Читать книгу Somber Side of Love - Teil 3 Ägypten - M.B. Bolder - Страница 7

Kapitel 5

Оглавление

Tränen treten in ihre Augen und sie schüttelt ungläubig den Kopf.

„Nein! Was hab ihr denn gemacht? Nein!“

Sie stürzt unvermittelt auf mich zu, wobei Kylie geistesgegenwärtig einen Schritt zur Seite tritt und Saundra lässt sich vor mich auf die Knie fallen.

Sie nimmt die am Boden liegenden Haare in ihre Hände und sieht mir weinend ins Gesicht.

„Nein!!!“

„Nicht doch, Baby!“ flüstere ich tröstend und ziehe sie an den Oberarmen zu mir hoch, um sie auf die vollen Lippen zu küssen.

„Du weißt, dass es sein muss! Besser jetzt gleich, als wenn die Haare langsam nacheinander ausgehen. Ich denke das wäre noch schmerzlicher, vor allem für mich. Versteh‘ mich doch, bitte.“

Sie schluckt die Tränen hart hinunter und nickt kaum merklich, als Kylie auch schon mit einem Kehrwisch aus dem Bad neben uns steht und meine Locken zusammenkehrt.

„Nein! Warte Kylie!“ ruft Saundra leise aus.

„Ich möchte wenigstens ein paar davon behalten, bitte!“

Kylie atmet tief, weil sie auch merkt wie wichtig das Saundra offenbar ist und lässt den Handbesen und die Handschaufel auf den Boden sinken.

„Okay! Dann gehe ich zu den Schwestern und frage nach einer kleinen Schachtel.“ antwortet sie und mit einem vieldeutigen Augenaufschlag verlässt sie das Zimmer und lässt uns allein.

„Was hat dein Dad gesagt?“ frage ich unverfänglich und ziehe Saundra auf meinen Schoß.

Zunächst etwas irritiert legt sie ihren linken Arm um meine Schulter und starrt immer noch ungläubig auf die Frisur, die ich wohl die nächsten Wochen und vielleicht sogar Monate tragen werde.

„Er war natürlich geschockt und macht sich die allergrößten Sorgen um dich und er will so schnell wie möglich zurückkommen. Aber Tristan ist noch nicht so weit, dass er einen so langen Flug unbeschadet überstehen würde.

Er ist zwar inzwischen aufgewacht, aber der hohe Blutverlust macht ihm natürlich immer noch zu schaffen und die Wunde heilt nicht so gut wie erwartet.“ berichtet sie, lässt traurig den Kopf sinken und drückt vorsichtig ihre Wange an meinen neuen kahlen Kopf.

„Ich wünschte mir trotzdem, er wäre jetzt hier! Er war mein ganzes Leben lang immer da, wenn es mir emotional schlecht ging. Er war immer mein Fels in der Brandung und ich konnte mich bei ihm ausweinen und mich an ihm festhalten.

Ich werde mich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, dass es nun eine andere Nummer eins in seinem Leben gibt und er hat nach so vielen Jahren durchaus das Recht dazu, aber er fehlt mir gerade jetzt so sehr.“

Die letzten Worte sagt sie erneut tränenerstickt und ich ziehe sie fest an mich.

„Jetzt bin doch ich für dich da Darling und ich werde dich nicht verlassen, weil ich dich liebe. Wir beide bringen das schnell hinter uns und dann wird uns nichts und niemand mehr auseinander bringen, das verspreche ich dir.“ flüstere ich und wiege sie in meinen Armen.

Ich weiß nicht wie lange wir so dasitzen als Kylie mit einer kleinen rosafarbenen Deko-Schachtel, beklebt mit Blümchen und Schmetterlingen, zurückkommt und wortlos meine braunen Locken aufsammelt und sorgsam in den Karton legt.

Als sie fertig ist tippt sie uns beide an die Schultern und sagt in mäßigem Ton.

„So nun ist aber Schluss mit Trübsal blasen. Ihr beide verzieht euch jetzt auf euer Bett und ich kehre die Reste von Matts Haarpracht hier zusammen.

Danach haue ich erst einmal ab und unterhalte Mum und Dad, bis ihr beide grünes Licht gebt. Matt, du hast meine Mobile Nummer, also auf jetzt ihr zwei! Worauf wartet ihr noch?“

Kopfschüttelnd scheucht sie uns vom Stuhl, räumt ihn weg und kehrt die restlichen Überbleibsel meiner Haare auf dem Boden zusammen.

