Читать книгу Somber Side of Love - Teil 3 Ägypten - M.B. Bolder - Страница 8

Kapitel 6

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„Es bleibt mir ja nichts anderes übrig, wenn ich nicht sterben will! Also fangen Sie schon an.“ sage ich bedrückt.

Dr. Spector und Schwester Megan desinfizieren sich zunächst beide gründlich die Hände und Schwester Megan schiebt den Ärmel meines rechten Armes nach oben, wobei es mich erneut augenblicklich fröstelt.

Sie legt zunächst eine Manschette um meinen Oberarm und zieht sie fest, wobei ich fast automatisch eine Faust mache.

Dr. Spector sucht prüfend nach einer Vene in der Armbeuge und schiebt gekonnt eine Infusionsnadel hinein, die ich aber kaum spüre.

Schwester Megan nimmt die Manschette wieder ab und reicht Dr. Spector den Schlauch der ersten Infusion, wobei sie den Ständer mit den Infusionsflaschen neben meinem Bett gut platziert.

Er schraubt den Schlauch auf, lässt die Flüssigkeit bis nach vorne laufen und dreht zunächst am Schlauch die Regulierung zu, um ihn an die Infusionsnadel anzuschließen.

Er blickt mich zwischendrin immer wieder zweifelnd an, denn offenbar macht er sich Sorgen um meinen Gemütszustand.

Schwester Megan platziert eine Notglocke an der Stange über meinem Bett, welche jetzt fast vor meinem Gesicht hängt und lächelt mir aufmunternd zu.

Dr. Spector steht nun auf und tippt auf der Infusionspumpe herum, wobei der die Tropfenzahl, die nun in meinen Arm läuft mit der Armbanduhr abgleicht.

Er setzt sich abermals auf den Rand meines Bettes und schaut mir ernst ins Gesicht.

„Falls Sie sich nicht wohlfühlen sollten oder es Ihnen schlecht wird, dann rufen Sie bitte über die Notglocke die Schwester. Scheuen Sie sich bitte nicht, Sie sind nicht hier um ein Held zu sein.

Wenn die erste Flasche durchgelaufen ist, komme ich noch einmal vorbei, um nach Ihnen zu sehen, ansonsten lassen wir Sie erst einmal allein.

Aber Schwester Megan wird sich ohnehin immer wieder nach Ihnen umsehen, damit Sie uns nicht umkippen. Bis später!“ verabschiedet er sich und drückt fast freundschaftlich kurz meine Schulter.

Schwester Megan zieht die Zudecke bis zu meinem Hals und achtet auch darauf, dass mein rechter Arm ebenfalls zugedeckt ist, ohne die Infusionszufuhr zu behindern.

„Ich bringe Ihnen noch ein paar Decken, das wäre doch gelacht, wenn wir Sie nicht warm bekommen.“ flüstert sie schwitzend, wobei der nächste kalte Schauer über meinen Körper kriecht.

Ausgelaugt schließe ich die Augen, spüre die Infusion kalt in meinen Arm fließen und ich höre meinen eigenen Herzschlag in den Ohren.

Ich habe Angst!

Angst diese Welt schneller verlassen zu müssen, als mir lieb ist und ich denke dabei vor allem an Saundra!

Sie braucht mich doch!

Somit fasse ich zum hundertsten Mal an diesem Tag den Entschluss, um mein Leben zu kämpfen!

Nach etwa zehn Minuten kehrt Schwester Megan mit einer Wolldecke und einer zweiten Zudecke zurück.

Doch zunächst misst sie an meinem linken Arm den Blutdruck und fragt wie ich mich fühle.

„Im Moment noch ganz gut, aber ich bin unheimlich müde und mir ist kalt.“ antworte ich entkräftet.

„Kein Problem! Das haben wir gleich!“ sagt sie lächelnd und schlägt die Zudecke zurück, was mir augenblicklich eine Gänsehaut am ganzen Körper beschert.

Geschickt rollt sie mich in die Wolldecke ein und schiebt eine kleine Heizdecke unter meine Füße, wonach sie mich mit den beiden Zudecken sorgfältig zudeckt.

