ich echt jung war, habe ich Gedichte geschrieben. Ich saß also da hinter’m Mischpult, schaute mir all diese Bands an und dachte: Die Texte, die diese Burschen singen, sind größtenteils ziemlich miserabel. Ich weiß, dass ich das besser kann. Ich wollte aber nicht der sein, der singt, also hatte ich eine Idee: Vielleicht suche ich mir eine Band und schreibe das Material, sie produzieren es, und ich promote die Band, die meine Songs spielt.

Also machte ich mir Gedanken, wer dafür in Frage kam. Im Studio gaben sich die lokalen Bands die Klinke in die Hand, und langsam wurde mir klar, was eines der großen Probleme mit Bands ist: Da ist immer ein Typ dabei, der sich nicht richtig aufraffen kann. Genau zu dieser Zeit kamen Champagne mit dieser matronenhaften Dame [LaVonne Daugherty] als Managerin ins Studio. Sie war sehr nett.« Moon meint, es seien fünf Bandmitglieder gewesen, »alle etwa 15, 16 Jahre alt«, anderen Darstellungen zufolge war die Band damals ein Trio, und an diese drei erinnert sich Moon rückblickend namentlich.

»Es war ein sonniger Tag, und auf der Straßenseite gegenüber war eine Baskin-Robbins-Eisdiele mit 31 Eissorten. Wir hatten vier oder fünf Stunden lang aufgenommen, und die Managerin meinte: okay, legen wir eine Pause ein, bevor wir den Gesang machen.‹ Also machten alle Pause, und sie und die Band gingen hinüber zur Eisdiele. Alle außer einem. Im Studio blieb Mister Individualität-ich-bin-lieber-alleine, der kleine Eins-sechzig-Junge mit dem Afrokopf, mehr Afro als Junge. Ich sitze also da und trinke eine Dose Limo, die Füße hochgelegt, schaue durchs Fenster, und da sitzt er am Schlagzeug. Ich nehme noch einen Schluck, gehe ein paar Minuten später wieder zum Fenster im Abhörraum, und er sitzt am Piano. Wieder vergehen fünf Minuten, und da spielt er Bass. Also drehe ich die Mikros auf, um festzustellen, ob er was taugt. Er ist nicht schlecht. Er wirkt selbstbewusst, beherrscht manches besser, anderes nicht so gut, aber ist insgesamt auf all den Instrumenten souverän. Und da wird mir klar: Wenn ich nur einen Künstler habe, brauche ich mir keine Gedanken über den Schlagzeuger machen, der nicht auftaucht und die ganze Session ins Wasser fallen lässt.«

Moon wartete ab, bis sie mit ihren Sachen fertig waren, und wandte sich dann an Prince. »Er war furchtbar, furchtbar schüchtern und extrem introvertiert. Ich sagte, ich hätte einen Vorschlag für ihn, und er knurrte nur. Ich sagte: ›Ich bin Autor, Produzent und Toningenieur, will aber nicht der Künstler sein, und ich hab mich gefragt, ob du möchtest, dass ich was aus dir mache. Ich promote dich, schreibe deine Songs, erkläre dir, wie das Studio funktioniert, und dann schauen wir mal, ob wir für dich was erreichen.‹

Und er blickte mich an und war so überrascht von dem Angebot wie ich darüber, dass ich es machte. Da war dieser Junge aus dem Norden der Stadt, den ich nicht kannte, mit dem ich nie zuvor geredet hatte, und ich mache ihm so ein Angebot. Ich glaube nicht, dass er Ja sagte, er nickte einfach, und ich gab ihm die Schlüssel für mein Studio. Das war alles, was ich auf der Welt hatte. Ein zurechnungsfähiger oder vernünftiger oder besonnenerer Mensch hätte so was wahrscheinlich nicht getan.«