Somit lässt sie die letzten Reste meines alten Lebens im Bad in einem Abfalleimer verschwinden und stellt die rosafarbene Schachtel sorgsam auf den Tisch.

Anschließend drückt sie mir den Zimmerschlüssel mit einem aufmunternden Lächeln in die Hand, bevor sie den Raum verlässt und ich bin ihr dankbar, dass sie trotz ihres flippigen, lauten Wesens auch manchmal sehr einfühlsam sein kann.

Meine Schwester eben!

Die ich liebe, weil sie genauso ist wie sie ist.

Noch etwas unschlüssig folge ich ihr, stecke den Schlüssel in das Schloss und schließe die Tür ab.

Unterschwellig habe ich sowieso das Gefühl, dass die ganze Klinik tausend Augen und Ohren hat und wir nicht wirklich allein sind, weil ich weiß, dass jetzt so viele Leute von der Spermaprobe wissen und auf ein Ergebnis warten.

Allen voran Dr. Spector und natürlich die Klinikangestellten, meine Schwester, meine Eltern, Lázló im fernen Ungarn und was weiß ich wer sonst noch?

Mir kommt es so vor als wüsste die ganze Welt davon und es fällt mir immer schwerer mich darauf einzulassen, vor allem weil Saundra immer noch angesichts meines haarlosen Kopfes und der Präsenz der Leukämie völlig aufgelöst erscheint.

Geräuschlos lege ich den Schlüssel neben das rosa, mit Blümchen dekorierten Kästchens und schlüpfe neben sie auf das Krankenhausbett.

Saundra hat sich inzwischen auf die Seite fallen lassen. Sie hat die Knie angezogen und mit ihren Armen umschlungen, was es noch schwerer macht an sie heran zu kommen.

Doch kaum strecke ich mich neben ihr aus lässt sie ihre Hände sanft über meinen Kopf und meinen nackten Oberkörper wandern.

„Ich denke wir sollten uns langsam über die Spermaprobe hermachen, sonst ist es am Ende noch zu spät dafür.“ flüstert sie leise und schiebt Ihre Hand unter den Rand meiner Shorts.

„Ich bin nicht sicher, ob ich das kann Saundra.“ raune ich ihr zu und drücke ihren Kopf mit der Wange an meine nackte Brust.

„Wir werden es auf jeden Fall versuchen.“ sagt sie, hebt ihren Kopf und reißt mit einem Ruck meine Shorts herunter.

„Saundra!“ rufe ich erschrocken aus.

„Ich gebe jedenfalls mein bestes.“ blinzelt sie mir ins Gesicht und holt den Becher, welcher mit meinem Namen und einer Nummer versehen ist und stellt ihn auf dem Nachttisch bereit.

Irgendwie komme ich mir vor wie eine Kuh, die gemolken werden soll und fühle mich zunächst gar nicht wohl, als sie auch schon ihre vollen Lippen über meinen besten Freund stülpt und solange an ihm saugt bis er sich doch neugierig aufrichtet.

Abwartend schließe ich die Augen und versuche krampfhaft an den Abend in New York zurückzudenken, als ich zum ersten Mal ganz bewusst mit ihr in einem Spielzimmer war und sie mich mit Seilen an die Decke gehängt hat.

Eigentlich ist es gerade erst eine Woche her und sie hat mir an diesem Abend die wunderbarsten Orgasmen bereitet, die man sich nur vorstellen kann.

Langsam löst sich die Anspannung in mir und ich beginne mich ganz auf Saundras Zunge zu konzentrieren und es gelingt ihr tatsächlich mir ein Stöhnen abzugewinnen.

Immer mehr verschwindet alles andere, wie in einem Nebel um mich herum und ich fühle nur noch ihren warmen Mund und sexuelles Verlangen in mir.

Unablässig saugt und leckt sie an meinem besten Stück und als sie dann auch noch meine Hoden in die Hand nimmt und sacht zudrückt stehe ich kurz vor dem Orgasmus.

Ein lautes Stöhnen kündigt ihn an, doch die Tatsache dass Saundra den Becher in der Hand hält und die zähe weiße Flüssigkeit, die aus meinem besten Stück schießt darin auffängt und nicht schluckt wie sonst, holt mich wieder grausam in die Realität zurück.

Tief atmend drehe ich meinen Kopf zur Seite und versuche die Tränen zu verstecken, welche nun heiß in meine Augen drängen und hoffe, dass Saundra sie nicht sieht.