„Versuchen Sie zu schlafen, das wäre jetzt das Beste! Ich sehe wieder nach Ihnen und falls irgendetwas ist dann klingeln Sie bitte! Es ist jederzeit sofort jemand da, vergessen Sie das nicht!“ sagt sie sanft und verlässt das Zimmer wieder.

Nur langsam verschwindet die Gänsehaut und ich beginne mich zu entspannen, während es mir zunehmend wärmer wird und bei einem für mich erträglichen Maß stehen bleibt.

Nur die Infusion scheint immer noch kalt in meinen Arm zu laufen und ich versuche sie gedanklich von meinem Körper zu trennen, um endlich einschlafen zu können.

Irgendwann werde ich dämmernd wach.

Es ist dunkel und mein rechter Arm schmerzt von der Injektionsnadel, obwohl der Schlauch daran plötzlich weg ist.

Was ist passiert?

Waren es nicht drei Infusionsflaschen die ich auf dem Ständer gesehen hatte?

Habe ich die womöglich alle verschlafen?

Mir ist speiübel, aber ich kann mich selbst nicht aus den vielen Zudecken befreien und rufe leise nach Saundra, denn sie muss jetzt sicher da sein!?

Sie wird bestimmt nicht mit Dr. Perez eine Nachtschicht einlegen und mich sicherlich nicht einfach so lange allein lassen.

„Saundra!“ rufe ich deshalb lauter, als sich nichts rührt und eine mir bisher unbekannte Panik langsam in mir aufsteigt.

Plötzlich beginne ich zu hyperventilieren und überlege ob ich am Ende vielleicht schon tot bin?

Mir fällt die Klingel über meinem Kopf ein, aber ich kann sie nicht erreichen, weil ich meine Arme nicht frei bekomme und rufe noch einmal laut Saundras Namen.

Warum gibt es denn kein Licht?

Verzweifelt versuche ich mich aus den Decken zu befreien, wobei es mich ständig hebt und ich fast schon dabei bin mich zu übergeben.

„Saundra! Bitte!“ rufe ich noch einmal laut, als plötzlich das Licht angeht und sie meine Situation offenbar von ihrem Bett aus sofort richtig einschätzt.

Wie im Flug sitzt sie schlagartig neben mir auf dem Bett, befreit mich einigermaßen von den vielen Decken und zieht meinen Oberkörper mit einer Hand aufrecht, wobei sie mit der anderen Hand eine Nierenschale an meinen Hals hält.

Dankbar kotze ich mir die Seele aus dem Leib, lauter grüne Galle und Schaum, aber was soll es sonst schon viel sein?

Das Frühstück und der Lunch waren nur mäßig und das Dinner habe ich scheinbar verschlafen.

Ein grässlicher Geschmack breitet sich in meinem Mund aus und mein Hals fühlt sich wund an.

Abgekämpft und kalt schwitzend sehe ich Saundra in die Augen.

„Lebe ich noch?“

„Ja, natürlich! Sonst würde es dir wahrscheinlich jetzt nicht so schlecht gehen.“ sagt sie aufatmend, stellt die Nierenschale beiseite und drückt auf die Notklingel.

Vorsichtig schält sie mich weiter aus den Zudecken, was bei mir aber wieder einen Schüttelfrost auslöst und sie drückt mich sanft auf die Kissen zurück.

Erneut deckt sie mich bis zum Hals zu und sieht mir besorgt in die Augen.

„Ist dir immer noch schlecht?“

„Ich weiß nicht!“ antworte ich tief atmend.

„Ich glaube, ich muss mich erst einmal sammeln.“

Doch in dem Moment hebt es mich schon wieder und sie hilft mir erneut mich aufzurichten und hält mir eine neue Nierenschale vor den Mund.

Heftig muss ich mich abermals übergeben, aber mehr als gelbgrünlicher Schaum kommt nicht mehr aus mir heraus und ich lasse mich entkräftet und kalt schwitzend zurückfallen.

„So heftig hatte ich das nicht erwartet!“ flüstere ich und streichle Saundra mit meinem befreiten linken Arm über die Wange.

„Kannst du das wirklich mit mir durchstehen Saundra?“ frage ich zweifelnd.