Seine Abmachung mit Prince, sagt Moon, war simpel: Er würde alles bezahlen und wollte lediglich Autorencredits für die Songs, die er schrieb. Prince freute sich über den Deal, aber die Managerin, Days Mutter, war, wie sich Moon erinnert, »nicht sehr glücklich damit, und die Band war auch nicht begeistert, weil Morris Day damals schon eine ziemlich extravagante, ausgefallene, starke Persönlichkeit war. Deshalb kam es ihm schwierig vor, dass das stillste Mitglied der Band den Vorzug vor ihm, dem Frontmann, erhielt.« Day war nicht der einzige Musiker, der sich später The Time anschloss und den Moon überging, bevor er mit Prince zu arbeiten beschloss. »Wir machten mit Prince ein paar Sessions mit [Jimmy] Jam und [Terry] Lewis. Ich holte Jimmy und Terry, um an anderen Sachen zu arbeiten. Sie traten sehr selbstsicher auf, als wären sie die Größten. Sie spielten auf ein paar Tracks, und ich denke, als sie gingen, hatten sie das Gefühl, ich sollte viel beeindruckter von ihnen sein und sie mir schnappen so wie Prince. Nicht dass ich nicht beeindruckt war, aber sie waren einfach von Anfang an so eng verbunden, ein solches Team, dass ich nicht das Gefühl hatte, da ist Platz für einen Dritten.« Und was Moon anging, war Prince die Zukunft.

1 Neben den Prince-Songs, für die er Autorencredits erhielt, stammen die wichtigsten erhaltenen Aufnahmen von John L. Nelson von dem Album Father’s Song, das er 1994 veröffentlichte. Prince’ Schwester Sharon stellte 2009 die Compilation 57th Street Sound zusammen, die ebenfalls auf einige dieser Tracks zurückgreift. Die Aufnahmen entstanden nach Prince’ Durchbruch und sind daher schwer angemessen einzuschätzen, geben aber einen Eindruck von seiner Spielweise – spektral, nicht ausgebildet, aber mit Momenten, die an das musikalische Denken und Schaffen seines Sohnes erinnern. So seltsam Nelsons Klavierspiel auf diesen Aufnahmen klingt, hatte er doch prominente Bewunderer, etwa den Soul- und R&B-Sänger Terence Trent D’Arby, der ihn in Deutschland traf, ihn Franz Liszt und Duke Ellington (den Jazzmusiker, der Prince am meisten prägte, ehe er dank Kollegen wie Lisa Coleman und Eric Leeds und seiner Freundschaft mit Miles Davis in den späten 80ern wirklich offen für Jazz war) spielen hörte und ihn als »unbesungenen Meister« bezeichnete.

2 Per Nilsen, DanceMusicSexRomance – Prince: The First Decade (London: Firefly 1999), S. 17.

3 AOL-Live-Interview mit Prince, 22. Juli 1997.

4 Rave Un2 The Year 2000 (Geoff Wonfor 1999).

5 Jon Bream, Prince: Inside The Purple Reign (New York: Macmillan 1984), S. 21.

6 Words & Music (Radiosendung), Interview mit Joni Mitchell von Morrissey, 18. Oktober 1996, Abschrift von Lindsay Moon.

7 Barney Hoskyns, Ragged Glories (London: Pimlico 1993), S. 307.

8 Vielleicht weil er so viel Zeit damit zugebracht hatte – oder damals schon ein Gespür für Hits hatte –, interessierte dieser Song Prince weiterhin. Er nahm ihn – unter dem Titel »Do Yourself A Favour« – in den frühen 80ern selbst auf, und Jesse Johnson spielte ihn 1986 für sein Album Shockadelica ein, das Prince maßgeblich beeinflusste.

9 Willie veröffentlichte einen Track – »Games« in aktualisierter Version – von diesen Sessions 1986 auf dem Album Minneapolis Genius – The Historic 1977 Recordings. 1995 brachte er die Originalversionen der fünf Tracks auf der Doppel-CD Symbolic Beginning, die »94 East featuring Prince« zugeschrieben war, neben Instrumentalversionen von »Games«, »If You See Me« (als »If You See Me First«) und »Better Than You Think«. Auf One Man Jam (2008) erschienen die Songs ein weiteres Mal. 2011 veröffentlichte Willie die Originaldemos erneut (in digitaler Form als Remix des späteren Revolution-Mitglieds Matt Fink) als Download unter dem Titel The Cookhouse Five.

Prince

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