Читать книгу Die Katzen von Key West - Matti Lieske - Страница 5

Kapitel 3

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Obwohl ich am nächsten Morgen früh aufbrechen wollte, um dem unverhofften Hinweis mit den Palmen nachzugehen, und daher bestrebt war, möglichst schnell einzuschlafen, wollte mir dies nicht so recht gelingen. Nachdem ich monatelang im Dunkeln getappt hatte, was angesichts der grellen Lichtverhältnisse in der Wüste von Murgos eine etwas fragwürdige Metapher ist, wie ich gern zugebe, war ich viel zu aufgewühlt, um den Amoklauf meiner Gedanken stoppen zu können. Was mochte wohl in dem bewussten Planquadrat auf mich warten. Waren es tatsächlich Bestandteile von Key West oder hatte der Tropf aus dem Restaurant bloß eine Fata Morgana gesehen. Aber selbst dann, soviel wusste ich aus der Physikschulung während meiner Ausbildung zum „Space Detective“, musste es eine Quelle für die Bilder geben. Und dass auf diesem von sämtlichen Gottheiten des Universums verdammten Planeten auch nur eine einzige Palme von selbst gedeihen konnte, hielt ich für komplett ausgeschlossen. Jemand musste sie hierher transportiert haben. Schmurg, mein notorisch unzuverlässiger Gewährsmann in der hiesigen Galaxis, hatte tatsächlich gewusst, warum er mich ausgerechnet auf Murgos aufmerksam machte.

Ich überlegte, ob ich es riskieren konnte, eine Erfolgsbotschaft an die Zentrale loszuschicken. Es war inzwischen mehr als ein Jahr her, dass Key West über Nacht vom Erdboden verschwunden war, unser Auftraggeber hatte mehrfach gedroht, uns den Fall zu entziehen und ihn einer anderen Agentur zu übergeben. Sicher wäre man begeistert über jede noch so winzige Entwicklung, aber ich beschloss dann doch, mit dem Absenden der Nachricht zu warten, bis ich die Angelegenheit mit eigenen Augen überprüft hatte. Sollte sich am Ende herausstellen, dass es sich bloß um einen durchgeknallten Eremiten handelte, der auf die Idee verfallen war, dass Murgos der ideale Ort für eine Palmenzucht sei, wäre ich bis auf die Knochen blamiert. Das konnte ich mir nach dem Fehlschlag mit dem Andromeda-Nebel nicht leisten.

Ich rekapitulierte nochmal, was ich bisher über die Sache wusste. Key West war die bedeutendste Insel der sogenannten Keys, die sich auf dem Ferienplaneten Terra vom Festland Floridas fast bis nach Kuba erstreckten. Es war berühmt für sein angenehmes Klima, zumindest seit die Wetterdesigner der UTC, der Universal Tourist Company, die Hurrikan-Häufigkeit auf null gesenkt hatten, und für seine exzellente Infrastruktur. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass sich Key West in den letzten Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Tourismusparadiese des Weltalls entwickelt hatte. Wer dort Urlaub machen wollte, musste sich auf eine ellenlange Warteliste setzen lassen und konnte von Glück sagen, wenn er noch zu Lebzeiten an die Reihe kam. Key West war der Knüller. Bis es, wie gesagt, über Nacht verschwand.

Wer hinter der Sache steckte, war nicht schwer zu erraten. Ein Coup dieser Größenordnung konnte nur von einem der drei multistellar agierenden Syndikate bewerkstelligt werden, die sich darauf spezialisiert hatten, berühmte Sehenswürdigkeiten zu stehlen und sie auf abgelegene Privatplaneten exzentrischer Trilliardäre zu verfrachten, die sich nicht mit Nachbildungen zufrieden geben wollten, sondern danach trachteten, die Originale in ihren Besitz zu bringen. Key West als private Spielwiese sozusagen, was vor allem dumm für jene Menschen war, die sich zum Zeitpunkt des Raubes dort aufgehalten hatten und nun dazu verdammt waren, den Rest ihres Lebens als versklavte Touristen im Dienste eines verrückten reichen Knackers zu verbringen. Vielleicht auch einer Knackerin. Aber das gehörte zu den Dingen, die ich herauszufinden hatte.

Kaum ein Zweifel bestand darüber, welches der drei Syndikate auf Terra zugeschlagen hatte. Jedes einzelne hatte seine Operationsgebiete, die unter ihnen vermutlich sogar vertraglich fixiert waren. Warum sollten sie sich gegenseitig in die Quere kommen, solange genug Objekte für alle da waren. Der Bereich der Milchstraße gehörte zum Revier jener Organisation, die von einem obskuren Pärchen mit dem Decknamen Bonnie & Clyde geleitet wurde und in den letzten Jahren vor allem durch den Raub der Chinesischen Mauer und des fünften Jupitermondes für Aufsehen gesorgt hatte. Obwohl ich schon mehrfach mit der Bande aneinandergeraten war, hatte ich noch nie jemanden getroffen, der etwas Näheres darüber wusste, wer sich hinter dem Pseudonym verbarg. Der terrestrische Hintergrund der Namen deutete darauf hin, dass sie von der Erde selbst oder zumindest aus dem zugehörigen Sonnensystem stammten, aber es konnte sich genauso gut um eine bewusste Irreführung handeln. Das Einzige, was ich mit Gewissheit über die beiden sagen konnte, war, dass es sich um sehr intelligente, immens skrupellose, über die Maßen gewalttätige und tief rachsüchtige Wesen handelte. Letzteres hatte ich bei mehreren Anschlägen auf mein Leben am eigenen Leibe erfahren, nachdem ich ihnen vor einigen Jahren die Chinesische Mauer wieder abgejagt hatte, die sie schon für ein Heidengeld an den „Kaiser von Prwingdztra“, wie sich der Diktator des gleichnamigen Planeten nannte, verscheuert hatten. Auf dem Jupitermond waren sie sitzen geblieben, was ich ihnen von Herzen gönnte.

