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Bodo

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Dieser Tag ist nicht nach seinem Geschmack, doch dieser Tag wird auch Lola nicht schmecken.

Der Mann tritt vor die Tür. Nervös fährt die Hand durch das feuchte Haar, das in seinem Nacken staucht und kleine glitzernde Kringel wirft. Schaut man genauer hin, ist es kein fröhliches Gesicht. Seine linke Wange zuckt vor Erregung, doch man möchte glauben, sein Inneres hört auf eine mahnende Stimme. Er spürt keine Angst und er weiß nicht, ob er je Angst verspürt hat. Er weiß nur, das Jüngste Gericht kennt keinen Verteidiger.

Seine Augen suchen den Punkt am Himmel, der ihm lange Zeit für Vergebung genügt hat. Er ist nicht gläubig, aber er glaubt an eine gerechte Strafe. Er ist auch nicht dumm, aber er glaubt, er weiß nicht sehr viel. Er kann lesen und schreiben und fester zupacken, als es sein schlaksiger Körper ahnen lässt. Zupacken hat er gelernt. Das musste er lernen. Er hatte nie das Glück, eine Ausbildung zu genießen, wie sie ein Sesselposten erfordert.

Bodo Fichtner war das siebente und letzte Kind, und er blieb für seinen Vater auch noch das ungeliebte. Ihm lag die Schule nicht und er schmiss sie hin. Heute bereut er.

Ein klarer Morgen liegt über der Stadt. Sanfte Strahlen streichen die Dächer und Türme, die Bodo zum ersten Mal in seinem Leben als Schutzwall wahrnimmt. Die Vögel zwitschern schon lange, und hier und da sieht man einen Menschen durch den morgendlichen Park laufen. Von der Stadtmauer kommend zerrt eine Frau ihren Hund über die hügelige Wiese.

Vor dem prächtigen Haus mit dem Säulenportal, in dem er bei Lola wohnen darf, ist es noch still. Nur von fern quietscht die Straßenbahn, die am Postplatz in die Berliner Straße einbiegt.

Bodo setzt bedächtig ein Bein vor das andere. Diese Langsamkeit ist seine Galgenfrist.

Der Weg ist nicht weit, und er ist nicht von Sinnen. Er nimmt die Stadt mit all den vergessenen Sinnen wahr. So fühlte er an keinem seiner verdammten Tage vorher. Heiße Wut treibt das Blut durch die Adern: Das mit Lola und dem ganzen Bockmist, wäre ihm früher nie eingefallen.

Er ist noch nicht alt, gerade 49 Jahre, aber man sagt, er sieht älter aus. Vielleicht weil er zu viel geraucht, zu viel gesoffen, ungesund gegessen und zu wenig geschlafen hat. Vielleicht hat er aber nur geraucht und gesoffen, weil er seit langem schlecht schlafen kann. Und das hat einen Grund, der im Verborgenen schlummert.

Seine Kleidung schlottert um den drahtigen Körper. Sein Muskelfleisch hat in letzter Zeit den Kürzeren gezogen. So sagt es Lola. Er weiß, was sie damit bezweckt. Darüber denkt er selten nach - wer denkt schon gerne an seine Schwächen. Seine größte hat ihn zu dem gemacht, der er am Ende dieses Tages sein wird. Allein diese Erkenntnis raubte ihm den Schlaf. Aber wenn er schon nach Canossa muss, dann wird er auch Buße tun.

Bodo Fichtner geht seinen Weg bedächtig, und die Dinge um ihn herum tragen heute andere Namen, andere Farben, sie stehen an einem anderen Platz. Nur sein eingeübter Satz bleibt beständig in seinem Kopf: »Wenn ich dort fertig bin, klicken die Handschellen. «

Die Rache des Faktotums

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