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Kathrine

Bianca Brepols

Der erste Schluck lief ihm die wohltuend die Kehle runter. »Wild Turkey«– seine liebste Whiskey-Sorte. Bourbon. Die hellgelbe Flüssigkeit leuchtete im Kerzenschein. Mehr Licht brauchte er nicht. Es war Heiligabend – und er war allein. Das erste Weihnachten ohne sie. Kathrine. Heute war es drei Monate her. Nachdem ihr Körper innerlich aufgefressen war, schlief sie abends ein und wachte nicht mehr auf. Jetzt war er allein auf der Farm - mitten in Kansas, dem »Sunflower State«.

Seine Söhne wollten keine Farmer werden. Also musste er, als sein Körper die Belastungen des Ackerbaus und der Viehzucht nicht mehr wegstecken konnte, die riesigen Felder verpachten und die Büffel verkaufen. Nur das Haupthaus und der Schuppen waren ihm geblieben. Dort befand sich sein liebstes Gefährt, der John Deere Modell 80 Diesel, gerade im Winterschlaf.

Heute hatte es geschneit. Das geschah nicht oft im Jahr. Knietief hatte er am Nachmittag in der weißen Pracht gestanden und auf seine ehemaligen Felder geschaut. Einmal Farmer, immer Farmer. Er vermisste die Arbeit mit den Tieren. Den Geruch von frischem Heu und Stroh. Der Bourbon erinnerte ihn daran.

Er blickte rüber zum Kamin. Das zweihundert Jahre alte Farmhaus besaß keine Heizung, keine Klimaanlage. Sie waren stets ohne Schnickschnack ausgekommen. Als Kathrine schwer erkrankte, kauften ihnen die Kinder ein schnurloses Telefon. Das einzige moderne Gerät in diesem Haus. Damit sie immer und überall nach Hilfe rufen konnten. Die nächsten Nachbarn wohnten eine Meile weit weg.

Jetzt lag es auf seiner Ladestation. Anrufe bekam er wenig. Viele seiner früheren Farmerkollegen waren verstorben oder weggezogen. Große Gesellschaften betrieben nun den »Brotkorb der USA«. Diese Entwicklung machte ihn traurig. Die Arbeit des Farmers wurde, seiner Meinung nach, immer weniger geschätzt.

Müde ging er die Treppen zu ihrem - jetzt seinem - Schlafzimmer hoch. Vorbei an der Wand, wo sein jüngster Enkel vor ein paar Jahren in einem unbeobachteten Moment seine »Kunst« direkt auf die Tapete brachte. Während die Eltern das Kind ausschimpften, hatte er gelacht und einen Holzrahmen um das Bild genagelt. Zu seinem Enkel sagte er, dass es das erste und letzte Bild sein würde, welches er ungebeten auf eine Wand malte.

Er zog sich um, putzte seine Zähne und legte sich ins Bett. Löschte das Licht und schlief ein. In dieser Nacht beschloss sein Herz, dass es Zeit war, Kathrine zu folgen.

Single Malt Weihnacht

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