Doch sie verschließt den Behälter sorgfältig und flüstert schluckend.

„Am besten bringe ich ihn gleich zu Dr. Spector, damit wenigstens hiermit nichts mehr schief geht.“

Sie küsst mich auf die Wange und fragt besorgt.

„Ist alles in Ordnung Darling?“

Seufzend nicke ich kurz und hauche nur ein „Ja! Geh‘ nur Darling.“

Gedämpft höre ich wie sie sich leise entfernt, die Tür aufschließt und sie von außen wieder schließt.

Währenddessen ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf und wische mir verstohlen mit einer Hand die Tränen aus den Augen.

Sanft streichelt ein Finger über meine Wange und ich höre Saundras liebliche Stimme, aber ich kann gar nicht verstehen was sie sagt.

Offenbar bin ich einfach wieder eingeschlafen und ich könnte gerade gar nicht sagen, wie lange ich weg war.

„Matt, Darling!“ verstehe ich nun die ersten Fetzen, die mich langsam aus meinem seltsamen Traum holen.

„Aufwachen! Deine Mum und dein Dad sind hier und Kylie ist auch noch einmal mitgekommen.“ raunt Saundra in mein Ohr und küsst mich auf die Wange.

Erschöpft öffne ich die Augen und merke gerade noch wie Saundra meine Shorts unter die Bettdecke stopft, als auch schon Mum und Dad das Zimmer betreten.

Mum schlägt erschrocken die Hände vor den Mund und auch Dad scheint sehr betroffen zu sein, als sie mich erblicken.

„Um Himmels willen, Matt! Kylie hat ja gesagt, dass sie dir die Haare abrasiert hat, aber musste das wirklich sein?“ ruft sie erschrocken aus.

„Mum, bitte!“ sage ich müde.

„Ja, es musste sein! Sie würden ohnehin ausgehen und ich fühle mich so besser, als wenn es nach und nach passiert.“

Mum umarmt mich stürmisch und ich achte nebenbei peinlich genau darauf, dass ich zugedeckt bleibe.

Immerhin bin immer noch nackt unter der Decke, genieße aber auch ihre Wärme, denn im Moment fröstelt es mich tatsächlich sehr.

Auch Dad und Kylie umarmen mich tröstend mit einem Blick, als läge ich schon auf dem Sterbebett und ich ziehe die Zudecke bis an mein Kinn.

Saundra geht auf die andere Seite des Bettes, setzt sich neben mich und hält meine Hand, die als einziges aus der Bettdecke ragt.

„Ist dir kalt?“ fragt sie erstaunt.

„Du hast eiskalte Hände!“

„Ja! Deshalb habe ich mich ja so eingemummelt! Ich friere gerade wie ein Schneider, aber das hat nichts zu sagen, das kann in ein paar Minuten schon ganz anders sein.“ antworte ich leicht lächelnd.

Dad schüttelt mit dem Kopf und dreht die Heizung höher.

„Als ob ihr hier an der Heizung sparen müsstet!“

„Dad! Lass‘ das doch! Das ist nur gerade so eine Phase … wahrscheinlich weil ich eingeschlafen war, normalerweise ist es hier warm.“

„Ich bringe dir morgen ein paar warme Pyjamas mit, die kannst du bestimmt noch brauchen. Denn so wie ich dich kenne, schläfst du ohnehin wieder nur mit Shorts und T-Shirt.“ sagt Mum und zieht die Augen zusammen.

„Ich habe dir schon immer gesagt, dass man anständige Nachtwäsche tragen sollte.“

„Ach Mum, nun lass‘ das doch mal.“ sage ich und reibe mit der linken Hand über die Augen.

„Ich war lediglich eingeschlafen und hatte einen blöden Traum! Außerdem weiß ich ohnehin noch nicht, wie es mir nach der Chemotherapie geht.

Lasst doch alle eure Vorsichtsmaßnahmen sein, die Klinik wird schon wissen was sie tut und wenn es mir nach der Chemo kalt ist, werden die auch Decken haben. Lasst uns das doch erst einmal alles auf uns zukommen, bitte.“

Gestresst und müde schließe ich die Augen und lasse meinen Kopf nach hinten fallen, während ich tief ein- und ausatme.

„Mum?“ höre ich Kylie vorsichtig fragen.

„Ich denke es wäre besser, wenn wir Matt und Saundra jetzt allein lassen, er scheint sehr erschöpft zu sein! Wir sollten ihn besser schlafen lassen.

