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Oh happy day

Carsten Böhn

Ich sitze in meinem neuen Schwingsessel gemütlich mit einem irischen Whiskey in unserem neuen ausgebauten Dachgeschoss und genieße auch die Musik von meinen alten Schallplatten. Nach über zwanzig Jahren hab ich die alte Anlage wieder einmal aus dem Keller geholt und höre Musik, die es nicht auf CD oder in einem der Streamingportale zu hören gibt.

Langsam driften meine Gedanken zurück und mir fallen wieder Bilder aus meinen Kindertagen ein. An Heiligabend besorgte mein Vater wie jedes Jahr den Weihnachtsbaum. Es ist mir ein Rätsel, wie er es immer wieder schaffte, einen Baum zu kaufen, der mit dem grünen vierfüßigen Ständer mit Wasserreservoir genau unter die Decke passte. Jedes Jahr stand ein Prachtbaum in unserem Wohnzimmer und wurde von uns drei Kindern mit silbernen und roten Weihnachtskugeln vorsichtig verziert, selbstgebastelte Strohsterne und die elektrischen Lichter, die die echten Kerzen Anfang der siebziger Jahre abgelöst hatten, wurden angebracht und schimmerten mit ihrem Licht in den vielen Lamettasträngen, die dem Baum eine besondere Ausstrahlung verliehen.

Jedes Jahr stand mein Vater nach einer Weile im Wohnzimmer, genoss sein Glas Racke Rauchzart aus der Bleiglaskaraffe frisch in seinen Tumbler eingeschenkt und betrachtete den Baum, wenn wir Vollzug meldeten. Dann holte er zum Entsetzen meiner Mutter die rote Rosenschere aus der Garage und nahm sich die Haushaltsleiter, stellte sie neben den Baum, kletterte hoch auf die Leiter und begann unter den tränenreichen lauten Protesten meiner Mutter Jahr für Jahr den gleichen Frevel und schnitt die Spitze des Tannenbaumes ab.

Meine Mutter erfreute sich über die Schönheit eines Weihnachtsbaumes mit echter Spitze und wollte sie behalten. Mein Vater hingegen krönte unsere Schmuckaktion mit dem Kappen des Baumes, und während sich die Weihnachtsstimmung meiner Mutter in Tränen auflöste, der Raum sich mit dem harzigen Tannenduft des Baumes füllte, steckte mein Vater den silbernen Stern auf die Spitze der Tanne, ohne die eine Tanne, für ihn, kein Weihnachtsbaum war.

Die Stimmung war im Keller, wie jedes Jahr, und das änderte sich auch nicht bei dem guten Essen, das es vor der Bescherung gab. Es gelang uns Kinder nie, das Christkind zu sehen, auch wenn wir noch so schnell ins Wohnzimmer rannten, wie wir konnten, nachdem wir das feine Glöckchen vernommen hatten. Die Geschenke lagen unter dem Baum und warteten auf uns und wir warteten auf meinen Vater, der, bevor wir auspacken durften, uns alle um den Baum versammeln ließ, den roten Telefunkenschallplattenspieler anmachte und ›Oh Happy Day‹ von Edwin Hawkins & Northern California State Youth Choir auflegte und mitsang. Ich habe erst nach Jahren erfahren, dass das nicht wirklich ein Weihnachtslied war.

Für uns war es das. Und alle Jahre wieder war es am Ende dann doch noch ganz schön.

Single Malt Weihnacht

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