„Ich WERDE das mit dir durchstehen Matt! Weil ich dich über alles liebe und eines Tages mit dir vor dem Traualtar stehen möchte. Nichts und Niemand wird mich davon abhalten, jetzt und in Zukunft an deiner Seite zu sein.“ sagt sie überzeugend und küsst mich zärtlich auf den Mund.

Erleichtert atme ich tief ein als Schwester Loredana ins Zimmer stürzt und auf einen Blick erkennt, dass ich mich übergeben musste.

Sie nimmt die beiden Nierenschalen mit und sagt wie nebenbei.

„Ich werde Dr. Spector kontaktieren, wie ich weiter verfahren soll.“

„Halt! Warten Sie!“ halte ich sie kraftlos auf.

„So wie ich es sehe, ist es irgendwie mitten in der Nacht. Sorry, ich habe gerade keine Uhr zur Hand, aber wecken Sie ihn nicht wegen mir. Er braucht auch seinen Schlaf und es geht mir jetzt ja wieder relativ gut. Das kann auch warten bis morgen früh. Bitte.“

„Okay! Wenn Sie das sagen, dann soll es mir Recht sein! Seine Anweisung war eben, dass er jederzeit geweckt werden möchte, wenn sich bei Ihnen irgendwelche Anzeichen ergeben und da er ohnehin Notdienst in der Klinik hat, wäre das kein Problem.“ führt sie ungerührt aus.

„Wie viel Uhr ist es eigentlich!“ frage ich unbeholfen.

„Etwa vier Uhr a.m.“ antwortet Saundra zögernd.

Befreit schlage ich meine rechte Hand vor die Augen und halte kurz die Nasenwurzel fest, bevor der Venenzugang anfängt weh zu tun.

„Nein, lasst ihn schlafen! Die paar Stunden bis sein normaler Dienst anfängt werde ich auch noch überstehen, vielleicht gelingt es mir ja auch wieder einzuschlafen.“ sage ich überzeugend und kuschle mich wieder in die vielen Decken, achte aber darauf, dass ich diesmal die Arme frei bewegen kann.

Denn es war fast schon Horror mich nicht befreien zu können als mir äußerst übel war, im Gegensatz zu Saundras Fesselungen, wenn es lediglich um die sexuelle Lust geht und darum sich verwöhnen zu lassen.

Das ist völlig verschieden und steht auf einem ganz anderen Blatt, aber selbst Saundra muss das alles verändert haben…

Sie liegt am nächsten Morgen als es wieder hell ist neben mir, fast nackt nur mit Spitzenunterwäsche bekleidet und hält mich von vorne fest.

Das gab es noch nie! Wenn überhaupt, dann umklammerte sie mich von hinten, meistens wie ein Schraubstock.

Überrascht wage ich es kaum sie anzufassen und lege trotzdem kühn meine schmerzenden Arme um sie herum und ziehe sie vorsichtig an mich.

Ein tiefes Seufzen bezeugt mir, dass sie ebenfalls wach ist und etwas geschehen lässt, wozu sie bis jetzt noch nie bereit war.

„Fühlst du dich besser?“ fragt sie sorgenvoll.

„Nein! Mir ist immer noch speiübel, die Arme und Beine tun mir weh und ich fühle mich total kraftlos.“ flüstere ich ehrlich.

„Dr. Spector kann dir bestimmt etwas geben, dass du die Chemo besser verträgst. Wir fragen ihn einfach, wenn er später vorbei kommt.“ raunt sie zurück und windet sich aus meinen Armen.

„Ich denke ich sollte besser etwas anziehen, bevor er kommt.“ sagt sie lächelnd, zieht eine Jeans und einen Pullover aus der Reisetasche und geht damit ins Bad.

Inzwischen bringt Schwester Megan das Frühstück und fragt.

„Möchten Sie am Tisch frühstücken oder lieber im Bett bleiben?“

„Ich glaube nicht, dass ich es schaffe aufzustehen.“ antworte ich und ziehe mir wieder die vielen Decken bis an das Kinn, womit sie ein Tablett auf den Nachttisch stellt.

Doch bei dem Duft nach frischen Kaffee wird mir erneut so schlecht, dass ich mich abermals übergeben muss und gerade noch eine Nierenschale erwische.

