Читать книгу Michael Korn & Liz Croll Trilogie - Matthias Boden - Страница 68
Deutschland, Berlin
ОглавлениеHauptkommissar Riedle hatte darauf bestanden, die gesamte Interpoltruppe in einem Hotel ihrer Wahl unterzubringen. Sie waren alle viel gereist in den letzten Tagen und eine kleine Verschnaufpause würde den beiden Paaren sicher guttun. Ihre Aufgaben in Berlin hatten sie erfolgreich abgeschlossen. Britta Herzog und die noch Bundeskanzlerin Angelika Rotenfels waren in Untersuchungshaft gebracht worden und die Agentin Blair lag schwer bewacht in einer Krankenstation. Aber bei ihrem eigentlichen Auftrag waren sie keinen Schritt weiter gekommen. Die Informationen auf der Festplatte aus Cabarete hatten sie zu einem USB-Stick in Split geführt und darauf waren nur diese Urlaubsbilder. Das ergab überhaupt keinen Sinn. Mike hatte die Dateien angeschaut und nichts gefunden. Michael dachte, dass vielleicht irgendetwas im Hintergrund zu erkennen sein könnte, was sie der Lösung näher brachte und hatte sie eine halbe Stunde lang vergeblich angestarrt. Auch diese Rechenaufgabe brachte keine neuen Erkenntnisse. Alle waren müde und Liz hatte entschieden, das Angebot des Kommissars anzunehmen. Aber bevor sie in die Betten fallen würden hatte Liz ein gemeinsames Abendessen angesetzt. Nur ihre Interpoltruppe gemütlich bei einem Essen zusammen und die Gedanken in eine andere Richtung treiben zu lassen. Es war einer ihrer Tricks, die sie sich beigebracht hatte. Wenn man sich zu sehr auf die Lösung eines Falles konzentrierte, erkannte man nur noch die kleinen Fakten, aber nicht mehr das große Ganze. Immer, wenn sie dieses Problem verspürte, machte sie eine Pause mit ihrem Verlobten. Mal ein romantisches Abendessen, ein Spaziergang, Einkaufsbummel zu zweit oder einfach nur mal mit Freunden zum Bowling oder auf ein paar Drinks in eine Bar. Das eröffnete den Blick wieder auf das große Ganze zu richten und war genau das, was das Team ihrer Meinung nach brauchte. Außerdem gab es ja noch eine Kleinigkeit zu feiern. Karyani und Mike hatten sich verlobt und die Feier stand noch aus. Korn betrachtete es eher als eine Art Team Bildungsübung. Er hatte ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass es besser läuft, wenn man zusammengewürfelte Teams mal an einen Tisch brachte, bei dem es nicht um die Arbeit ging. Die Mitglieder begegneten sich auf einer ganz anderen Ebene. Man entdeckt Gemeinsamkeiten, Freundschaften wurden geschlossen und sie konnten sich aufeinander verlassen. Für ihn war es das erste Mal, das er an so einer Maßnahme teilnehmen musste. Seinen eigenen blieb er grundsätzlich fern, weil ihm dabei Beschäftigung fehlte. Er konnte es einfach nicht ertragen, mit anderen zusammen zu sein, und über Belanglosigkeiten reden. Seine Gedanken rutschten dann ganz automatisch wieder in die Vergangenheit und zu Isabella ab. Das war für ihn eine Folter, denn mit der Erinnerung folgten die Tränen und es ging ihm noch schlechter. Dieses Mal allerdings war alles anders. Isabella war verschwunden, und mit ihr die bösen Erinnerungen. Lea hatte diese Erinnerungen und Gedanken einfach weggewischt und den Platz in seinem Herzen für sich erobert. Die Gespräche mit ihr auf den Flügen hatten ihm geholfen, und sie war eine Meisterin darin ihn aus seinen Mauern zu holen. In der Zeit, die er bisher mit ihr verbracht hatte, war es ihr gelungen ihn fast wieder zu normalisieren. Er war nicht mehr der Unnahbare, der jedem Menschen Gemeinheiten an den Kopf warf, weil er ihn aus Prinzip schon nicht mochte. Lea hatte ihm Gefühle eingepflanzt und entlockt die er verloren hatte über die Jahre.