Die Auffindung der Mauer war der größte Erfolg meiner bisherigen Detektivlaufbahn, hatte mich in der Hierarchie unserer Agentur steil nach oben katapultiert und mir den Andromeda-Auftrag eingebracht, der mich genauso schnell wieder runterkatapultierte. Die Key West-Affäre war mir nur übertragen worden, weil ich von der Mauer-Sache her einiges über die Arbeitsweise des BCS (Bonnie & Clyde Syndicate) wusste. Der Ansatzpunkt meiner damaligen Recherche war die Überlegung gewesen, dass die Gangster wohl kaum das Risiko eingehen würden, die Beute sofort ihrem Auftraggeber zu bringen. Man kann die Bestandteile der Chinesischen Mauer nicht durchs halbe All transportieren ohne aufzufallen, zumindest nicht, solange die Bewohner sämtlicher Welten angestrengt nach nichts anderem als den Bestandteilen der Chinesischen Mauer Ausschau halten. Während also die anderen mit der Untersuchung beauftragten Detekteien an die Ränder des Universums ausschwärmten und vorzugsweise in den abgelegenen Winkeln suchten, konzentrierte ich mich auf das irdische Sonnensystem. Schon nach kurzer Zeit wurde ich fündig. Die Diebe hatten die Mauer einfach auf der Rückseite des Erdmondes zwischengelagert, wo schon seit Jahrhunderten niemand mehr gewesen war. Meine Entdeckung brachte mir eine saftige Prämie, die unerbittliche Feindschaft von Bonnie & Clyde, sowie mehr Ruhm, als einem Detektiv bei seiner Arbeit zuträglich ist. Es ist bei einer Undercover-Operation nicht gerade hilfreich, wenn der Erstbeste, der einem über den Weg läuft, sofort schreit: „Sind Sie nicht dieser Broderbund, der damals...“

Nun ja, mittlerweile hatte sich mein Ruhm weitgehend verflüchtigt, und so wurde ich auserkoren, die Key-West-Angelegenheit zu übernehmen. Harte Knochenarbeit anstelle des gemütlichen Jobs in der Chefetage, der mir nach der Mauer-Geschichte zunächst in Aussicht gestellt worden war.

Man musste es der Bande lassen: Sie hatte sauber gearbeitet. Die Insel war samt umliegendem Ozean so gründlich verschwunden, als sei sie niemals da gewesen. Den Entführern musste ein gigantisches Raumschiff zur Verfügung gestanden haben, das dennoch unbemerkt alle Luftkontrollen passieren konnte, ein ungeheures technisches Arsenal, um Menschen, Gebäude, Fauna, Flora, Straßen, Strände und Wasser in Windeseile zu verladen, sowie ein wahres Heer an Hilfspersonal, vermutlich fast ausschließlich aus perfekt programmierten und gedrillten Spezialrobotern bestehend. Als ich am nächsten Tag am Tatort eintraf, waren absolut keine Spuren zu finden. Ich entdeckte trotzdem einen Anhaltspunkt - und zwar in Miami.

Routinemäßig ließ ich einen Computer sämtliche Verkaufsdaten der großen Geschäfte überprüfen und mit den Zahlen der letzten drei Monate vergleichen. Dabei stieß ich auf einen signifikanten Umstand. Am Tag vor dem Verbrechen waren in einem Einkaufsmarkt am Stadtrand von Miami zwei Millionen Dosen Katzenfutter mehr verkauft worden als an allen übrigen Tagen. Ich forschte nach und fand heraus, dass diese tatsächlich eine einzige Person erworben hatte. Der Grund lag auf der Hand. Schließlich mussten die unzähligen Katzen im sogenannten Hemingway-Haus gefüttert werden, ohne die Key West nur die Hälfte wert wäre. Obwohl nur noch Fragmente des Hemingwayschen Werkes erhalten waren, und lediglich „Der alte Mann und das Meer“ in vollständiger Fassung, war der Ruhm dieses antiken terrestrischen Schriftstellers weit über sein Sonnensystem hinausgedrungen. Kein Trilliardär, und wäre er noch so exzentrisch, würde auch nur einen Yolk für ein Key West ohne vollständiges Hemingway-Haus ausgeben. Und dazu gehörten nun mal die Katzen.

Die Versorgung der Menschen und Touristen von Key West war für die Entführer relativ einfach, da sie, wenn sie der Hunger plagte, bereit waren, alles Mögliche in sich hineinzustopfen. Erdkatzen hingegen galten als ausgesprochen heikel, was ihre Nahrung betraf. Also musste vorgesorgt werden, was gleichzeitig meine Theorie bestätigte. Für den Endabnehmer wäre die Beschaffung von Katzenfutter sicher kein Problem, der Großeinkauf sprach demnach für meine Vermutung, dass auch diesmal wieder eine Zwischenlagerung geplant war. Unglücklicherweise wohl kaum auf der Rückseite des Mondes.

Die Katzen von Key West

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