Schwester Megan ist sofort und Stelle und stützt mich, bis sich mein Magen wieder einigermaßen beruhigt hat.

Sie deckt mich danach wieder sorgfältig zu und stellt das Tablett nun doch auf den Tisch.

„Vielleicht geht es Ihnen ja später etwas besser, ich lasse es einfach einmal so stehen.“ sagt sie mitfühlend und geht mit der Nierenschale nach draußen.

„Was war denn?“ fragt Saundra als sie aus dem Bad kommt.

„Ach nichts! Ich musste mich nur wieder übergeben, nachdem ich den Kaffee gerochen habe.“ flüstere ich und schließe ermattet die Augen.

Sie setzt sich neben mich auf den Bettrand und streichelt über meine Stirn und die Wange.

„Aber du musst doch etwas essen.“ sagt sie sorgenvoll.

„Ich kann nicht Saundra! Schon bei dem Gedanken an Essen wird mir speiübel! Aber du könntest mir aus dem Bett helfen, ich müsste zur Toilette und habe Bedenken, dass ich es allein nicht schaffe.“ bitte ich sie.

„Nein, wir machen das nicht allein, ich kann dich nicht halten, wenn du umkippst.“ sagt sie und drückt den Klingelknopf.

Doch im gleichen Augenblick betritt Dr. Spector das Zimmer und stellt sich an das Fußende meines Bettes.

„Sie haben die erste Behandlung doch nicht so gut vertragen wie es zunächst den Anschein hatte. Die Schwestern haben mir erzählt, dass Sie sich ein paar Mal übergeben mussten?“ fragt er.

„Ja! Ich fühle mich auch gar nicht gut und ich weiß nicht einmal, wie ich zur Toilette gelangen soll.“ antworte ich matt.

„Na, das dürfte das kleinste Problem sein, da kann ich Ihnen helfen. Kommen Sie!“ sagt er und hilft mir aus dem Bett.

Er führt mich zur Toilette wie in kleines Kind und meine Knie fühlen sich breiig und wackelig an.

Nachdem ich mein Geschäft erledigt habe führt er mich ebenso wieder zurück, wobei ich währenddessen wieder einen Schüttelfrostanfall bekomme und Saundra mich danach sorgsam zudeckt.

„Also müssen wir die Therapie eben doch auf Antiemetika ausweiten, damit wir die Übelkeit und das Erbrechen in den Griff bekommen.

Denn an der Zusammensetzung der Zytostatika kann ich nichts verändern, es wurde genau auf Sie abgestimmt. Wir versuchen das heute gleich einmal.

Schwester Megan soll Ihnen später eine Infusion anlegen und vielleicht schaffen Sie es dann auch etwas zu essen.“ sagt er aufmunternd und verabschiedet sich wieder.

Schwester Megan bringt eine halbe Stunde später die Infusion und schließt sie an, aber es verändert sich überhaupt nichts. Mir ist danach noch genauso übel wie vorher.

So geht es Tag für Tag und Nacht für Nacht, die Antiemetika schlagen bei mir offensichtlich nicht an.

Obwohl Dr. Spector mir auch andere Medikamente gegen die Übelkeit gibt und etwas gegen Sodbrennen, hält der Zustand hartnäckig an.

Nachdem ich nicht einmal das wenige Essen das ich hinunter bekomme bei mir behalten kann, entschließt sich Dr. Spector nach drei Tagen mir einen zweiten Zugang am linken Handrücken zu legen, um mich künstlich zu ernähren.

Außerdem legt er einen Katheter, weil ich inzwischen zu schwach bin auch nur auf die Toilette zu gehen.

Verdammt!

Warum mache ich das eigentlich alles?

Wäre es nicht einfacher und leichter, die Chemotherapie abzubrechen und einfach zu sterben?

Diesen Gedanken habe ich oft, wenn es mir wieder ganz besonders schlecht geht. Aber Saundras liebliche Stimme und ihre stets verweinten grünen Augen bringen mich doch jeden Tag wieder dazu die schreckliche Tortur der Chemotherapie über mich ergehen zu lassen.

