Читать книгу Die Festung im Moor - Matthias Scheele - Страница 5

Der Traum

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Die Nacht danach verlief unruhig. Träumte er? War er wach? Valdr konnte es nicht sagen. Er fand sich inmitten der Moore wieder, in denen er seinen Sohn dem Gott Woden geopfert hatte. Doch etwas war anders. Der Himmel war von tief hängenden, nahezu schwarzen Wolken verhangen und nur das Licht einiger Fackeln entlang der Bohlenwege erhellte die Finsternis. Er sah sich um und entdeckte die von seinem Sohn nieder gebrannten Überreste des Pfahlgötzen. Valdr kniete nieder, um sie zu berühren, In dem Moment hörte der Fürst hinter sich ein Geräusch.


Schnell drehte er sich um und dort war er: Gunnrik. Seine Kehle war durchschnitten und Blut rann Gunnriks Brust hinab. Seine Knie waren zertrümmert, sodass er nur kriechen konnte.


>>Was ist das?. Hexenwerk?.<< entfuhr es Valdr erschreckt, während er langsam zurück wich.


Gunnrik schüttelte den Kopf >>Kein Hexenwerk, Vater. Nur der Versuch dich zu warnen.<<


Konnte das ein Wiedergänger sein?. Ein Wiederauferstandener, der zurückgekehrt war um sich zu rächen und ihn mit zu sich ins Grab zu ziehen?


>>Warum bist du hier? Was soll das?.<< natürlich hatte Valdr Angst, schließlich begegneten Eltern nicht jeden Tag ihrem toten Kind auf diese Weise.


>>Du hast einen Blutschwur geleistet. Nicht zu sterben, bis du herausgefunden hast, was geschehen ist. Ich habe nicht viel Zeit, es ist.....<<

Er wurde brutal unterbrochen, als dicke Wurzeln aus dem Moor schossen, sich um seine Beine wickelten und ihn mit brachialer Gewalt zurück ins Moor zerrten. Valdr versuchte noch nach den Händen seines Sohnes zu greifen, doch die Kraft mit der Gunnrik zurück gezerrt wurde war zu übermenschlich, als dass dem irgendetwas hätte entgegen wirken können.


Alles, was Gunnrik noch ausrufen konnte, bevor er im Moor versank, war eine Warnung. >>Ásgeirr. Nimm dich vor ihm in Acht, er ist.........<< doch da war er versunken.


Valdr hatte nicht viel Zeit über das gerade Geschehene nachzudenken, denn in diesem Moment wurde auch er von zwei gewaltigen Händen gepackt und in die Luft gehoben. Als er sich herum drehte, um zu sehen, wer es war, der ihn mit so viel Kraft festhielt, erschrak er beinahe zu Tode. Es war der Pfahlgötze Wodens, der sich vollständig wiederhergestellt hatte und dem dazu auch noch Arme und Hände gewachsen waren.


>>Oh ihr Götter. Was wollt ihr nur von mir?.<< entfuhr es Valdr panisch, während er versuchte sich gegen den eisernen Griff des Götzen zu wehren.


Als nächstes holte der Götze aus und warf auch Valdr ins Moor. Aber er landete nicht im feuchten Nass, sondern auf seinem eigenen Bett, gerade in dem Moment, als er schweißgebadet aufwachte und bemerkte, dass es eben doch nur ein Traum gewesen war. Langsam ließ er die Decke los, in die er sich angstvoll gekrallt hatte.


Er zog sich etwas über und wickelte sich in seinen Umhang, bevor er nach draußen trat und in den Sternenhimmel sah. Was hatte dieser Traum nur zu bedeuten? Wovor wollte Gunnrik ihn warnen und wer war dieser Ásgeirr? Fragen über Fragen, auf die es keine Antworten gab. Noch nicht. Nachdenklich ging er durch sein Fabiranum, schritt die Wälle entlang und beobachtete die Umgebung, die vom Mondschein erhellt wurde.

Die Festung wirkte, wenn sie vom Mondlicht beschienen wurde immer ein bisschen unheimlich. Wenn die Gassen zwischen den Häusern und Ställen ihre langen Schatten warfen und einem das Gefühl überkam, jene Schatten könnten einen plötzlich packen und ins Nichts ziehen.


