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Kapitel 5

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Mit dem Gedanken an den putzigen Wurzinger aus Tübingen schlief ich endlich ein. Es war höchste Zeit, wenn ich am nächsten Tag einigermaßen ausgeruht auf die Suche nach den ominösen Palmen von Murgos gehen wollte. Die sedative Wirkung des genossenen Schumm war im Verein mit den Nachwirkungen meiner ausgiebigen nächtlichen Grübeleien allerdings erheblich größer als erwartet, und ich wäre normalerweise nicht vor der Mittagsstunde aufgewacht. Mit anderen Worten: da der Tag hierzusterne 36 Stunden dauert, hätte ich glatte 14 Stunden gepennt. Zum Glück hatte ich mir jedoch vor einigen Jahren auf dem berüchtigten Hundskopfplaneten einen besonders hartnäckigen Wecker besorgt, der es zuerst mit akustischen Signalen unterschiedlicher Lautstärke und Eindringlichkeit versuchte, und dann, wenn auch die Posaunen von Jericho nichts halfen, einen kleinen Weckroboter aktivierte, der den Schläfer am Ohr zog, in die Nase pustete oder mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Besonders das Nasepusten hasste ich wie die Pest, und so kam es, dass ich spätestens bei den Posaunen selbst aus der tiefsten vollrauschbedingten Ohnmacht erwachte. Einmal hatte mir das Gerät auf diese Weise das Leben gerettet, als mich eine Gangsterbande in meinem Raumschiff mit einer Mischung aus Chloroform, Äther und Lachgas betäubt und den Bordcomputer so programmiert hatte, dass ich direkt auf die nächstgelegene Sonne zuraste. Aus Versehen hatte ich am Morgen zuvor vergessen, den Wecker aus der Tasche meines Raumanzuges zu nehmen und ihn zu deaktivieren, und so trat er brav um elf Uhr morgens Erdzeit - die Zeit, an der ich mich der Einfachheit halber auf Raumtouren orientierte - in Aktion. Ich erwachte gerade noch rechtzeitig, aber nicht von der zunehmenden Hitze, sondern wegen einer unterbewussten Besorgnis, dass mir jemand in die Nase pusten könnte. Trotz des Betäubungscocktails war ich beim Läuten der Glocken von Notre Dame wach, eine Stufe vor den Posaunen, und konnte, obwohl mein Blut schon fast kochte, im letzten Augenblick kehrtmachen.

Für den Schumm reichte der Donner eines schweren Gewitters und so fand ich mich gegen neun Uhr murgianischer Zeit ein wenig tranig, aber aktionsfähig im Frühstückssaal des Hotels ein. Mein Tischnachbar war bereits unterwegs, wie mir der Kellner sagte, ich hielt mich nicht lange auf, stürzte einige Tassen schwarzen Kaffees von mitteltexanischer Wässrigkeit hinunter und begab mich zu meinem Gleiter.

Schnurstracks flog ich zu dem Punkt, den mir der Handlungsreisende am Abend zuvor beschrieben hatte, und landete. Von oben hatte ich nichts Auffälliges erkennen können, doch das änderte sich, als ich ausgestiegen war und mich umsah. Die Gegend sah aus wie ein Baukasten von Riesenkindern. Gigantische Felsklötze waren überall verstreut und nicht weit entfernt zog sich ein Canyon durch das Wirrwarr. Ich trat an seinen Rand und stellte fest, dass die Wände der etwa einen Kilometer breiten Schlucht lotrecht einige tausend Meter tief abfielen. Was mich interessierte, war jedoch weniger der Canyon, sondern das, was ich mittels meines Fernrohres auf dessen anderer Seite erblickte. Einer der Felsklötze war ausgehöhlt, so dass er eine Art Dach bildete. Unter diesem Dach erkannte ich diverse Gebilde, die unzweifelhaft die charakteristische Form von Palmen aufwiesen. Schnell begab ich mich wieder in meinen Raumgleiter, überflog die Schlucht und erkannte jetzt, warum ich bei meiner Suche einige Tage zuvor nichts Verdächtiges bemerkt hatte. Die Palmen wurden vollständig von dem Felsdach verborgen und waren aus der Luft nicht zu erkennen. Guter, alter Tischgenosse. Ich hätte ihn küssen können.