Vielleicht geht es ja mit dem Besuch heute Nachmittag kurz vor der Chemo noch einmal.“

Leise höre ich Mum tief seufzen und welch‘ ein Wunder sie gibt meiner Schwester sogar nach.

„Ja, vielleicht hast du Recht Kylie! Er braucht jetzt viel Ruhe und sehr viel mehr als unser Gewebe testen zu lassen, können wir gerade auch nicht für ihn tun.“ sagt sie leise und küsst mich vorsichtig auf die Wange.

Müde halte ich daher meine Augen weiter geschlossen, denn es ist mir ohnehin kaum möglich sie offen zu halten und ich spüre auch Kylies kurze Umarmung.

„Du schaffst das Bruderherz!“ flüstert sie mir dabei ins Ohr.

Dad legt ebenfalls seine Hände auf meine Schultern und raunt mir zu.

„Matt! Ich liebe dich! Du bist mein Sohn und du musst auf jeden Fall länger leben als ich. Du darfst nicht aufgeben, hörst du.“

Er küsst mich ebenfalls auf die Wange und ich rieche dabei tief einatmend seinen geliebten Burley Tabak.

„Ja Dad, das werde ich!“ flüstere ich kaum hörbar zurück und begebe mich abermals ins Reich der Träume.

Wie sie das Zimmer verlassen und sich noch mit Saundra unterhalten, bekomme ich in diesem Moment schon gar nicht mehr mit.

Als ich das nächste Mal erwache liegt Saundra fest an mich geklammert neben mir, birgt ihre Stirn an meiner nackten Brust und ich höre sie leise weinen.

Vorsichtig streichle ich über ihr seidenweiches Haar und als sie bemerkt, dass ich wach bin wischt sie sich fast unbemerkt die Tränen aus den Augen.

Leise klopft es im selben Moment an die Tür und eine mir unbekannte Krankenschwester stellt wortlos den Lunch auf den Tisch und geht wieder.

„Vielleicht sollten wir etwas essen Darling, nachdem das Frühstück heute so kurz ausgefallen ist?“ frage ich leise, obwohl mir selbst der Appetit fehlt nachdem ich nach dem Nickerchen noch völlig benebelt bin.

„Ja, wahrscheinlich hast du Recht!“ sagt Saundra abwesend und löst sich langsam von mir.

Sie lässt sich von der Bettkante rutschen, schlägt die Bettdecke zurück und hilft mir wieder in meine Shorts zu schlüpfen, wobei ich direkt wieder eine Gänsehaut bekomme und friere.

Saundra bemerkt es sofort und hilft mir auch noch in mein T-Shirt.

„Ich fahre am besten nach dem Essen in deine Wohnung, lade dort unsere Koffer ab und bringe dir ein paar Jogging-Anzüge mit.“ schlägt sie vor.

Energisch schüttle ich jedoch mit dem Kopf.

„Nein Saundra! Das musst du nicht! Ich komme schon mit dem klar was wir hier haben, außerdem hat Mum doch angekündigt, dass sie Pyjamas mitbringt.“ antworte ich genervt und rolle meine Augen nach oben, denn Pyjamas konnte ich noch nie leiden.

„Du hast jetzt Sendepause!“ sagt sie entschieden.

„Wir wollen alle, dass es dir während der Chemotherapie möglichst gut geht, also hole ich dir warme Sachen zum Anziehen.

Von Bekannten weiß ich, dass Chemo-Patienten oft frieren, außerdem habe ich deine Wohnung bereits von einem Sicherheitsdienst überprüfen lassen, ob niemand dort eingebrochen ist und vielleicht unvorhergesehener Weise auf mich wartet.

Denn wie schon gesagt! Wer weiß, welche Feinde sich Dad da in Ungarn wieder zugezogen hat…“ sie schüttelt kurz den Kopf und redet weiter.

„… aber das ist zum Glück nicht der Fall. Also kann ich getrost mit dem Taxi hinfahren und dir ein paar frische und bequemere Sachen holen.

Schließlich wissen wir noch gar nicht, wie lange sich das Ganze hinziehen wird und bis zu dem Termin bei Dr. Perez habe ich auch noch genügend Zeit.“ führt sie letztendlich aus.

„Du hast meine Wohnung überprüfen lassen?“ frage ich ungläubig und stelle fest, dass sie fast schon so kontrollsüchtig ist wie ihr Vater!