Die Besuche meiner Eltern sind meist nur kurz, weil mich solche Gespräche zu sehr anstrengen und ich ohnehin die meiste Zeit verschlafe.

Meine Schwester ist inzwischen wieder nach Boston abgereist, um weiter ihrem Job nachzugehen. Zudem hat sich inzwischen herausgestellt, dass weder sie noch meine Eltern für eine Gewebespende in Frage kommen.

Auch unter den amerikanischen Verwandten fand sich niemand, so dass man scherzhaft denken könnte, dass ich eben einmalig bin wenn die Angelegenheit nicht so ernst wäre.

Inzwischen ist mir sämtliche Körperbehaarung ausgefallen, einschließlich der Augenbrauen, Wimpern und der Schamhaare.

Nichts ist mehr da und meine Haut fühlt sich am ganzen Körper an wie die eines Babys.

Nach etwa zwei Wochen kündigt Lázló an, dass er am Dienstag nach Ostern mit Tristan zurückkommt und ihn ebenfalls in das Albert Einstein Medical Center bringen will, wo ich gerade verzweifelt um mein Leben kämpfe.

Somit hätte er dann alle seine Schäfchen wieder beisammen und er muss nicht ständig zwischen New York und Philadelphia hin und her fliegen.

Ostersonntag macht Dr. Spector einen Tag Pause mit der Chemotherapie und es geht mir zumindest für ein paar Stunden etwas besser, bis ich dann am Ostermontag die nächste Dosis erhalte.

An diesem Tag spricht Dr. Spector die Verwandtschaft meiner Grandma an, während er mir die erste Infusion anschließt und Saundra zeitgleich bei Dr. Perez weilt.

„Mit Ihrer deutschen Verwandtschaft bin ich leider noch nicht sehr viel weiter! Ich habe sie zwar gefunden und sie auch kontaktiert, aber die machen leider etwas Schwierigkeiten.“ sagt er und beißt sich auf die Lippen.

„Warum? Wie meinen Sie das?“ frage ich ihn.

„Sie wissen wirklich nicht wer oder was ihre Grandma tatsächlich war?“ fragt er ungläubig.

„Nein! Sie hat nie darüber gesprochen und sie hat sämtliche Fragen danach immer sofort unterbunden. Irgendwann haben wir das dann akzeptiert, ich weiß ja nicht einmal ihren Mädchennamen.“ antworte ich schulterzuckend.

„Ihre Grandma stammte übrigens aus der Nähe von Nuremberg und hieß mit vollem Namen Viktoria Christina Luise Sophie Charlotte Amalia von Zollern. Klingelt es da bei Ihnen als Archäologen nicht?“ fragt er und hebt die Augenbrauen.

„Nein, warum sollte es? Ich bin auf Ägypten spezialisiert! Sie hatte zwar ungewöhnlich viele Vornamen, aber vielleicht ist das dort ja so üblich. Grandpa nannte sie immer nur Vicky!“ sage ich und frage mich worauf er hinaus will.

„Die Familie ‚von Zollern‘ ist eine Nebenlinie der früheren deutschen Herrscherfamilie Hohenzollern. Der letzte deutsche Kaiser war zum Beispiel ein Hohenzollern.

Ihre Großmutter war eine Gräfin! Daher verwundert es mich auch nicht mehr, dass sie von ihrer Familie ausgeschlossen wurde, als sie mit achtzehn von einem amerikanischen Soldaten ein Kind erwartete … übrigens Ihre Mutter!“ führt er aus.

Nun muss ich doch erst einmal schlucken!

Meine Grandma war adlig?

Und ich bin mit dem letzten deutschen Kaiser verwandt?

„Aber warum machen die jetzt Schwierigkeiten? Die sollen doch nur eine klitzekleine Blutprobe abgeben, um ein Leben zu retten oder ist deren Blut wirklich blau?“ scherze ich müde, obwohl mir eigentlich gar nicht danach zumute ist.

Außerdem rebelliert mein leerer Magen schon wieder und nachdem ich abermals lauter gelblichgrüne Galle gespuckt habe, fährt Dr. Spector in seinem Bericht fort.

