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Das Internet als Informationsmedium

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Schon seit einigen Jahren nimmt das Internet als Informationsmedium neben gedruckten Publikationen eine nahezu gleichberechtigte Stellung ein. Namhafte wissenschaftliche Verlage stellen den traditionellen Printmedien verstärkt Onlinepublikationen wie E-Books und E-Journals an die Seite, einschlägige Nachschlagewerke wie The New Grove Dictionary of Music and Musicians (NG2) werden in ein Onlineangebot (Grove Music Online) umgewandelt und als E-Publikation weitergeführt, Doktoranden veröffentlichen ihre Dissertationen über die Homepages ihrer Universitätsbibliotheken, und schon jetzt gibt es in vielen Fachdisziplinen Zeitschriften, die nicht mehr gedruckt, sondern nur noch online herausgegeben werden. Onlineveröffentlichungen sind überaus praktisch und bequem: Sie sind vergleichsweise kostengünstig, allzeit verfügbar, nicht an Bibliotheksöffnungszeiten gebunden und lassen sich von nahezu jedem Ort der Welt über Computer oder allerlei Arten von mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets recherchieren und einsehen. Das Angebot an digitalen Veröffentlichungen ist auch im privaten Rahmen seit Jahren |59| kontinuierlich angestiegen. Jeder, der über einen Computer, eine funktionierende Internetverbindung und die notwendigen technischen Kenntnisse verfügt, kann in wenigen Minuten eine eigene Homepage oder einen Blog erstellen und Texte, Bilder, Video- und Audiodateien darüber veröffentlichen.

Eine schon jetzt unübersichtliche Zahl von Recherchewerkzeugen wie Suchmaschinen, Onlinekatalogen, Datenbanken und digitalen Sammlungen soll den Zugang zu den zahllosen Angeboten im Internet gewährleisten (zu den Recherchewerkzeugen siehe das folgende Hauptkapitel, S. 144). War es noch vor einiger Zeit eine der größten Herausforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens, die benötigten Arbeitsmaterialien überhaupt zu finden und zu beschaffen, ist heute das weitaus größere Problem, die Massen an Informationen und Materialien, die sich über das Internet in Sekundenschnelle recherchieren lassen, zielsicher auszuwählen, zu ordnen, zu gewichten und zu bewerten.

Denn die scheinbare Barrierefreiheit des Internets bringt eine ganze Reihe an Problemen mit sich. Genauso schnell, wie sich etwas im Internet veröffentlichen lässt, ist es auch wieder gelöscht; was also eben noch verfügbar war, kann schon einen Tag später nicht mehr auffindbar oder unter einer anderen Adresse abgelegt sein. Ein anderes Problem ist vielleicht noch gravierender: Gerade weil jeder, ob Spezialist oder Laie, in kürzester Zeit Inhalte aller Art veröffentlichen kann, ist es besonders für Studierende mitunter schwer zu entscheiden, ob ein Text verlässliche oder qualitativ ungenügende Informationen bietet. Und gerade weil es so bequem ist, schnell einen Begriff zu »googeln« und die Informationen von der erstbesten Webseite zu übernehmen, anstatt zunächst nach einer verlässlichen wissenschaftlichen Publikation zu suchen – die vielleicht nur gedruckt vorliegt –, läuft man Gefahr, die Schnelligkeit des Internets über die Qualität der Ergebnisse zu stellen. Das Bewusstsein für Qualität und wissenschaftliche Relevanz sollte daher immer die oberste Priorität beim Umgang mit Medien aus dem Internet haben.

Um sich in der Informationsfülle, die das Internet zu bieten hat, zurechtzufinden, hilft folgende Systematisierung: Nicht bei allen Inhalten, die online zugänglich sind, handelt es sich auch um digitales Material im eigentlichen Sinne. Ein großer Teil der Angebote, auf die man im Internet stoßen wird, sind digitalisierte Materialien, die zunächst in Printform veröffentlicht und anschließend eingescannt und digital bearbeitet wurden (z.B. Google Books, ältere Zeitschriften, digitale Sammlungen usw.). Immer häufiger erscheinen Publikationen auch parallel in einer gedruckten und in einer Onlineausgabe wie zahlreiche Fachzeitschriften (z.B. Early Music). Auch ein eingescanntes Buch bleibt aber in erster Linie ein Buch, und die Kriterien des wissenschaftlichen Arbeitens, die für dieses Buch gelten, gelten auch für die digitale |60| Reproduktion des Buches auf dem Computerbildschirm. Schwieriger wird es bei Materialien, die ausschließlich online veröffentlicht wurden. Im Gegensatz zu gedruckten Medien, die eventuell sogar in einem spezialisierten Fachverlag erschienen sind, durchlaufen viele Onlineveröffentlichungen wie die Onlineenzyklopädie Wikipedia keine wissenschaftliche Qualitätskontrolle (siehe die Informationen zu Wikipedia, S. 33). Hier ist es mitunter schwer zu entscheiden, welchen Inhalten man vertrauen kann und welchen nicht.