Die ganze Zeit über dachte ich, dass sie völlig aufgelöst und nur am Weinen ist und dann denkt sie trotz allem an so etwas?

Und sie macht das einfach so nebenbei, ohne dass man davon etwas mitbekommt?

Wieder einmal werde ich aus dieser Frau nicht schlau, obwohl sich in Ungarn vieles aufgeklärt hat.

Wir setzen uns an dem kleinen Tisch gegenüber und heben gleichzeitig die Abdeckung von unserem Essen, wobei mir von dem köstlichen Duft augenblicklich das Wasser im Munde zusammenläuft.

Zunächst schiebe ich die Gemüsesuppe mit Graupen zur Seite und schneide das köstlich aussehende Hacksteak mit Zwiebelsoße an, während Saundra anfangs lustlos an der Suppe löffelt.

„Wann hast du das gemacht?“ frage ich in die bedrückende Stille.

„Was?“ fragt sie und sieht mich mit runzelnder Stirn an.

„Dass du meine Wohnung hast überprüfen lassen?“ antworte ich fragend.

„Schon während des Fluges zurück in die USA! Man soll zwar nicht online sein während des Fluges, aber man kann angemeldete Faxe absenden und das habe ich gemacht.

Wir haben da einen Sicherheitsdienst, der schon jahrelang für Dad arbeitet und absolut zuverlässig ist.

Es hat zwar etwas gedauert bis sie von New York aus tätig werden konnten, aber vor etwa zwei Stunden hatte ich die Bestätigung auf meinem iPhone, dass alles in Ordnung sei und nur die Putzfrau Mrs. Thornton ihren Dienst ordnungsgemäß erledigt.“ klärt sie mich auf.

„Ach, schon während des Fluges!“ stelle ich fest und lehne mich zurück.

„War meine Mum sehr sauer, weil ich sie so abblitzen ließ?“ lenke ich nun das Gespräch in eine andere Richtung, denn meine anderen Bedenken haben sich mit ihrer Antwort weitgehend erledigt.

„Laura? Nein, ich denke nicht! Sie hat ja selbst gesehen, dass es dir nicht gut ging und du mehr am Schlafen warst. Sie kommt später noch einmal, kurz vor der Chemo und Kylie und ich konnten sie zum Glück überreden dir keine Pyjamas zu kaufen…“ lächelt sie, stockt kurz in ihrer Rede und sieht auf ihre Armbanduhr.

„… deshalb werde ich mich jetzt auf die Socken machen und dir etwas Bequemeres zum Anziehen holen, bevor ich meinen Termin bei Dr. Perez habe, beziehungsweise du bei Dr. Spector.“

Saundra steht schnell vom Tisch auf und sucht nach einer Jacke, bevor sie die beiden Koffer zumacht und sie hoch wuchtet um sie nach draußen zu ziehen.

„Saundra, nun warte doch!“ versuche ich sie aufzuhalten.

„Du hast kaum etwas gegessen! Soviel Zeit muss sein! Wenigstens einer von uns beiden muss doch bei Kräften bleiben!“ bitte ich sie verzweifelt, wobei mir augenblicklich selbst der Appetit vergeht und mein Besteck fallen lasse.

Sie schluckt hart und sucht mit feuchten Augen einen Ausweg.

„Ich kann nicht Matt! Die ganze Situation schnürt mir im Moment alles zu. Ich weiß nur, dass ich für dich da sein werde, so wie du vor ein paar Tagen für mich da warst…“ sie lässt die Koffer wieder fallen und kniet sich vor mich hin.

„Ich liebe dich über alles…“ flüstert sie während sie ihren Kopf in meinem Schoß birgt.

„… und ich werde alles tun, dass es dir einigermaßen gut geht, aber mehr kann ich im Moment nicht machen. Alles andere liegt bei Dr. Spector, der Klinik und an einer geeigneten Stammzellenspende.“

Sie weint erneut und klammert sich an mich wie eine Ertrinkende.

„Komm‘ schon Baby!“ sage ich sanft und ziehe sie an den Oberarmen empor.

„Wir! … Nein DU! musst jetzt stark bleiben … ich weiß durchaus, dass ich augenblicklich viel zu viel von dir verlange, aber du darfst jetzt nicht verzweifeln.

Dr. Perez wird dir helfen, auch wenn es nicht einfach werden wird, aber ich brauche dich JETZT! Verstehst du?

Ich wollte eigentlich für dich da sein um dir zu helfen dein Trauma zu verarbeiten…“ sage ich betrübt und schüttle ich mit dem Kopf.