Ihr wiederum half diese Liebe zwischen ihnen, sich auf Menschen einzulassen. Seit ihrer Kindheit und der Beziehung zu ihren Eltern war sie alleine. Ihre Arbeit als Auftragsmörderin war viel zu gefährlich, als das sie sich auf jemanden verlassen konnte. Einmal hatte sie es versucht, bei ihrem letzten Auftrag hatte sie sich, wie sie glaubte auf ihren Freund verlassen. Dann stellte sich heraus, das dieser Mann nur im Sinn hatte sie ins Gefängnis zu bringen und ihr deshalb sogar eine Liebe vorgespielt hat, die es gar nicht gab. Bei Michael war das etwas ganz anderes. Er beschützte sie nicht nur, weil es sein Beruf war. Wäre sie einfach nur eine Kollegin gewesen, würde es ihn nicht stören, dabei umzukommen, wenn er sie beschützte. Das war all die vergangenen Jahre sein Antrieb gewesen. Seine Liebe zu ihr konnte sie nicht nur fühlen, sondern sehen. Er hatte sich ihr geöffnet und wirklich alles über sich erzählt. Sie kannte seine komplette Geschichte und er hatte wirklich nicht das Geringste ausgelassen. Er hatte ihr seine Tränen gezeigt, Erklärungen geliefert, warum er so war, wie er wurde, und sogar miterlebt, wie seine Nächte ausgesehen hatten, bevor sie kam. Auf dem Flug nach Cabarete war Korn eingenickt und nach einer halben Stunde ungefähr aufgeschreckt. Lea hatte die Tränen gesehen, als er zum Fenster starrte, bevor er wieder einen Versuch unternahm zu schlafen. Hinterher hatte er ihr dann erklärt, dass seine Nächte seit Jahren so abliefen. Mit ihr an seiner Seite schlief er auch mal zwei Stunden, bis er kurz aufwachte, sie fest in die Arme schloss und dann weiterschlief. Als er während eines Fluges aufgewacht war, als Lea sich gerade erleichtern war, rannte er hellwach im Flugzeug herum und suchte sie. Erst als er wusste, ihr geht es gut und sie wieder bei ihm war, konnte er wieder schlafen. Sie wusste, dass er das nicht vortäuschen konnte und je mehr sie sich auf ihn eingelassen hatte, umso besser fühlte sie sich.
Mike war als Aufreißer und Frauenheld verschrien. Korn hatte ja schon Erfahrungen damit gemacht. Aber diese Zeiten waren vorbei, seit er Karyani getroffen hatte. Er hatte sie auch nur als Bettabenteuer betrachtet aber, nachdem er Zeit mit ihr verbracht hatte und sich dann die Nächste suchen wollte, funktionierte es nicht mehr. Er lag bei einer anderen im Bett und hatte nur noch die goldglänzende Kary im Kopf. Das war sein Erwachen gewesen. Ihm ging es nicht mehr darum jede hübsche Frau, die er finden konnte, in sein Bett zu bekommen. Seit Karyani ging bei anderen überhaupt nichts mehr. Sein Luststab machte einfach nicht mehr mit.
Sie wusste, dass Mike alles in sein Bett ziehen wollte, was sich nicht bis drei auf einem Baum in Sicherheit bringen konnte. Er war der Erste, der es geschafft hatte, sie zu bezwingen mit seiner Art. Dafür musste er aber auch ewig lange betteln. Karyani hatte ihn lange vier Monate warten lassen, bis er sie zum ersten Mal im Bett hatte. Während dieser Zeit kam er nicht einmal in den Strafraum. Sie wusste, dass er spätestens nach vier Dates aufgab und sich leichter zu erlegendes Stöckelwild suchte. Nur bei ihr gab er nicht auf. Karyani hatte sich noch nie einem anderen hingegeben. Mike war der Erste und für sie war klar, dass es auch der Einzige sein würde.
Für Liz war das etwas ganz anderes. Ihr Verlobter wartete in London auf sie. Sie brauchte ihre Freiräume und die gab er ihr. Die Partnerschaft war nicht auf lockerem Fundament gebaut. Liz war es wichtig, dass sie sich voll auf ihn verlassen konnte, er sie aber nicht mit seiner Liebe erdrückt. Trotz ihrer gemeinsamen Wohnung hatte sie ein kleines Appartement in London für sich alleine. Manchmal kam sie tagelang nicht zu ihm nach Hause und blieb in ihrem kleinen Versteck. Er akzeptierte, dass sie einfach viel Zeit für sich selbst brauchte. Aber sie vertrauten sich gegenseitig. Er war eigentlich ein Mensch, der Liz gerne bei sich hatte. Am besten täglich 24 Stunden lang. Ihr reichte, schon zu wissen, dass er für sie da war, wann immer sie ihn brauchte.