Nur ab und zu hörte er die Pferde in den Stallungen, oder die Krieger, die sich auf den Mauern unterhielten, während andere noch in ihren Betten lagen und schnarchten. Nach einer gefühlten Ewigkeit wandelte sich die Farbe des Himmels. Es wurde hell und endlich erhob sich die Sonne im Osten, die den ganzen Himmel, sowie die Festung in sanfte Orange- und Rottöne tauchte. Für diesen Anblick lohnte es sich früh aufzustehen.


Allmählich kehrte wieder Leben ein in Fabiranum. Die ersten Menschen krochen zerknittert aus ihren Betten, machten sich frisch und begaben sich zum Frühmahl. Wie immer gab es nur einfache Kost. Haferbrei, Bier und Wasser.


Beim Frühmahl war es sein Sohn Ulfmarr, der die tiefen Sorgenfalten seines Vaters bemerkte. >>Was ist mit dir, Vater? <<


>>Nichts. Ich frage mich nur, was geschehen ist.<< Valdr rührte mit seinem Holzlöffel im Haferbrei herum. Er hatte keinen wirklichen Hunger. Zu viele Sorgen und Fragen belasteten sein altes Herz.

>>Du kennst nicht zufällig einen Mann mit Namen Ásgeirr? <<


Ulfmarr sah von seinem Essen auf und legte den Holzlöffel beiseite. >>Hm? Nein, nie gehört den Namen. Wer soll das sein<<


>>Ach, wahrscheinlich niemand. Nur ein Name, der mir im Traum einfiel.<< noch immer rührte Valdr appetitlos in seinem Brei herum. Schließlich legte er den Löffel ganz beiseite und trank etwas von dem Bier.


>>Ein Traum?<< fragte Ulfmarr interessiert nach und tat es seinem Vater gleich.


Der Fürst erzählte seinem Sohn von dem Alptraum, den er in der letzten Nacht hatte und gab ihm gegenüber zu, dass ihn dieser sehr verängstigte.


>>Vielleicht solltest du mal diesen Einsiedler bei Fallward aufsuchen. Es gehen Gerüchte um, er habe seherische Kräfte. Möglicherweise hat er ja Antworten.<<


>>Ich weiß nicht. Und was wenn nicht? Was soll ich ihm sagen? Das ich träumte ein Pfahlgötze würde lebendig? Das Woden mich ins Moor stieß? Das mein toter Sohn mir im Traum den Namen Ásgeirr entgegen rief, um mich vor ihm zu warnen? Und was werden andere, wenn sie davon erfahren, über mich sagen? Alt und verrückt werden sie mich nennen.<< er stellte seinen Becher ab und sah seinen Sohn entschlossen an.

>>Wenn das geschieht kann ich für niemandes Sicherheit mehr garantieren, da unser Stamm meine Urteilsfähigkeit anzweifeln wird. Ich werde meine Stellung als Fürst nicht wegen eines törichten Traumes gefährden.<<


>>Wie willst du sonst hinter die Bedeutung des Traumes kommen?<<


>>Ich komme schon dahinter. Mach dir um mich keine Sorgen. Möglicherweise hat der Traum ja letztlich gar keine Bedeutung und er ist lediglich ein Produkt meiner Trauer. Das Gespräch ist beendet, ich habe zu tun.<< wiegelte Valdr die Unterhaltung ab, stand auf und verließ den Speisraum seines Hauses, ohne wirklich etwas zu sich genommen zu haben.


Ulfmarr sah ihm nach. Er machte sich Sorgen um seinen Vater, denn er wusste, dass er niemals wieder der Selbe sein würde nach dem gewaltigen Opfer, welches er für Woden erbracht hatte.

Und wenn sein Vater den Einsiedler nicht aufsuchen wollte, musste er es halt tun. Entschlossen zog er sich nach dem Frühmahl seinen Mantel um die Schultern und machte sich wortlos auf den Weg nach Westen. Weit in der Ferne hörte er ein paar Raben kreischen und irgendwo aus Richtung der Moore sogar einen Wolf heulen.


Da er mit dem Pferd unterwegs war hatte er die Hütte des Einsiedlers schnell erreicht und klopfte. Es dauerte nicht lange, bis ihm aufgemacht wurde.