„… aber ich schaffe das nicht, solange ich um mein eigenes Leben kämpfen muss! …

Nein, das stimmt nicht! Ich werde um unser beider Leben kämpfen, aber du musst mir helfen, allein schaffe ich das nicht. Ich brauche dich Saundra!“ raune ich und sehe tief in ihre grünen Augen.

„Ich werde ebenso für dich da sein, denn ich brauche dich genauso wie die Luft zum Atmen! Genau deswegen werde ich jetzt gehen und dir etwas Warmes zum Anziehen holen!“ flüstert sie.

Sacht löst sie sich wieder von mir, lenkt mich wie ferngesteuert auf das Bett und deckt mich sorgfältig zu, wobei sie keinen Zoll meines Körpers auslässt, um mich mehr oder weniger in die Zudecke einzurollen.

Nachdenklich starre ich an die Decke und denke erneut darüber nach, warum ausgerechnet ich so eine Krankheit bekommen musste.

Seit ich Lázló und Saundra zum ersten Mal begegnet bin kämpfe ich inzwischen zum dritten Mal um mein Leben und ich habe zwei lebensgefährliche Situationen hinter mir.

Nach so viel Action hatte ich mich eigentlich gar nicht gesehnt, aber im Gegensatz dazu war mein Leben vorher ziemlich langweilig und ohne große Höhepunkte.

Es dauert allerdings nicht lange bis Schwester Megan mir noch einmal Blut abnimmt und einen Becher Urin verlangt, was ich schweigend über mich ergehen lasse und mich frierend wieder in die Decke einrolle.

Nach etwa zwei Stunden ist Saundra mit meiner Reisetasche zurück und schüttelt zunächst mit dem Kopf.

„Was ist denn los Darling?“ frage ich halbwegs belustigt.

„Mann, war das ein Verkehr heute! Zum Glück musste ich nicht selbst fahren, sondern nur der Taxifahrer, sonst wäre ich ausgerastet.

Heute sind lauter Idioten auf der Straße und dann bin ich natürlich prompt Mrs. White in die Arme gelaufen, die alles haarklein genau wissen wollte.

Mrs. Thornton hat gerade die Fenster geputzt und sich natürlich gleich auf die beiden Koffer gestürzt und die Waschmaschine angeworfen.

Die hat auch nach dir gefragt, also musste ich sie ebenfalls aufklären. Immerhin wollen die beiden auch kommen, um sich typisieren zu lassen und sie wollen gleichzeitig auch die ganze Nachbarschaft mobilisieren.“ sagt sie genervt und öffnet den Reißverschluss der Reisetasche.

„Außerdem werde ich dir in den nächsten Tagen, wenn ich Zeit habe, anständige Jogginganzüge kaufen. Dieser billige Walmart-Krempel ist ja nicht auszuhalten. Es hat schon ewig gedauert bis ich die überhaupt gefunden habe…“ mäkelt sie herum.

„Hey! Mein Kleiderschrank ist aufgeräumt!“ unterbreche ich sie entrüstet.

„Das schon!“ sagt sie und zieht einen dunkelblauen flauschigen Hausanzug aus der Tasche.

„Aber oft hast du die Dinger scheinbar nicht an, weil die ganz hinten einsortiert waren.

Jedenfalls wird Mrs. Thornton heute bestimmt Überstunden machen, denn alles andere habe ich einfach auf dem Bett verteilt liegen lassen.“ grinst sie und baut sich vor mir auf.

Belustigt schmunzle ich zurück und schüttle mit dem Kopf, denn ich kann mir das Chaos gut vorstellen das sie hinterlassen hat.

„So raus jetzt mit dir, zieh dir das über! Ist dir immer noch kalt?“ fragt sie nun wieder ernst.

„Ja etwas!“ antworte ich und schlüpfe in die Hose.

„Ach ja!“ sagt sie und greift sich mit der Hand an die Stirn.

„Ich habe ja auch dicke Socken eingepackt, denn mit warmen Füßen ist die halbe Miete meistens schon gewonnen.“

Sie kramt noch einmal in der Tasche, während ich das Sweatshirt überstreife und hält mir Tennissocken aus Frottee unter die Nase, die ich schon Jahre nicht mehr anhatte.

„Wo hast du die denn ausgegraben? Die hatte ich schon ewig nicht mehr an, solche Socken hat heute niemand mehr an.“ frage ich erstaunt und Saundra lacht kurz auf.