„Die Familie hat jetzt Angst, dass Sie Ansprüche stellen könnten in Bezug auf einen Titel oder Erbansprüche in Form von Geld, Ländereien oder Immobilien.

Heute Morgen habe ich ein Schreiben von einem Rechtsanwalt der Familie erhalten, in dem Sie aufgefordert werden freiwillig auf alles zu verzichten und welches Sie unterschreiben möchten. Dann könnte eventuell über eine Stammzellenspende nachgedacht werden.“

„Pfff! Das ist ja Erpressung!“ schüttle ich mit dem Kopf und atme erschöpft durch.

„Sie sollten aber darüber nachdenken, es könnte vielleicht Ihr Leben retten. Außerdem hätten Sie ohne Ihre Krankheit wahrscheinlich nie erfahren, wer Ihre deutschen Verwandten sind. Von daher spielt es keine Rolle, ob man das als Erpressung sieht oder nicht.

Ich finde es zwar auch nicht in Ordnung, aber es ist eine weitere Chance einen geeigneten Spender zu finden und nur das zählt im Moment. Was bringt Ihnen ein Titel oder viel Geld wenn Sie tot sind?" fragt er eindringlich.

Scheiße!

Ich brauche also doch ganz dringend einen Spender und diese ganze Chemo-Scheiße allein kann mich gar nicht wieder gesund machen.

Sie zögert den Tod nur hinaus oder hilft vielleicht Zeit zu gewinnen, um einen geeigneten Spender zu finden … mehr nicht.

„Okay! Sie haben ja Recht! Bringen Sie mir den Wisch und ich unterschreibe alles was Sie wollen. Weiß meine Mum schon darüber Bescheid?“ sage ich seufzend.

„Ja! Ich habe sie vorhin darüber informiert, denn sie musste auch unterschreiben und auf alles verzichten.“ antwortet er.

„Was hat sie gemacht?“ frage ich neugierig.

„Sie hat ohne zu Zögern unterschrieben, weil es um Ihr Leben geht Mr. Bolder und sie meinte ‚Mein Sohn ist mir wichtiger, als alles Geld und materielle Dinge dieser Welt oder sogar irgendein Titel‘.

Sie dürfen übrigens stolz sein auf ihre Mutter, sie ist eine Löwin die den Kampf nicht aufgibt. Sie organisiert inzwischen ganze Typisierungstage in Schulen, Universitäten und Vereinen, um mögliche Spender zu finden.

Die Bone Marrow Donors Worldwide Organisation hat im Moment in Philadelphia und Umgebung alle Hände voll zu tun.“ lächelt er.

„Was? Davon weiß ich gar nichts, aber ich bin meistens ohnehin viel zu müde, um viel mit ihr zu sprechen und vielleicht will sie auch gar nicht viel Aufhebens mir gegenüber darüber machen.“ sage ich erstaunt.

Müde lege ich dennoch den Kopf nach hinten und schließe die Augen, obwohl mir schon wieder speiübel ist.

„Schlafen Sie sich erst einmal aus, ich lasse Ihnen das Papier hier auf den Nachttisch legen und sie können es unterschreiben, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen.“ sagt er freundlich und verlässt das Zimmer, womit ich mit meiner Infusion wieder alleine bin und verzweifelt versuche einzuschlafen, wenn die Übelkeit es zulässt.

Doch ich komme um eine weitere Rebellionsattacke meines Magens nicht herum und spucke erneut eine Nierenschale mit gelblichgrüner Galle voll.

Verdammt!

Das macht mich fertig!

Ständig ist mir übel, meine Speiseröhre brennt inzwischen wie Feuer und obwohl ich künstlich ernährt werde nehme ich ständig ab.

Mein haarloser Körper besteht fast nur noch aus Haut und Knochen und meine Arme und Beine sind völlig verstochen von den täglichen Blutproben, die genommen werden müssen.

Wo ist mein Sixpack geblieben? Wo sind meine Muskeln in den Oberarmen auf die ich immer so stolz war?

Diese verdammte Leukämie raubt mir alle Kraft und ich weiß nicht, wo das alles noch enden soll?

