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Querendes Getier

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Als ich im Frühjahr 2021 das Editorial eines Newsletters las, in dem die Rückkehr der »Störchinnen und Störche« aus dem Winterquartier vermeldet wurde, fragte ich mich reflexhaft: Und was ist mit Fröschinnen und Fröschen, Krötinnen und Kröten und all den andern Tierinnen und Tieren? Machen sie sich nicht auch in diesen vorfrühlingshaft milden Tagen auf den Weg? Ich begann, ein Gedicht darüber zu schreiben, und als das lyrische Ich in den Schlußversen »Autofahrende, Radfahrende und Fußgehende« bat, achtsam mit querendem Getier umzugehen, merkte ich: Ich war drauf und dran, verrückt zu werden, wenn ich weiter versuchen wollte, gegen die Verrücktheiten unsrer Zeit anzugehen.

Was sich im Lauf der Zeit als Unbehagen und schließlich als Bedrückung angestaut hatte, entlud sich in plötzlicher Ernüchterung: Hier mit Argumenten – oder Gedichten – gegenzuhalten, ist für den, der Geist und Sprache liebt, entwürdigend.

Ich verstehe jeden, der sich in die innere Emigration zurückzieht und schweigt. Aber für einen Schriftsteller ist Schweigen auf Dauer keine Option, ich hatte Konsequenzen zu ziehen. Einige Monate später war ich nach Wien umgezogen; die Schafe auf der Donauinsel – unter ihnen übrigens kein einziger Hammel – grasten damals noch ungegendert. Wenn ich gedacht haben sollte, daß ich hier wieder zur Arbeit am nächsten Roman zurückfinden würde, so … kam immerhin die Lust am Schreiben zurück.

Mein Abschied von Deutschland

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