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2.2.2 Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörungen und Zwänge

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Etwa die Hälfte aller Menschen, die einmal unter einer Depression litten, erkrankt auch an einer Angststörung. Angststörungen sind die häufigsten seelischen Erkrankungen. In der Allgemeinbevölkerung beträgt die Krankheitshäufigkeit über 12 Monate etwa 15 %, die 4-Wochenprävalenz 9 % (Wittchen und Jakobi 2004).

Nachfolgend wird auf die häufigsten Angststörungen sowie die oft dazu gezählten Erkrankungen Posttraumatische Belastungsstörung und Zwangsstörung eingegangen.

Die Fähigkeit, Angst zu erleben, ist für uns Menschen überlebenswichtig. Ängste helfen uns, Gefahren zu erkennen und entsprechend zu handeln. Von pathologischen Ängsten und Angsterkrankungen sprechen wir, wenn die Ängste unangemessen und übertrieben sind. Ängste, die bei den unterschiedlichen Angststörungen auftreten, gehen typischerweise mit einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome einher. Typische körperliche Symptome sind: Herzrasen, Herzklopfen oder ein unregelmäßiger und schneller Herzschlag, Schweißausbrüche, Zittern, Mundtrockenheit, Erstickungsgefühle, Kurzatmigkeit und Atemnot, Enge- oder Beklemmungsgefühl im Hals oder in der Brust, Hitzewallungen, Kälteschauer, Frösteln, Kribbeln der Haut, Finger, Mund oder Lippen, Taubheitsgefühle, Übelkeit oder Missempfindungen im Magenbereich, Bauchschmerzen, Würgereiz, Schwindelgefühle, Unsicherheitsgefühl und Benommenheit sowie schließlich Symptome von Depersonalisation und Derealisation. Typische Gedanken sind die Angst vor Kontrollverlust, »verrückt« zu werden, auszuflippen, umzufallen, zu sterben, einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder epileptischen Anfall zu bekommen.

Die Panikstörung ist durch einen heftigen Angstanfall gekennzeichnet, der für die Betroffenen wie aus heiterem Himmel kommend auftritt. Der Angstanfall dauert meist zwischen 5–30 Minuten. Während des Anfalls treten meist mehrere der oben genannten Angstsymptome auf. Sehr häufig entwickelt sich dann eine sogenannte Erwartungsangst, das heißt, die Betroffenen kommen nach einem Angstanfall nicht mehr richtig zur Ruhe, sondern erwarten ängstlich angespannt den nächsten Angstanfall. Panikattacken sind häufig Auslöser einer DDS. Sehr häufig berichten Betroffene aber, dass die Häufigkeit und Schwere der Panikattacken mit zunehmender Schwere und Dauerhaftigkeit der Depersonalisation nachgelassen hat. Nicht selten entwickelt sich aus Panikattacken heraus eine sogenannte Agoraphobie.

Bei der Agoraphobie vermeiden die Betroffenen bestimmte Orte (z. B. Kaufhäuser, Supermärkte, Menschenmassen) und Situationen (z. B. allein zu reisen, allein das Haus zu verlassen) aus der Angst heraus, dort in eine hilflose Lage zu geraten beziehungsweise eine Panikattacke zu bekommen. Obwohl den Betroffenen klar ist, dass ihre Reaktionen übertrieben und unvernünftig sind, kann diese Angst so übermächtig werden, dass sie sich nicht mehr trauen, ohne eine Begleitperson das Haus zu verlassen. Durch das Vermeiden der betreffenden Situationen können Patienten mit einer Agoraphobie vorübergehend relativ angstfrei werden. Allerdings schränkt sich durch das Vermeidungsverhalten ihr Spielraum immer weiter ein, was letztendlich zu einer Verschlimmerung führt.

Unter einer generalisierten Angststörung wird eine Angsterkrankung verstanden, die von ständigen übertriebenen Sorgen und daraus folgender Anspannung, innerer Unruhe, Angst und Nervosität geprägt ist. Die Betroffenen nehmen immer gleich das Schlimmste an, z. B. hinsichtlich ihres Berufes oder der Sicherheit der Familie, und befinden sich deshalb in einem dauerhaft erhöhten Alarm bzw. Angstzustand. Alle oben genannten Angstsymptome können dabei auftreten. Besonders häufig sind aber eine ständige Nervosität, Schreckhaftigkeit, Gereiztheit und Einschlafstörung.

