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Kapitel 13: Das dritte Siegel

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Innenstadt Ouagadougou, Westafrika, November 2015

Niemand beachtete die Person, die eingehüllt in weißes Tuch die Avenue de l’Indépendance in westlicher Richtung ging. Ohne Hast wandelte die helle Mönchskutte auf das Musée de la Musique de Ouagadougou zu. Vor dem Museum nahm sie am Boden Platz. Einige Touristen, die das Museum soeben verließen, um sich zu ihrem Reisebus zu begeben, schielten im Vorbeilaufen auf jene Gestalt, die wie ein Mönch gekleidet mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze im Schatten der Hauswand saß.

Als die Urlauber nach und nach in den klimatisierten Bus stiegen, zählte die junge Reiseleiterin, freundlich lächelnd, die mitfahrenden Gäste. 23 Personen. 24 sollten es sein. Die schlanke Französin, die seit knapp einem Jahr Ingenieur- und Agrarwesen studierte, besserte während ihres Aufenthalts in Afrika ihr Taschengeld als Stadtführerin auf und verdrehte nun, der fehlenden Person wegen, die Augen. Sie nahm die drei Stufen des Busses, trat hinaus in die glühende Hitze und lief zum Eingang des Museums. In Gedanken darüber, wo ihr fehlender Reisegast abgeblieben sein könnte, nahm sie keine Notiz von dem Sitzenden, der soeben eine Schriftrolle aus der Kutte zog.

Gerade als die Reiseleiterin die Tür zum Museum öffnen wollte, trat eine Frau Mitte sechzig, Hawaiihemd, kurze lilafarbene Shorts sowie Sportschuhe, heraus. »Kommen Sie, Lady, Sie sind die Letzte der Gruppe, der Fahrer wartet schon!«

»Ich musste nur mal rasch, wenn Sie verstehen«, gluckste die Dame und entschuldigte damit ihren kurzen Gang zur Toilette. Noch während sie zum Bus marschierten, gab die Französin dem Fahrer von außen Zeichen, dass sie nun losfahren konnten.

Sie hörten nicht das gebetartige Gemurmel der Kutte von Tod und Krankheit, sahen nicht die fahle Haut des Trägers, erkannten nicht dessen starre Augen, die gebannt die Schriftrolle fixierten. Ebenso nicht das leise Knacken, als das Siegel der Pest und Seuchen brach.

Das Zischen der sich schließenden Bustüren wurde durch die Schreie der Urlauber übertönt, die in hektischer Aufruhr an die Fenster des Busses drängten und entsetzt Augenzeugen eines dramatischen Ereignisses wurden: Die weiße Kutte des Fremden stand plötzlich in Flammen, glich einer lebenden Fackel. Keine panischen Bewegungen, kein Versuch, um sich zu schlagen oder den um sich leckenden Flammen zu entgehen. Nein, mit erhobenen Armen stand er da, starr wie eine Statue gen Himmel blickend, während das gleisende Flammenmeer um seinen Körper züngelte.

»Fahren Sie, fahren Sie«, kreischte die Touristenführerin den Busfahrer an – aus Angst, im nächsten Moment würde eine Bombe in die Luft gehen. Sie hatte die Bilder des Terrors vor Augen, die erst wenige Tage zuvor ihre Heimatstadt Paris erschüttert hatten.

Chris Owen - Die Wiedergeburt

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