Kaum war ich wieder gelandet, begab ich mich zu den Gewächsen und hoffte inständig, dass es sich tatsächlich um einige der so lange gesuchten Exemplare handeln möge.

Es gab keinen Zweifel. Sie sahen zwar ziemlich ramponiert aus und begannen bereits zu verdorren, was bei den klimatischen Bedingungen, unter denen sie nun dahinvegetieren mussten, kein Wunder war, aber es waren waschechte Key-West-Palmen. Ich hatte lange genug als Barkeeper auf den Keys gearbeitet, um ein kompetentes botanisches Urteil in dieser Angelegenheit fällen zu können. Die Frage war bloß, wie und warum sie nach Murgos verschleppt worden waren. Entweder hatte der Planet den Entführern tatsächlich eine Zeitlang als Zwischenlager für das entwendete Key West gedient, oder ich war einer extra für hartnäckige Schnüffler wie mich gelegten falschen Spur aufgesessen. Vielleicht konnte eine sorgsame Untersuchung des Gebietes Aufschluss bringen.

Zu Fuß hatte es allerdings wenig Sinn, ein Areal von der Größe Key Wests zu durchforschen, also schwang ich mich wieder in den Gleiter, stellte den Suchdetektor so ein, dass er jede Substanz außer Sand und Felsen registrierte und flog, von den Palmen ausgehend, immer größere Kreise. Zwei Stunden lang entdeckte ich absolut nichts und kam mir bereits vor wie ein besonders hungriger Geier, der vergeblich nach einem schmackhaften Kadaver sucht. Inzwischen gehörte auch ein Teil der Schlucht zu meiner Suchspirale, und hier war es, wo ich schließlich fündig wurde. Der Detektor meldete ein winziges Objekt aus einem Material, das er als Glas und Papier identifizierte. Vorsichtig näherte ich mich dem Boden der Schlucht, fand mit großer Mühe eine Landemöglichkeit, peilte die Fundstelle mit einem Taschendetektor an und hielt schließlich einige Glasscherben und einen Zettel in der Hand: eine Flaschenpost. Weiß der Himmel, wie es jemandem gelungen war, dieses Objekt aus dem vermutlich durch ein Kraftfeld abgeriegelten Key West zu schmuggeln. Es musste zumindest kurzzeitig ein Leck gegeben haben, vermutlich, als man die als krank ausgesonderten Palmen abgeladen hatte.

Ich steckte die Scherben in einen Lederbeutel und untersuchte den Zettel. Er enthielt nur eine kurze Nachricht, die verblasst und leider zum Teil unlesbar war. „Hilfe, man ver....pt ... nach ..r.....h..i.“, war noch zu erkennen, und mein untrüglicher kriminalistischer Instinkt sagte mir, dass der erste Teil nichts anderes hieß als: „Hilfe, man verschleppt uns“. Doch wohin man verschleppte, das verschloss sich leider meinem Kombinierungsvermögen. Zu dumm, aber immerhin ein Anhaltspunkt. Key West war hier gewesen und jetzt auf dem Weg zu einer Gegend, von der ich schon drei Buchstaben kannte. Ich brauchte nur noch zwei, drei weitere Zettelchen zu finden, auf denen zufälligerweise die restlichen Buchstaben erkennbar wären, und die Sache würde sich in Wohlgefallen auflösen – zumindest wenn es sich beim Zielort nicht um einen jener Planeten handelte, gegen deren Namen die von walisischen Kuhdörfern wie Initialen wirken.

Bevor ich jedoch weiter meine Runden flog, würde ich mich erstmal ein wenig ausruhen und einige der Getränke und Lebensmittel zu mir nehmen, die ich vorsichtshalber mitgebracht hatte. Die Palmen von Key West erschienen mir der geeignete Ort für ein gemütliche Siesta. Wie hätte ich ahnen können, dass sie im gesamten Universum momentan der Ort waren, den ich am gründlichsten meiden sollte?

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