Besonders häufig bei Patienten mit einer DDS sind soziale Ängste und die Angsterkrankung »Soziale Phobie« (Michal et al. 2005b, 2006a). Die zentrale Angst bei der sozialen Phobie ist die Furcht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und sich lächerlich zu benehmen beziehungsweise in eine beschämende Situation zu geraten. Typische angstbesetzte Situationen sind z. B. ein Referat zu halten, vor anderen zu sprechen, in der Öffentlichkeit zu essen oder bei Leistungssituationen beobachtet zu werden. Die Betroffenen haben z. B. in der Kantine Angst, man könnte bemerken, wie sie zittern, wenn sie ihre Hand nach dem Glas ausstrecken, oder sie könnten rot werden oder sich sonst irgendwie peinlich benehmen und so den Spott und die Verachtung der anderen auf sich ziehen. Bei leichteren Formen sind oft nur besondere Situationen angstbesetzt (z. B. eine Rede zu halten), bei schweren Formen tritt die Angst in nahezu allen sozialen Situationen auf. Wie die DDS so beginnt auch die soziale Phobie eher früh im Leben, meist vor dem 25. Lebensjahr.

Zwangsstörungen sind durch Gedanken, Vorstellungen und Handlungen gekennzeichnet, die sich den Betroffenen immer wieder aufzwingen, obwohl sie von den Betroffenen für unsinnig gehalten werden und sie sich auch dagegen zu wehren versuchen. Typische Zwangshandlungen sind Waschzwänge, Wiederholungszwänge oder Kontrollzwänge. Bei Letzteren muss der Betroffene zum Beispiel immer wieder, oft über viele Minuten, kontrollieren, ob die Wohnungstür auch wirklich verschlossen ist. Bei Zwangsgedanken drängen sich den Patienten in quälender Weise immer wieder aggressive, gewalttätige oder obszöne Vorstellungen auf, die als abstoßend und persönlichkeitsfremd erlebt werden. Beispiele sind die Vorstellung, von einer Brücke zu springen, obwohl keine Suizidgedanken vorliegen, jemanden zu schlagen oder obszöne Handlungen zu begehen. Diese Zwangsgedanken versetzten die Betroffenen in große Angst, die Kontrolle über sich zu verlieren und die Vorstellung in die Tat umzusetzen. Dies kommt praktisch aber niemals vor. Wenn bei Patienten mit Zwangsgedanken auch noch zusätzlich schwere Depersonalisation auftritt, so verschlimmert dies meiner Erfahrung nach ganz massiv die Ängste der Patienten vor einem Kontrollverlust. Für die Diagnose einer Zwangsstörung müssen diese belastenden Handlungs- oder Gedankenzwänge über mindestens zwei Wochen regelmäßig vorkommen.

Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine Erkrankung, die in Folge eines traumatischen Ereignisses, dessen Opfer oder Zeuge man wurde, auftreten kann. Beispiele für traumatische Ereignisse sind Gewalttaten, Vergewaltigungen, sexueller Missbrauch, Geiselnahmen, Unfälle, Katastrophen, aber auch die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Beispielsweise erkranken bis zu 10 % aller Opfer eines Herzinfarktes oder eines schweren Verkehrsunfalls an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Posttraumatische Belastungsstörung tritt in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach einem traumatischen Ereignis auf. Das Beschwerdebild ist dadurch gekennzeichnet, dass sich immer wieder belastende Erinnerungen, Bilder und Gedanken an das Trauma aufdrängen, Alpträume auftreten, oder es aber zu Erinnerungslücken kommt und man sich nicht mehr richtig an das belastende Ereignis erinnern kann. Weiterhin kann es bei diesen Patienten zu einer nervlichen Übererregung kommen, die sich in Form von Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsstörungen und Reizbarkeit bis hin zu Wutausbrüchen zeigt. Sehr häufig ist auch die Entwicklung eines ausgeprägten Vermeidungsverhaltens. Die Betroffenen versuchen jede Situation zu vermeiden, die an das Trauma erinnern könnte. Oder es entwickelt sich eine allgemeine emotionale Taubheit, die durch sozialen Rückzug, Interesseverlust, innere Teilnahmslosigkeit und oft auch Depersonalisation und Derealisation gekennzeichnet ist (vgl. auch LL Posttraumatische Belastungsstörung). Etwa ein Drittel der Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung erleben in Reaktion auf das traumatische Ereignis anhaltende DP-DR. Im DSM-5 wird dies als der dissoziative Subtyp der PTBS bezeichnet. DDS-Patienten leiden eher selten an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (Simeon et al. 2003b). Umgekehrt sind jedoch bei schwer traumatisierten Menschen Depersonalisation, Derealisation und andere dissoziative Symptome (z. B. Amnesie) häufig.

Depersonalisation und Derealisation

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