Irgendwann am späten Nachmittag unterschreibe ich mit fahrigen kraftlosen Bewegungen die Forderung von meinen deutschen Verwandten, in der Hoffnung, dass sie ihr Versprechen wahr machen und sich dann typisieren lassen.

Aber vielleicht wäre Sterben doch die richtige Lösung, doch das kann ich meinen Eltern und vor allem Saundra nicht antun!

Woher soll ich jedoch die Kraft noch nehmen weiter zu kämpfen?

Eigentlich bin ich am Ende aller meiner Kräfte und ich kann fast nicht mehr!

Benebelt und schwindelig schlafe ich endlich ein, während der Chemie-Cocktail weiter in meine Adern rinnt.

Saundra kümmert sich aufopferungsvoll um mich, obwohl ich eigentlich für sie da sein sollte, aber es fehlt mir die Kraft dazu und ich bin dankbar, dass sie mich nicht einfach verlässt.

Lázló und Tristan sollen heute wieder aus Ungarn zurückkommen…

Doch an diesem Dienstagvormittag nach Ostern, geht es mir wieder ganz besonders schlecht und die Brechattacken hören einfach nicht auf, trotz der Antiemetika.

Saundra und Schwester Megan sind mit im Zimmer, als Dr. Spector abermals die Chemie-Keule an meinen Arm anschließt und ich mich wieder einmal vor seinen Augen mitten über die Bettdecke übergeben muss.

Völlig entkräftet und tief atmend beschließe ich in einer Kurzschlussreaktion damit endgültig Schluss zu machen und reiße mit letzter Kraft die beiden Kanülen aus meinem Körper.

„Ich kann nicht mehr! Lasst mich endlich sterben!“ rufe ich mit heißerer Stimme und lasse mich auf die Kissen zurück fallen.

Kurz sehe ich noch wie mein mit Leukozyten verseuchtes Blut über die Bettdecke rinnt und blicke in Dr. Spectors erschrockene Augen.

„Um Himmels willen, was machen Sie denn?“ ruft er aus.

„Schwester Megan! Schnell! Drücken Sie auf die Wunde!“

Gleichzeitig dreht er die Flasche ab und sieht sich nach Saundra um, welche auf mich zugestürzt kommt, neben meinem Bett auf die Knie fällt und in Tränen ausbricht.

„Matt! Neeiiin! Bitte nicht! Was machst du denn?“ ruft sie bestürzt aus.

Mit allerletzter Kraft versuche ich mich dagegen zu wehren, dass man mir die Wunden abdrückt und bitte erneut, doch diesmal sehr viel leiser „Das hat doch alles keinen Sinn! Bitte lasst mich sterben, ich bin am Ende meiner Kraft! Ich kann nicht mehr!“

„Schwester Megan holen Sie mir eine Beruhigungsspritze mit zehn Milligramm Diazepam! Schnell!

Und Tupfer und zwei neue Injektionsnadeln.“ ruft Dr. Spector laut.

In diesem Moment sehe ich aus den Augenwinkeln wie Lázló mit entsetztem Gesichtsausdruck unter der Tür steht und auf die völlig aufgelöste Saundra zustürzt, um sie vom Boden hoch in seine Arme zu ziehen.

„Um Gottes Willen, was ist denn hier los? Matt?“ fragt er fordernd und aufgeregt, doch ich schüttle nur schwach mit dem Kopf.

Dr. Spector versucht verzweifelt allein meine beiden Wunden abzudrücken, wogegen ich mich so heftig wehre wie es meiner Verfassung nach gerade eben geht.

Immer kraftloser werdend verschmiere ich dabei die Bettdecke allerdings noch mehr mit meinem krebskranken Blut.

„Mr. Bolder!“ ruft Dr. Spector laut und schüttelt mich an den Schultern.

„Verdammt! Sie hatten mir versprochen um Ihr Leben zu kämpfen! Jetzt tun Sie das auch!

Ich weiß, dass es sehr hart für Sie ist, aber seit ein paar Tagen spricht die Therapie endlich an und ihre Blutwerte bessern sich langsam.

Sie können doch jetzt verdammt noch mal nicht aufgeben!“ wirft er mir lautstark vor.