Erst jetzt, wo er diesen Einsiedler vor sich sah, fiel Ulfmarr ein, dass kaum etwas über diesen alten Mann bekannt war. Es gab viele, die munkelten, er wäre ein alter Römer, der sich hier in der Einsamkeit niedergelassen hatte. Wiederrum andere hielten ihn für einen Seher. Für die allermeisten jedoch war er einfach nur ein komischer, alter Kauz, der seine Figuren schnitzte und töpferte, ansonsten aber froh war, wenn er am Abend etwas verkauft und zu Essen auf dem Tisch hatte.


>>Also? Kann ich dir helfen? << der Einsiedler betrachtete den Sohn des Fürsten mit einer Mischung aus Neugierde und äußerstem Interesse. Dann bot er seinem Gast einen Platz am wärmenden Feuer an und wiederholte seine Frage.


>>Es geht um meinen Vater. Mein Bruder ist tot und ihn plagen deswegen Alpträume.<<


>>Was ist Deinem Bruder zugestoßen?<< der Alte goss derweil Tee in zwei Becher, den er gerade über seiner Herdstelle zubereitet hatte und reichte seinem Gast einen davon. >>Hier, trink, solange er heiß ist.<<


Ulfmarr bedankte sich und erklärte dem Einsiedler alles, was geschehen war. Von Gunnriks Verbrechen den Göttern gegenüber und von dem Opfer, während er immer wieder leicht an seinem Becher mit heißem Pfefferminztee nippte. Offenbar hatte er noch andere Kräuter beigemischt, denn es schmeckte fantastisch.


Der Alte hörte sich alles ganz geduldig an, während er von seinem Tee trank und Ulfmarr dabei nicht aus den Augen lies.

>>Und was willst du von mir?<<


>>Ich möchte wissen, ob du einen Mann mit dem Namen Ásgeirr kennst. <<


>>Ásgeirr sagst du? Hm, nie von dem gehört. Das was du mir erzählst klingt eher nach einer Vision als nach einem Traum. Nur kann ich dir nicht viel helfen, fürchte ich. Ich bin nur ein alter Mann, der sich mit dem Tausch von Krempel über Wasser hält.<<


>>Bitte.<< Ulfmarr legte dem alten besorgt eine Hand auf dessen Unterarm. >>Ich habe von dir gehört, Einsiedler. Ich weiß, dass du manchem schon mit zauberkundigem Rat zur Seite standest.<<


Der Einsiedler sah ihn lange an, bevor er antwortete.

>>Zauberkundig, ich?<< er musste kurz lachen, doch dann legte er eine Hand auf Ulfmarrs und sah ihn ruhig an.

>>Ich werde mich umhören, wenn es dir so wichtig damit ist. Hier, nimm das mit. Für deinen Vater.<< Er drückte Ulfmarr eine kleine Holzfigur in die Hand, die den Gott Woden darstellen sollte.

>>Die Götter spielen manchmal seltsame Spiele mit uns. Ab und an glauben wir zu wissen, was sie von uns wollen und dann wieder nicht....Götter muten den Menschen manchmal mehr zu als sie ertragen können. Ihr Ränkespiel ist für uns unbegreiflich.<<


Ulfmarr nickte und sah sich die kleine Holzfigur an.

>>Was weißt du über die Götter, alter Mann?<<


>>Im Grunde nicht mehr als die Meisten. Doch eines weiß ich noch. Nämlich, dass die Opfer, die den Göttern gebracht werden, nie umsonst sind. Dein Bruder hat Woden beleidigt und war respektlos ihm gegenüber. Er hatte Schuld auf sich geladen. Was der Grund war können wir nur raten. Wer kennt schon die Geheimnisse der Götter? <<


>>Na, ich jedenfalls nicht.<< antwortete Ulfmarr und atmete tief durch, bevor er sich erhob. Er nickte dem alten Mann zu. >>Danke, dass wir reden konnten.<<


Der Alte Einsiedler führte Ulfmarr zum Ausgang seiner Hütte.

>>Wie gesagt, ich werde mich nach diesem Ásgeirr umhören. Vielleicht werfe ich auch ein paar Runen und sehe, was sie mir sagen. Ich werde es dich wissen lassen, sollte ich etwas herausfinden. Oh und erzähle niemandem, dass du bei mir warst. Manches bleibt besser unausgesprochen, bis Gewissheit herrscht.<<

Nachdem Ulfmarr gegangen war, begab sich der Alte nachdenklich zurück an seine Arbeit.

Die Festung im Moor

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