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Kapitel 14: 9 Monate?

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Washington, D. C., 28. Juni 2016

Sandra lag mit weit gespreizten Beinen auf dem Gynäkologenstuhl. Ihr Bauch hatte eine Dimension angenommen, die es ihr unmöglich machte, im Stehen die Füße zu sehen. Bewusst fiel ihre Entscheidung auf Dr. Sisley als Frauenärztin, da sie einen exzellenten Ruf genoss; zudem war sie, ebenso wie Sandra, eine Farbige. Noch unangenehmer wäre es Sandra gewesen, wenn ein männlicher Arzt sie in derart ausgelieferter Stellung untersucht hätte.

Dr. Sisley streifte die hauchdünnen Einmalhandschuhe ab und lächelte. »Sieht alles gut aus, Sandra. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern. Hatten Sie schon Anzeichen von Wehen?« Sandra schüttelte den Kopf. »Legen Sie sich kurz auf die Liege, dann machen wir den letzten Ultraschall.«

Sandra zog ihr Höschen an, bevor sie sich auf dem mit einem Papiertuch überzogenen Polster ausstreckte. Als Dr. Sisley das glibberige Gel der Tube pflaumengroß auf den Bauch tropfen ließ, fühlte Sandra dessen kühle Substanz. Mit der mobilen Kamera verstrich die Ärztin die gallertartige Masse und schaltete den Monitor an.

»Sehen Sie, er hat sich schon gedreht. Hier, sein Herz.« Dr. Sisley drückte einen Knopf und Sandra hörte dumpf aus dem kleinen Lautsprecher des Ultraschallgerätes die schnellen Herztöne ihres Kindes. Geschickt vermaß die Ärztin ein letztes Mal die Größe des Kopfes, des Rumpfes, der Arme sowie der Beine. »Das wird ein Prachtexemplar, Sandra. Freuen Sie sich darauf. Wollen wir noch ein Foto machen?«

Bevor Sandra antworten konnte, sah sie das Standbild ihres Babys. Eine winzige Stupsnase mit fünf wie Shrimps aussehenden Fingern davor. Der Drucker surrte leise, als eine Minute später der farbige Ausdruck auf dem Tisch lag. Dr. Sisley reichte Sandra ein feuchtes Tuch, um den Bauch zu reinigen.

»Hätten Sie noch eine Minute Zeit, Sandra?«

Während sich Dr. Sisley die Hände wusch, knöpfte Sandra ihre weite Stoffhose zu.

Dann saß sie vor dem weißen Besprechungstisch.

»Sandra, verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, es geht mich eigentlich auch nichts an, aber – wann sagten Sie, sei Ihr Mann verstorben?«

Sandra ärgerte sich. Hätte sie doch nichts davon erzählt, dass der Erzeuger des Kindes ihr verstorbener Mann ist. Natürlich kannte Dr. Sisley die Zeitungsartikel, ebenso die Schlagzeilen des vergangenen Jahres. »Juni 2015«, erwiderte Sandra kleinlaut und ahnte, was nunmehr kam.

»Ihnen ist bewusst, dass das nicht sein kann?«

Sandra nickte. »Durchaus, Dr. Sisley.« Sie dachte nach. Bliebe sie bei der Erklärung, Stephen sei der Vater, würde ihr Dr. Sisley nicht glauben. Allerdings zu lügen, zu behaupten, sie hätte nur drei Monate nach dem Attentat in der Kirche Charlestons mit einem anderen Mann Sex gehabt – diese Unmoral zu äußern, kam nicht infrage. Daher wagte sie den Vorstoß: »Dr. Sisley, das Thema hängt wie ein Damoklesschwert über mir. Meine ganze Familie kann rechnen.«

»Hat es jemand angesprochen?«

»Nein und ich weiß nicht, was schlimmer ist. Darüber zu reden oder es totzuschweigen.«

»Von Frau zu Frau, Sandra, mir können Sie die Wahrheit sagen. Sie sollten sogar. Ich bin Ihre Ärztin und als solche für Ihre Gesundheit sowie die des Kindes verantwortlich.«

»Dr. Sisley, ich schwöre bei allem, was mir heilig ist: Das letzte Mal, dass ich mit einem Mann geschlafen habe, war im Juni 2015. Mit meinem Mann!«

»Das würde bedeuten, dass die Schwangerschaft drei Monate verspätet eingesetzt hat oder aber Sie statt 40 Wochen 52 Wochen schwanger sind. Beides ist unmöglich.«

»Und doch ist es so.« Sandra blieb bei ihrer Ausführung.

»Hatten Sie nach dem tragischen Tod Ihres Mannes Ihre Tage?«

»Ich weiß es nicht, Dr. Sisley. Die Zeit, die Monate danach waren derart dramatisch. Ich kann es Ihnen nicht sagen.« Die Anspannung in Sandra wuchs. Von daher beruhigte Dr. Sisley ihre Patientin.

»Also, Sandra, ich glaube Ihnen. Somit haben wir es mit einer äußerst sonderbaren Schwangerschaft zu tun bei einer außergewöhnlichen Frau.« Sie lächelte Sandra an und beließ es vorerst dabei. Die Tatsache, dass dieses Kind unmöglich von Sandras verstorbenem Mann sein konnte, war ja auch im Grunde genommen die ganz persönliche Privatangelegenheit ihrer Patientin.

»Danke, Dr. Sisley. Mir ist nur wichtig, dass mein Junge gesund zur Welt kommt.« Sandra lächelte etwas gehemmt.

»Machen Sie sich hierüber keine Sorgen. Ich werde bei der Geburt dabei sein. Das lasse ich mir mit Gewissheit nicht entgehen.«

Chris Owen - Die Wiedergeburt

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