Lázló führt die weinende und sich heftig wehrende Saundra wortlos nach draußen und Schwester Megan, die im selben Augenblick zurückkommt, reicht Dr. Spector eine Spritze die er mir ohne Vorwarnung in den Oberarm rammt.

Beide bemühen sich nun die Blutungen an meinen Armen mit Tupfern zu stoppen, allerdings ohne weitere Gegenwehr von mir, weil ich einfach keine Kraft mehr habe und wohl auch die Spritze ihr Übriges dazu beiträgt.

Schwester Megan zieht mir das Sweatshirt und das T-Shirt über den Kopf, welches Saundra unterdessen bei Boyd’s gekauft hat.

Sie hält mich weiter fest, obwohl das schon lange nicht mehr nötig wäre, weil ich alles nur noch wie durch einen Nebelschleier hindurch wahrnehme.

Fast schmerzhaft spüre ich jedoch den Schüttelfrost, der mich durch die plötzliche Kälte erfasst und sie versucht mich teilweise mit der Decke etwas warm zu halten.

Bis ich mich jedoch versehe hat mir Dr. Spector zwei neue Zugänge gelegt. Den einen in der Armbeuge des linken Armes, wo er die künstliche Ernährung anschließt und den anderen in der Nähe des rechten Schlüsselbeins, wo er die Chemie-Scheiße anstöpselt welche mich so sehr peinigt, dass ich manchmal sogar lieber sterben möchte.

Shit!

Nun habe ich mich so sehr abgekämpft und es hat mich keinen Schritt weiter gebracht! Nur dass diese unendlich quälende Übelkeit wiederkehrt und ich kaum noch Kraft finde die Galle nach oben zu würgen.

Danach muss ich wohl doch eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal erwache ist die Chemie-Infusion weg.

Ich habe ein Krankenhaushemd an und die Bettdecke ist neu bezogen.

Saundra und Lázló sitzen mit besorgtem Blick an meinem Bett und jeder von ihnen hält eine meiner Hände fest gedrückt in den ihren.

„Matt! Darling!“ flüstert Saundra verweint und verständnislos fragend als sie merkt, dass ich wach bin und zieht meine Hand an ihre Lippen.

„Ich liebe dich doch! Was hast du dir nur dabei gedacht?“

Plötzlich spüre ich nasse Tropfen auf meiner Hand und ich seufze kurz auf, doch meine Stimme will mir nicht gehorchen.

Noch einmal atme ich tief durch und versuche zu husten, doch mein Rachen ist ganz wund von dem ständigen Erbrechen und ich kann nur heißer flüstern.

„Es tut mir leid, Saundra! Das war eine Kurzschlusshandlung von mir, aber ich war so fertig!

Ich kann einfach nicht mehr Saundra!

Ich bin am Ende meiner Kraft und es hilft ja doch alles nichts!“ flüstere ich mutlos und schließe die Augen.

Erneut atme ich tief durch, wie nach einem Marathonlauf, so sehr haben mich diese paar Worte angestrengt.

„Nicht doch Matt!“ mischt sich Lázló besorgt ein, während Saundra leise in meine Hand weint.

„Dr. Spector sagt, dass die Chemotherapie endlich anschlägt. Sie müssen nur noch ein wenig Geduld haben und durchhalten, dann kann er die Dosis eventuell verringern oder Tage mit Pausen einlegen.

Dann geht es Ihnen bestimmt bald wieder besser und wer weiß … vielleicht findet sich bis dahin ja doch noch ein Spender. Möglicherweise sogar unter Ihrer deutschen Verwandtschaft nachdem Sie auf alles verzichtet haben.“

„Hmm!“ versuche ich so sarkastisch wie möglich zu klingen.

„Wenn sich in meiner engeren amerikanischen Verwandtschaft schon kein Spender gefunden hat, wie soll sich dann ausgerechnet dort einer finden?

Ich glaube nicht mehr daran Lázló. Ich glaube an gar nichts mehr! Ich kann einfach nicht mehr! Ich bin am Ende und ich werde bestimmt an dieser verdammten Leukämie sterben!" presse ich mit letzter Kraft aus mir heraus.

Erneut weint Saundra auf und schluchzt verzweifelt neben mir.

Somber Side of Love - Teil 3 Ägypten

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