„Ganz hinten in deinem Sideboard, aber wärmere Socken habe ich leider nicht gefunden!“ antwortet sie grinsend.

„Lass mich raten!“ sage ich schmunzelnd, während ich sie anziehe.

„Du hast Mrs. Thornton auch beim Sideboard das reinste Chaos hinterlassen.“

„Ja!“ tut sie unschuldig und lässt ihre grünen Augen kurz aufblitzen.

„Das liegt jetzt halt alles daneben auf dem Boden!“

Kopfschüttelnd kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen.

„Mrs. Thornton tut mir jetzt schon leid. Hatte sie das Durcheinander schon gesehen, bevor du wieder gegangen bist?“ frage ich weiter nach.

„Nein!“ sagt Saundra knapp und kneift die Lippen zusammen.

„Ich habe ihr nur angekündigt, dass ein paar Kleider aus deinem Schrank auf dem Bett liegen und ich leider schnell weg muss.“ bemerkt sie schulterzuckend.

Bildlich kann ich mir die Situation gerade vorstellen und pruste los vor Lachen, als im gleichen Augenblick die Tür aufgeht und meine Eltern und Kylie im Türrahmen stehen.

„Was ist denn bei euch los?“ fragt Mum irritiert.

„Ach Mum! Es gibt eben auch lustige Momente im Leben. Wir können doch jetzt nicht vierundzwanzig Stunden Rotz und Wasser heulen. Das macht es auch nicht besser.“ sage ich und breite meine Arme aus, um sie zu begrüßen.

„Tut mir übrigens leid, wegen heute Vormittag, aber ich war so aus dem Schlaf gerissen und total müde.“ schiebe ich noch entschuldigend hinterher.

„Schon gut mein Junge! Das verstehe ich doch, wenn es dir nicht gut ging und so gefällst du mir jetzt auch besser, wenn du wenigstens etwas Anständiges an hast.“ sagt sie liebevoll und küsst mich auf die Wange.

Dad und Kylie umarmen mich ebenfalls, wonach ich wieder ins Bett schlüpfe und mich bis zur Hüfte zudecke, denn mir ist immer noch kalt.

Dad hingegen hängt seine Jacke über einen Stuhl und der Glanz auf seiner Stirn verrät mir, dass es im Zimmer eigentlich warm sein sollte.

Mum erkundigt sich natürlich über mein Befinden und wie es jetzt weiter geht.

Mein Vater hört wie immer meistens nur zu und auch Kylie ist auffallend ruhig, als Saundra nach einer halben Stunde nervös auf die Uhr sieht.

„Ich muss jetzt gehen Darling, aber ich versuche so bald als möglich wieder bei dir zu sein.“ flüstert sie nahe an meinem Gesicht und küsst mich zart auf den Mund.

„Nein Saundra! Lass‘ dir Zeit bei Dr. Perez! Du kannst während der Infusion ohnehin nichts tun und möglicherweise schlafe ich sogar dabei ein.

Du musst überhaupt nicht hetzen, wir haben Zeit!“ raune ich eindringlich zurück.

Sie nickt kurz, schließt die Augen und küsst mich noch einmal lang auf den Mund.

„Bis dann!“ flüstert sie mit Tränen in den Augen und verabschiedet sich von meinen Eltern und Kylie.

Nun wird auch bald Dr. Spector mit der ersten Infusion auftauchen und mich beschleicht eine leichte Unruhe oder besser gesagt regelrechte Angst.

Denn ich weiß nicht, was auf mich zukommt und wie ich mich möglicherweise danach fühle.

„Hast du die Liste unserer Verwandten wieder mitgebracht?“ frage ich Mum deshalb unverfänglich.

„Ja, natürlich! Die habe ich schon heute Vormittag Dr. Spector gegeben, der sich selbst um alles kümmern will, beziehungsweise seine Sekretärin.“ antwortet sie mit hängendem Kopf.

„Ich hoffe so sehr, dass sich schnell jemand findet, der als Spender geeignet ist. Es tut mir in der Seele weh, dich so zu sehen.“ flüstert sie und bricht in Tränen aus.

Dad nimmt sie fest in die Arme und birgt ihren Kopf an seiner Schulter und auch Kylie streichelt tröstend ihren Rücken.

„Mum!“ sage ich daher sanft.