Die fünf saßen zusammen am Tisch und genossen ihre bestellten Speisen. Liz beobachtete, wie sie miteinander umgingen. Michael und Lea kamen ihr wie zwei verliebte Teenager vor. Karyani und Mike warfen sich verliebte Blicke zu, waren aber in der Lage die Finger voneinander zu lassen. Größtenteils zumindest. Trotz der ewigen Fehde zwischen Korn und dem Hacker, die sie geführt hatten verstanden sie sich an diesem Abend blendend. Sie machten sogar Witze und erzählten Anekdoten aus gemeinsamen Einsätzen. Für Liz war es erstaunlich, dass sie alle so gut miteinander harmonierten. Seit dem Flug von Langley zurück nach Lyon hatte sich alles zum Positiven gewendet. Dort waren sie zu viert, nur Mike war in Lyon geblieben, und sie konnten sich unterhalten nach der Beichte von Michael. Für sie war der Flug von Caracas nach Langley der entscheidende Punkt. Korn hatte ihr dort zum ersten Mal erklärt, dass er gar nicht gewillt war, dieses Team zu führen. Dann verstand sie auch, warum ihr Michael überhaupt keine Chance gegeben hatte, um die Führung zu kämpfen. Das war Karyanis Verdienst die hinter feindlichen Linien ermittelte und sich mit Korn und seiner Lea lange unterhalten hatte. Und was noch wichtiger für sie war, alle haben gezeigt, dass man ihnen vertrauen konnte. Mike hatte für den Ortungschip gesorgt und rannte nicht mehr jedem Rockzipfel nach. Korn hatte Liz und die beiden Verlobten in Lyon gewarnt und in Sicherheit gebracht während er sich mit Lea um diesen Foley kümmerte und gab seine Erkenntnisse preis, während Karyani ihr technisches Wissen zur Verfügung stellte und sogar den Lockvogel für Langley gebaut hat. Sie wusste jetzt, dass sie sich auf jeden Einzelnen verlassen konnte, auch wenn ihr Leben davon abhing. Es war ein gelungener Abend, denn das Team war noch weiter zusammen gerückt.
»Ach Mike, was ich dir noch sagen wollte«, kam von Korn, »Dieses Passwort der Festplatte aus Cabarete erklärt sich auch über Burics Interessen!«
»Du hast eine Bedeutung dafür gefunden?«, fragte Mike und alle bis auf Lea sahen ihn fragend an.
»Hattest du nie Zeit mal Bücher zu lesen?«, grinste Korn.
»Ich hab schon gelesen, aber meistens Fachbücher über Computer«, gab Banks zu.
»Hättest du mal lieber Sherlock Holmes gelesen«, lachte Korn, »Wenn man alle logischen Lösungen eines Problems eliminiert, ist die unlogische, obwohl unmöglich, unweigerlich richtig.«
Mike lachte »Ich verstehe es trotzdem nicht Michael!«
»Nimm dir mal von dem Satz die Anfangsbuchstaben jedes Wortes und die Textzeichen Mike«, erklärte er.
Alle am Tisch wiederholten den Satz in Gedanken und notierten sich die Buchstaben und Kommas. Dann blickten sie erstaunt zu Korn, der lachend auf seinem Platz saß und mit einem Glas spielte.
»OK, aber wie passen die Zahlen da rein?«, fragte Liz.
»Conan Doyle hat Sherlock Holmes 1886 erfunden!«, gab er zurück.
»Du bist ein verdammter Computer Michael«, rief Karyani, »Aber leider hilft uns das jetzt auch nicht weiter.«
»Doch, bei einer Sache könnte es helfen«, warf Korn ein, »Denkt mal an die Rechenaufgabe!«
Wieder wurde es still am Tisch. Jeder dachte an diese Rechnung. Liz kritzelte sie sich sogar noch mal auf eine Serviette und starrte darauf. Sie kamen nicht hinter das Geheimnis. Korn nahm Liz die Serviette ab und schrieb darunter:
111.111.111 × 111.111.111 =
Dann legte er es wieder in die Mitte des Tisches und erklärte »Logische Lösungen und unlogische. Anhand der Schreibweise geht jeder davon aus, dass die Rechnung die Liz aufgeschrieben hat, gemeint ist. Was wäre, aber wenn wir die unlogische Schreibweise verwenden, die ich aufgeschrieben habe?«
»Und das Ergebnis ist was?«, fragte Karyani.