Wikipedia ist jedoch beileibe nicht das einzige Informationsangebot, das das Internet bietet. Viele andere Webseiten stellen Informationen von einiger musikwissenschaftlicher Relevanz bereit. Dazu gehören etwa offizielle Webseiten von Komponisten und Künstlern, von Museen, Galerien, Gesellschaften, Archiven, Bibliotheken, Kirchen, Konzert- und Opernhäusern, Verlagen, CD-Firmen, Radiosendern u.v.m., aber auch unzählige private Seiten, die auf sehr unterschiedlichem Niveau vielfältige musikalische Themengebiete behandeln. Der Umgang mit solchen Webseiten erfordert immer eine besondere Wachsamkeit, und selbst wenn die dort gefundenen Informationen auf den ersten Blick äußerst hilfreich für die eigene Arbeit erscheinen, sollte man sie niemals unkritisch verwerten, ohne sich zuvor folgende Fragen gestellt zu haben:

Wer hat den Text geschrieben? Lässt sich der Autor überhaupt ermitteln, und wenn ja, ist es ein etablierter Wissenschaftler oder ein »Hobbyforscher«, der sich in seiner Freizeit mit seinem Lieblingskomponisten beschäftigt? Hier bringt eine einfache Internetsuche häufig das gewünschte Ergebnis.

Auf was für einer Webseite ist der Text veröffentlicht? Handelt es sich z.B. um die private Homepage eines Bach-Enthusiasten oder um die Webseite des von erfahrenen Wissenschaftlern betriebenen Bach-Archivs?

Auf welchen Quellen basieren die gefundenen Informationen? Weist der Autor des Textes Quellenmaterial und Fachliteratur in Form von Fußnoten oder eines Literaturverzeichnisses nach?

Allgemein gilt, dass offizielle Webseiten, insbesondere aus einem akademischen Kontext, häufiger oder zumindest mit größerer Wahrscheinlichkeit verlässliche Informationen über die behandelten Themen bereithalten als solche von Privatpersonen. Bei privaten Seiten sollte man die gefundenen Informationen grundsätzlich anhand weiterer Sekundärliteratur überprüfen, gerade wenn auf Quellenangaben verzichtet wurde. Gleichwohl lassen sich auch jene Homepages, die keinerlei wissenschaftliche Ansprüche verfolgen, musikwissenschaftlich auswerten. So kann sich etwa die private Webseite eines Sammlers von Stabat-mater-Vertonungen (http://www.stabatmater.info) als wahre Fundgrube für fast vergessene Werke erweisen, wenn man diese anschließend mit wissenschaftlichen Methoden verifiziert.

|61| Fragen zur Selbstüberprüfung: Wissenschaftliche Literatur

 Welche Hilfsmittel verwendet man am besten, um sich einen ersten Überblick über ein Thema zu verschaffen?

 Wie ist ein Personenartikel in der MGG2 üblicherweise aufgebaut?

 Welchen Zweck verfolgen musikwissenschaftliche Handbücher, und nach welchen Prinzipien können diese aufgebaut sein und ausgewertet werden?

 Was ist der Unterschied zwischen einer selbstständigen und einer unselbstständigen Publikation?

 Welche Kriterien gibt es, um wissenschaftliche Literatur von populärwissenschaftlichen Sachbüchern oder Belletristik zu unterscheiden?

 Welche Arten von Beiträgen kann eine musikwissenschaftliche Fachzeitschrift enthalten?

 Welche Kriterien können bei der Entscheidung darüber helfen, ob einer Internetseite zu vertrauen oder zu misstrauen ist?

 Was ist der Unterschied zwischen digitalisiertem Material und Materialien, die ausschließlich online verfügbar sind?

 Auf welche Weise lässt sich Wikipedia für die wissenschaftliche Arbeit auswerten und auf welche nicht?

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