„Wir dürfen nur die Hoffnung nicht aufgeben und wer weiß, vielleicht reicht ja die Chemotherapie schon aus. Da muss ich halt jetzt durch, es bleibt mir ja auch gar nichts anderes übrig. Aber eines weiß ich … Ich will leben! Für Saundra und auch für Euch!“

Mum beruhigt sich langsam wieder, doch bevor sie etwas sagen kann klopft es an der Tür und Dr. Spector erscheint mit einem Infusionsständer, an dem drei verschiedene durchsichtige Flaschen hängen.

Er hat Schwester Megan im Schlepptau, welche Tupfer, Nierenschalen und Infusionsnadeln mit sich schleppt.

Zunächst tritt er an mein Bett, begrüßt mich mit ernstem Gesicht und setzt sich auf den Rand meiner Matratze.

„So Mr. Bolder, nun ist es soweit und wie ich sehe, haben Sie sich offenbar schon gut darauf eingestellt.“ sagt er mit einer Bewegung seines Kinns auf meinen kahlen Kopf.

„Meine Herrschaften, darf ich bitten!“ wendet er sich in Richtung meiner Familie und wirkt dabei sehr bestimmend.

Dad schiebt Mum von sich, reicht ihr ihre Jacke und greift selbst nach seiner eigenen. Auch Kylie zieht ihren langen schwarzen Mantel an und hebt ihre Seesackähnliche Handtasche von Boden auf.

„Nun ja, wie man es nennen will. So richtig weiß ich bis jetzt nicht, was wirklich auf mich zukommt.“ sage ich ehrlich.

Mum drängt sich zwischen uns und verabschiedet sich mit einem Küsschen auf meine Wange.

„Alle Gute, mein Junge! Ich liebe dich!“ raunt sie mit Tränen in den Augen.

Dad und Kylie umarmen mich ebenfalls noch einmal mit aufmunternden Worten und verlassen mit einem Kopfnicken an Dr. Spector gewandt den Raum.

„Puh! Hier ist es aber ganz schön warm.“ stellt dieser zunächst fest und wischt sich über die Stirn.

„Ich weiß!“ antworte ich und ziehe dabei die Augenbrauen nach oben.

„Aber seit heute Vormittag friere ich ständig und Saundra hat mir schon warme Hausanzüge von Zuhause geholt. Jetzt ist etwas besser.“

Dr. Spector legt besorgt die Stirn in Falten und sieht mir in die Augen.

„Sie frieren jetzt schon? Das ist gar nicht gut! Normalerweise ist das eine Nebenwirkung der Chemotherapie, also könnte das in den nächsten Tagen noch schlimmer werden. Schwester Megan…“ gibt er zu ihr gewandt seine Anweisungen.

„Wir brauchen hier auf jeden Fall noch eine Wolldecke und eine zusätzliche Zudecke, sonst müssen wir Mr. Bolder am Ende noch in der Sauna unterbringen.“

„Jawohl Sir!“ antwortet sie mit Augenaufschlag und verzieht ihr Gesicht ebenso sorgenvoll.

„Dann möchten Sie mit Sicherheit ihren Hausanzug anbehalten, wenn ich das richtig sehe.“ sagt er ernst und ich nicke zustimmend.

„Gut! Kein Problem! Das stört ja auch nicht mit der Infusionsnadel.“ stellt er fest und sieht mich von unten herauf an.

„Was ich Ihnen aber noch als eventuelle Nebenwirkung sagen muss ist, dass es zu schwerer Übelkeit und Erbrechen kommen kann.

Sollte dies der Fall sein, dann rufen sie bitte nach den Schwestern oder einem Arzt, auch wenn ich selbst nicht da sein sollte.

Es gibt Medikamente die das lindern können, aber ich möchte eigentlich sowenig wie möglich zusätzliche Medikamente einsetzen, weil diese gegebenenfalls die Wirkungsweise der Zytostatika stören, beziehungsweise auch die Leber schädigen könnten.

Deshalb sollten wir erst abwarten, wie gut Sie die Infusionen vertragen.

Zudem kann die Chemotherapie zu Abgeschlagenheit und Müdigkeit führen, aber damit haben Sie ja schon ihre Erfahrung. Vielleicht wird es nur noch ein bisschen mehr.“ führt er aus und blickt mich prüfend über den Rand seiner schwarzumrandeten Brille hinweg an.

„Sind Sie dann soweit?“ fragt er prüfend.

Seufzend schließe ich die Augen und nicke kurz.

Somber Side of Love - Teil 3 Ägypten

Подняться наверх