»Mathematik war noch nie so mein Fach. Das kann ich nicht im Kopf rechnen«, gab Michael zu.
Liz zog aus ihrer Handtasche ihr Handy, öffnete den Taschenrechner und tippte die Zahlen ein. Sie schüttelte den Kopf und versuchte es erneut.
»Das kann nicht einmal der Taschenrechner«, sagte sie.
Mike befreite seinen Laptop, den er immer dabei hatte, machte sein Rechenprogramm auf und tippte die Zahlen ein. Auch hier wurde ein Fehler angezeigt. Er versuchte es, mit einem anderen Rechner für Formeln aber erhielt auch dort kein Ergebnis. Er versuchte einen Rechner über Internet. Ungläubig starrte er auf den Bildschirm. Dann versuchte, er es noch einmal doch das Ergebnis blieb das gleiche. Er griff sich die Serviette auf der Liz und Michael geschrieben hatten und notierte das Ergebnis hinter die Zahlen von Korn:
111.111.111 × 111.111.111 = 12.345.678.987.654.321
Alle schauten sich den Zettel an, um dann fragend in Mikes Gesicht zu sehen. Er schüttelte den Kopf, stellte seinen Laptop so auf den Tisch, das es alle sehen konnten und gab die Rechnung erneut ein. Das Ergebnis änderte sich nicht. Es begann eine Diskussion darüber, bis Mike im Internet ein Video fand, auf dem jemand exakt dieses Ergebnis ausrechnete wie man es in der Schule damals gelernt hatte. Das Ergebnis war wirklich die Zahlenreihe von eins bis neun und wieder zurück auf eins.
»OK, damit hat wirklich keiner gerechnet, aber trotzdem haben wir keine Ahnung, wie uns das weiterhelfen sollte«, warf Liz in die Runde.
Korn fragte Mike »Ein Bild besteht doch aus einzelnen Pixeln, könnte man daraus irgendwas anderes auslesen?«
»Theoretisch ist es möglich das sich hinter Bildern auch noch andere Files verstecken, das dauert aber bis ich das überprüft habe«, sagte Mike.
Liz erklärte »OK, wir haben einen Ansatz gefunden, aber ich möchte das wir den Abend nicht mit der Arbeit abschließen und die Nacht damit verbringen, wieder darüber zu grübeln. Kary und Mike feiern Verlobung und Michael und Lea schlafen zum ersten Mal zusammen in einem Bett. Wir lassen die Arbeit bis morgen in Lyon Arbeit sein und kümmern uns um die schönen Dinge des Lebens.«
Alle waren einverstanden, die Chefin hatte entschieden und keiner widersprach ihr. Nur Kary sah zu Lea und meinte »Ich glaube, wir sollten noch Gummis kaufen, oder hast du die Pille einstecken?«
Lea und Liz lachten laut, bis Erstere meinte »Ich glaube, nach dem Ausflug nach Split würde die auch nicht mehr helfen Kary.«
»Ihr habt doch nicht wirklich im Flugzeug …«, setzte Liz an, aber Korn fiel ihr ins Wort »Oh doch, Liz. Nachdem wir alleine waren, was hätte uns da noch aufhalten sollen?«
Alle lachten, bis Lea hinzufügte »Ich wollte Micha die ganzen Gedanken nehmen, die er im Kopf hatte. Das war die schönste und einfachste Lösung für uns.«
»Micha, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«, fragte Kary gespielt streng.
»Ich konnte die Unschuld nicht mehr länger bewahren«, gab er zu.
»Wollte er aber auch gar nicht«, lachte Lea.
Scherzend saßen sie noch eine Weile am Tisch bis sie sich auf ihre Hotelzimmer verzogen. Bis zum Morgen blieb noch genug Zeit. Liz wollte erst gegen 10 Uhr starten. Sie hatten sich eine kleine Pause mal verdient.